Barrierefrei im Puppenhaus

Auf der "66" geht es ums Wohnen der Zukunft, Lachyoga, Golfen und japanische Toiletten.
von  Anja Perkuhn
Wer auch im Alter noch zu Hause leben möchte, wie Annie und Titus, der muss meist umbauen.
Wer auch im Alter noch zu Hause leben möchte, wie Annie und Titus, der muss meist umbauen.

Auf der „66“ im MOC am Kieferngarten geht es ums Wohnen der Zukunft, Lachyoga, Golfen und japanische Toiletten.

München - Annie aus München hat es gleich erkannt: der Fransenteppich. Der geht gar nicht in einem Haus für Senioren. Ein Teppich ist für einen alten Menschen eine Stolperfalle und erschwert das Leben. Die Rentnerin betrachtet das Puppenhaus am Stand des Vereins Stadtteilarbeit bei der 50plus-Messe „Die 66“ (im MOC am Kieferngarten) eingehend. Ansonsten ist alles in Ordnung: Fuß-Freiraum unter der Arbeitsfläche in der Küche für einen Rollstuhlfahrer. Holzklötze, die Bett und Sessel erhöhen. Ein Treppenlift. Rampen an den Türschwellen.

Was ihr und ihrem Mann Titus aber im Modell fehlt: eine japanische Toilette. „Eine mit Dusche. Sie wissen schon“, sagt Titus und schwingt den Arm hinter den Rücken, „weil man ja irgendwann nicht mehr so machen kann.“ Die beiden bauen gerade ihre Wohnung um, sie wollen so lange wie möglich dort wohnen bleiben. Sie ziehen weiter, zu den Schreinern und Installateuren nebenan.

Die Menschen werden immer älter. Frauen in Deutschland werden durchschnittlich 83 Jahre alt, Männer 78. Längst geht es nicht mehr nur darum, das Leben nur erträglicher zu machen. Stattdessen streben Senioren nach individueller Unterhaltung, verbesserter Gesundheit, interessanten Erlebnissen, besserem Aussehen. Kurz: nach größerer Zufriedenheit.

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„Das ist doch auch das Tolle an dieser Zeit“, sagt Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, „dass es inzwischen auch noch eine neue Hüfte gibt für jemanden, der 70, 75 Jahre alt ist. Und dass man nicht einfach sagt: Das lohnt sich nicht mehr.“

Blutdruckmessgeräte, dritte Zähne und künstliche Gelenke zum Anfassen und Hin- und Herbeugen gibt es natürlich auch bei „Die 66“. Die Wehwehchen, erzählt die Münchnerin Edeltraud, „die gingen genau mit 65 los, wie angeknipst. Vorher war ich pumperlgesund.“ Seit drei Jahren kommt sie zur 50plus-Messe, lässt sich inspirieren von den Tipps für Rückenübungen und hat sich einen Vortrag über das Sehen herausgesucht.

Ein paar Meter weiter, an der Sportbühne, auf der gerade ein paar Frauen auf und ab springen, weil sie „Bewegt durchs Leben“ gehen wollen, probiert Annette D. sich im Jonglieren. Die bunten Schaumstoffbälle fliegen anfangs noch höher, als sie sollen. „Geduld“, rät Jongliertrainer Stephan Ehlers, und stellt sich bällchenwerfend daneben, damit es leichter wird. Die Kombination aus Bewegung und kognitiven Fähigkeiten, die es beim Werfen und Fangen braucht, soll Krankheiten wie Demenz und Alzheimer vorbeugen können.

Das Angebot geht aber weit über Gesundheitsthemen und sicheres Wohnen hinaus. Passend zu Kursen wie „Smartphones: Der schlaue Begleiter für Ihren Alltag“ (siehe Kasten) gibt es Anbieter von Bedienungsanleitungen für iPhones. Wer mag, kann sich beim Lachyoga entspannen, auf der Aktionsfläche der GolfRange ein paar Schläge probieren und sich informieren über Arbeiten im Ruhestand oder ungewöhnliche Erfahrungen wie Fastenurlaub und Pilgerreisen.

Und wer weiß, sagt Titus noch. Vielleicht fragen in fünf Jahren ja alle Leute hier nach einer japanischen Toilette.

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