Baum statt Granit: Muss es wirklich ein Grabstein sein?

Rosemarie Griesbacher will durchsetzen, dass man sich auf dem Nordfriedhof an einem Baum begraben lassen kann – auch, weil sie das selbst möchte.
München - Die eigene Sterblichkeit ist wahrlich kein fröhliches Thema, es wird darum gern auf irgendwann später verschoben. "Irgendwann muss jeder darüber nachdenken, was mit ihm nach dem Leben geschehen soll", sagt Rosemarie Griesbacher. "Ich mache das auch nicht gern. Der Gedanke, dass ich sterben muss, ist grauenvoll – aber über das Wie will ich nachdenken!"
Und das hat Griesbacher, 82, getan. Für sich selbst – und mit politischen Auswirkungen. Sie möchte nämlich nach ihrem Tod eingeäschert und in einer verrottbaren Urne an einem Baum begraben werden, statt neben einem Grabstein. "Ich finde das einfach schöner, es ist näher an der Natur und ich möchte niemandem die Pflege eines richtigen Grabes für mich zumuten", sagt sie.
Antrag im Bezirksausschuss gestellt
Und Rosemarie Griesbacher sitzt nicht nur im Seniorenbeirat der Stadt, sondern auch im Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann. Im BA hat sie gerade einen Antrag gestellt: darauf, dass die Stadt auch auf dem Nordfriedhof solche Baumgräber ermöglicht.
Die sind auf dem altehrwürdigen Friedhof an der Ungererstraße bisher nämlich nicht möglich. "Das Konzept der Ruhe unter Bäumen ist grundsätzlich noch relativ neu", heißt es vom Referat für Gesundheit und Umwelt. "Die Nachfrage steigt in letzter Zeit. Wir schauen deshalb nach und nach, o das möglich ist." Derzeit prüfe man, ob eine Realisierung möglich ist – die Gegebenheiten müssen schließlich überhaupt geeignet sein: der Untergrund, die Bäume, die Platzsituation.
Baumbestattungen generell erlaubt
Seit Griesbacher das Thema aufgebracht hat, wird sie oft darauf angesprochen. "Ich habe wohl einen schlafenden Hund geweckt", sagt sie. "Es wird doch eh viel aufgeweicht in der Hinsicht. Die Einäscherung hier ist zum Beispiel sehr teuer, darum lassen das viele im Ausland machen. Natürlich ist die Beerdigung bis zu einem bestimmten Grad Geschmackssache, alles sollte nicht erlaubt werden. Aber wir leben nun einmal in einer neuen Zeit."
In Deutschland kann sich trotzdem nicht jeder einfach so begraben lassen, wie er möchte, es herrscht der Friedhofszwang. Seit 2008 sind die etwas von der Norm abweichenden Baumbestattungen auf Friedhöfen aber erlaubt.
Griesbachers großer Wunsch: Baumgräber auf dem Nordfriedhof
Ein Baumgrab wählt man allerdings eher nicht, um Geld zu sparen: Ein "Familienbaum" mit acht Plätzchen im neuen Teil des Waldfriedhofs beispielsweise kostet für 25 Jahre eine Gebühr von 5125 Euro, ein Urnenplatz an einem Gemeinschaftsbaum mit ebenfalls acht Urnenplätzen 2575 Euro.
Es gibt in München 479 Stelen-Grabplätze neben Bäumen und 1310 Gräber direkt unter Bäumen – auf dem Waldfriedhof seit mehr als zehn Jahren, etwas weniger lange auf dem Haidhauser Friedhof, dem Westfriedhof und seit 2017 in Solln. Auf dem Pasinger und Obermenzing Friedhof sollen Baumgräber ebenfalls bald verfügbar sein.
Darum appelliert Rosemarie Griesbacher an die Stadt: "Der Nordfriedhof ist ein besonders gepflegter Friedhof mit einem wunderschönen Baumbestand. Dort Baumgräber zu ermöglichen, das wäre mir ein großer Wunsch."
Alternativen zur Erdbestattung: Auf See, als Dünger am Ring
Es gilt in Deutschland der Friedhofszwang: Verstorbene dürfen ihre letzte Ruhe nur auf einer als Friedhof ausgewiesenen Fläche finden. Die Bestattungskultur hat sich aber stark geändert: In den 60ern wurden in Deutschland noch 90 Prozent der Toten im Sarg begraben – inzwischen liegt der Anteil der Erdbestattungen nur noch um 40 Prozent.
Die Nachfrage nach Alternativen zur klassischen Bestattung in einem Grab wird außerdem größer. Das Baumgrab ist in Deutschland erlaubt, ebenso die streng regulierte Seebestattung in einer speziellen Seeurne. Auch anonyme Bestattungen auf der Aschestreuwiese eines Friedhofs oder in einem Ruhewald sind legal, aber meist teuer.
Diverse Anbieter in Europa bedienen legale Grenzbereiche: Wurden Tote aus Deutschland zur Kremierung überführt in die Schweiz, die Niederlande oder Tschechien, ist die Angelegenheit amtlich erledigt und die Asche "frei". Ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt beispielsweise bietet für diese Asche an, sie in einer Baumschule im Ausland mit Erde zu vermengen und einen kleinen Baum einzutopfen.
Verrückter (und teurer) wird’s, wenn aus der Asche mit viel Druck ein Diamant erzeugt (Schweiz), sie ins Vinyl einer Platte gepresst (England), in eine Sanduhr gegeben (USA) oder in Tattoo-Tinte gerührt (England) wird. Die Krönung: die Weltraumbestattung (USA). Da wird nur der Grabbesuch schwierig.
AZ-Umfrage: Wo und wie wurden Sie bei freier Wahl am liebsten beerdigt werden?
Heilerin Saraas-M. Sterfinger (54): "Ich möchte verbrannt werden. Wir haben am Ostfriedhof ein kleines Urnengrab von den Großeltern, das liegt schön unter Bäumen. Leider sind wir eingeschränkt darin, was mit der Asche geschehen darf. Ich würde sie alternativ gern im Garten oder Wald oder Ozean verstreuen lassen."
Rentner Ulrich Dopheide (70): "Ich möchte verbrannt werden und dann ins anonyme Gräberfeld auf den Waldfriedhof – einfach und günstig. Wenn es keine Limitierungen gäbe, wäre mir am liebsten eine Verstreuung der Asche auf einem See. Das ist zwar schon zulässig, aber umständlich und teuer."
Projektmanager Kristjan Diehl (43): "Ich bin ein Freund des feierlichen Begräbnisses im Familiengrab. Dort können sich zu Jahrestagen Freunde und Angehörige versammeln, um der Verstorbenen zu gedenken. Es fällt mir leichter, einen Menschen im Sarg als in einer Urne zu begraben. Würdevoll statt sang- und klanglos."
Bildhauer Tom Kaffke (37): "Ich wünsche mir, dass mein Abgang gefeiert wird. Und ich möchte kein Monument. Ich brauche nicht an einem Ort liegen. Freunde und Bekannte und geliebte Verwandte werden mich in ihrem Herzen tragen – dadurch werde ich weiterleben. Es geht um diese Energien, und nicht darum, in eine Kiste zu kommen."
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