Bayernkaserne: Aufnahmestopp bleibt vorerst

Bei einer Diskussion mit Bürgern in Freimann geben OB Dieter Reiter und Bürgermeisterin Christine Strobl Antworten zur Flüchtlingssituation – und entschuldigen sich zunächst einmal.
von  Christian Pfaffinger
Mitte Oktober war die Aufnahmeeinrichtung drastisch überfüllt. Einige schliefen im Freien.
Mitte Oktober war die Aufnahmeeinrichtung drastisch überfüllt. Einige schliefen im Freien. © Marc Müller

Wie geht es weiter mit der Bayernkaserne? Bei einer Diskussion mit Bürgern in Freimann geben OB Dieter Reiter und Bürgermeisterin Christine Strobl Antworten zur Flüchtlingssituation – und entschuldigen sich zunächst einmal.

Freimann - Den ersten großen Applaus gibt es für eine Entschuldigung. „Es tut uns Leid, dass wir erst jetzt hier sind“, sagt Christine Strobl und auch Dieter Reiter entschuldigt sich wenig später. Es habe gedauert, bis man einen Ort für die Veranstaltung fand. Jetzt sitzen der Oberbürgermeister und die dritte Bürgermeisterin von der SPD im Kesselhaus in Freimann und wollen beweisen, dass die Stadt sich kümmert: um die Flüchtlinge und um die Bürger in Freimann.

Höchste Zeit, das heißt der Applaus. Die Lage in der Bayernkaserne in Freimann war in den letzten Wochen dramatisch: Überfüllung, Personalmangel und dann auch noch Masern. Dieter Reiter hat einen Aufnahmestopp verhängt. Der soll vorerst bleiben.

Jetzt haben Dieter Reiter, Christine Strobl, Sozialreferentin Brigitte Mayer und der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, mit Anwohnern über die Flüchtlingssituation in Freimann diskutiert. Die Stuhlreihen im Kesselhaus waren bis nach hinten besetzt, das Thema bewegt das Viertel. Auch viele Stadträte waren gekommen, ebenso wie Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Mehr als zweieinhalb Stunden wurde über die Lage in und um die Bayernkaserne gesprochen, rund 400 Anwohner waren gekommen. Die AZ fasst die wichtigsten Antworten zur aktuellen Situation zusammen.

Wie ist der aktuelle Stand in der Bayernkaserne?

Derzeit sind 1601 Flüchtlinge in der Bayernkaserne untergebracht – also etwa 900 weniger als noch vor zwei Wochen, als die schlimmen Zustände zu einem Aufnahmestopp führten. Vier der fünf Garagen, die als Notunterkünfte genutzt wurden, seien wieder geschlossen.

„Der Aufnahmestopp bleibt, bis wieder Zustände herrschen, die einen Regelbetrieb zulassen“, sagt OB Dieter Reiter. Das heiße, dass ankommende Flüchtlinge binnen eines Tages in einer Datenbank erfasst, medizinisch untersucht sowie einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden können. Auch aktuell ist die Situation noch brisant: Die Kaserne ist immer noch überfüllt. Außerdem sind mehrere Flüchtlinge an Krätze erkrankt. Die Regierung von Oberbayern bestätigte einen entsprechenden Bericht der ARD. Die Patienten seien isoliert und die medizinische Betreuung verbessert worden. Mittlerweile würden pro Tag 200 Menschen untersucht.

Wie löst man das Personalproblem?

Die Stadt hat einen Krisenstab eingerichtet. Schon am ersten Tag hätten sich 50 Mitarbeiter der Stadt freiwillig gemeldet, um zu helfen, sagt Reiter. Bei der Regierung von Oberbayern seien es bisher 75 Mitarbeiter, sagt Hillenbrand. Mit den externen Dienstleistern, die den Betrieb der Einrichtung übernommen haben, arbeite man intensiv daran, die Situation zu verbessern.

Wie steht es um die Sicherheit im Viertel?

„Es gibt keinerlei negative Auffälligkeiten, was die Kriminalität angeht“, sagt der örtliche Polizeichef. Es gebe zusätzliche Streifen, auch Beamte der Pferdestaffel seien unterwegs. Wenn es Probleme mit Flüchtlingen gebe, gehe es meist um Verunreinigungen oder Streit. Insgesamt gebe es aber „keine signifikanten Änderungen in der Sicherheitslage“.

Wer sind die Flüchtlinge?

Die Flüchtlinge in der Bayernkaserne kommen vor allem aus Syrien und Schwarzafrika. Es seien keine „Armutsflüchtlinge“, sondern Menschen, die fürchten mussten, zu sterben, sagt Jürgen Soyer, vom Verein Refugio, der traumatisierte Flüchtlinge betreut. „Viele der Flüchtlinge mussten mit ansehen, wie Familienmitglieder von Bomben zerfetzt wurden oder auf der Flucht gestorben sind.“ Etwa ein Drittel der Flüchtlinge habe ein Trauma, bei den Kindern leiden bis zu 60 Prozent daran. Viel Applaus gibt es für die Feststellung von Dieter Reiter: „Das sind keine Menschen, die unser Sozialsystem ausnutzen wollen, sondern welche, die hier lernen, arbeiten und sich integrieren wollen.“

Gibt es ein Alkoholproblem?

Mehrere Bürger beschweren sich, dass Flüchtlinge an einer Tankstelle Alkohol kaufen und dann in Grünanlagen trinken würden. Grund dafür sei, dass in der Aufnahmeeinrichtung Alkoholkonsum verboten ist. Die Regierung von Oberbayern hält an diesem Verbot fest. Dieter Reiter kritisiert es: „Ich sage nicht, dass da eine Kneipe hin soll. Aber wenn jemand ein Bier trinken will, sollte man ihn nicht zwingen, das auf dem Grünstreifen vor der Kaserne tun zu müssen.“

Warum haben Flüchtlinge Handys?

Eine zynische Frage, finden Sie? Leider wird sie gestellt – und von einer kleinen Gruppe auch beklatscht. Christoph Hillenbrand antwortet: „Seine Heimat zu verlassen macht arm genug, ich würde mein Handy auch mitnehmen.“ Ohne Handy, sei so eine Flucht oft gar nicht möglich. Geschenkt bekomme jedenfalls keiner eines. Es folgen weitere Erklärungen, bis Dieter Reiter einen Schlussstrich zieht: „Zu so einer Frage will ich gar nichts sagen, denn das ist bodenlos.“

Wie geht es mit der Funkkaserne weiter?

Mehrere Münchner, die in das neue Quartier Domagkpark ziehen werden, melden sich mit Fragen zur angrenzenden Funkkaserne. Hier sind aktuell 261 Flüchtlinge untergebracht, künftig werden um die 300 Menschen hier eine Unterkunft bekommen. Die Einrichtung in der Lotte-Branz-Straße diene zur Aufnahme.

Wie sind die Flüchtlingsprognosen für München?

Insgesamt soll München in diesem Jahr etwa 5200 Flüchtlinge aufnehmen. 4163 sind schon da, 1025 Plätze gibt es noch, 1210 weitere Plätze werden zusätzlich für den Notfall hergerichtet, etwa im VIP-Bereich des Olympiastadions, einer alten Disco im Umland oder einer alten Schule.

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Im nächsten Jahr müssten etwa 3100 weitere Flüchtlinge aufgenommen werden, es werden dann 8300 Flüchtlinge in der Stadt leben. Dieter Reiter meint: „Wir müssen es in einer 1,5-Millionen-Stadt doch hinbekommen, diese Menschen aufzunehmen und zu integrieren.“ Der Applaus der Bürger im Kesselhaus ist groß.

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