Bald geht's los: Bilder vom Wiesn-Aufbau
Wie aus 50 000 Teilen das Käferzelt wird, woraus die Zunge des Löwen ist und wie viel Hopfen nötig ist: Ein Bummel an der Bavaria. Bilder vom Aufbau.
Ein tiefer Graben zieht sich durch das Winzerer Fähndl. „Heut’ kann ich mir das alles noch gar net vorstellen“, sagt Wirt Peter Pongratz. Sein Blick wandert zu den Oberlichtern seines Zelt-Skeletts, wo Spanplatten die Sicht auf die Theresienwiese verhängen. Das hellste Zelt der Wiesn soll das neue Winzerer Fähndl in 44 Tagen sein – noch ist es eine riesige Baustelle.
Seit vier Wochen bastelt die Zeltbaufirma Pletschacher an dem Neubau mit 8000 Plätzen. „Mia san schon sehr stolz, dass wir neue Wege beschreiten“, sagt Brauereichef Andreas Steinfatt, der in dem Neubau auch eigene Vorstellungen verwirklichen konnte. Eine große Glasfassade gibt es, eine stützenfreie Decke und das modernste Bierleit-System der Welt: Aus drei Container á 280 Hektoliter fließt das Wiesnbier durch gekühlte Rohre unter dem Boden des Winzerer Fähndls in die Schänken. Rund 250 Meter legt jeder Liter zurück, ehe er in die Maßkrüge fließt.
Der Wiesn-Aufbau ist für Münchner die schönste Baustelle der Welt. Laut ist es hier und zu Hochzeiten arbeiten rund 800 Handwerker gleichzeitig: Balken für Balken, Fenster für Fenster – manchmal auch nur Toilette für Toilette. „Wo soll das Häusl hin?“ brüllt ein Arbeiter auf der Wirtsbudenstraße. Die anderen zucken die Schultern, er lädt das Dixie-Klo erstmal mitten vor dem Zelt ab. Genau wie Container, die derzeit die Eingänge blockieren.
„Löwe Turm“ steht auf einem. Davor thront der Drahtkopf des Löwenbräu-Löwen mit Schnurrhaaren so dick wie ein Lampenkabel, die Zunge aus Schaumstoff ist vom Regen aufgeschwemmt. Sein Körper liegt ein paar Meter weiter auf dem Asphalt. An der Bavaria werden die ersten Container bereits abgeholt: In exakt 92 Stück lagerte die Wiesn Schänke von Michael Käfer. „Das sind locker 50000 Einzelteile, Schrauben und all dieses Kleinzeug nicht eingerechnet“, meint Karl Rauffer. Für ihn ist der Aufbau ein Wettlauf gegen die Zeit. „Irgendwie ist es immer knapp. Zwar läuft alles wie nach Plan, aber wir werden nie einen Tag zu früh fertig.“
Sein Handwerkerbetrieb baut in der dritten Generation Wirtsbudenzelte auf. Der Platz um die Bavaria ist sein Lebensmittelpunkt. „Der Aufbau dauert nur den Sommer über, aber das ganze Jahr suche ich alte Holzbalken, die im Käfer verbaut werden“, erklärt der Schreiner. Aus Schlössern, Scheunen und Stallungen bricht er die nahezu unbehandelten Balken – einer wird heute den morschen an Position 2c/2.Stock ersetzen. „Jedes Jahr werden 30 Prozent renoviert. Dazu wird die Lüftlmalerei neu aufgetragen.“
Am Malern sind auch die Handwerker von Sepp Krätz. Vor seinem Hippodrom stehen die Pferde schon längst auf den Hinterhufen. Im Innenraum wackeln die Balken unter den Schritten des Wirts: Notdürftig überbrücken sie die Pfütze im Hippodrom, ziemlich genau dort, wo in sechs Wochen die erste Reihe Bänke von Wiesngängern belagert wird. „Wir liegen genau im Plan“, sagt Krätz, während er auf die Empore kraxelt. Er hat sich bereits in die historische Rekommandeur-Klamotte geschmissen, kommt gerade vom Fotografen – schließlich braucht es zum 200-jährigen Jubiläum was Besonders. „Das ist zur Erheiterung der Gäste, wenn ich Lust drauf habe.“ Sein Zelt dagegen ist noch nackt. Geländer, Wände, gar Deko gibt es nicht, dafür klafft ein Loch über den Bäumen am Bavaria-ring. Krätz’ Raucherbalkon wird hier herausragen. „Das gibt auch eine Entspannung im Zelt“, meint der Wirt.
Hofbräu-Wirt Günter Steinberg dagegen wartet auf sein Original. In dieser Woche soll die Aloisius-Figur angeliefert werden. „Wenn der da ist, dann ist’s ein bissl mehr Hofbräu“, sagt Steinberg, der gerade die HB-Krone in zwölf Metern Höhe betrachtet. Eine Stunde, zehn Schrauben – dann saß das Stück, von dem man einen Blick über die Theresienwiese hat. 30 Arbeiter schrauben, malern und wuchten derzeit. Oder anders: 3000 Meter Rohr und 10000 Meter Kabel wollen verlegt sein, 1200 Hopfenreben müssen zum Wiesnauftakt hängen. Für Wirt Steinberg beginnt dann die heiße Phase. „Zwei Wochen vor dem ersten Wiesntag ziehen wir mit dem kompletten Büro hier raus. Und jedes Mal, wenn’s ohne Probleme klappt, bin ich erleichtert“, sagt er. Geklappt hat es in den vergangenen Wiesnjahren zwar immer – „aber die Aufregung gehört dazu“.
Ohne Pause hämmern auch die Zimmerer am Schottenhamel. Zwei Mann, fünf Schläge und der Kran rückt weiter – die Giebel hängen im Minutentakt. Die Fischer Vroni dagegen ist ein Balkenkabinett. Wie Rippen staken die Holzstützen gen Himmel, zwischen vieren liegt der Bug des Schiffes. Das Wiesn-Gefühl vermittelt dagegen schon das Hacker-Zelt von Toni Roiderer. Auch wenn die Außenverkleidung noch fehlt und der Boden aus Schotter besteht – der Himmel der Bayern, er hängt bereits. An den letzten Wolken basteln die Handwerker über Hebebühnen.
Auch an der Bräurosl will Josef Meitinger keine Zeit verlieren. „Die Biertanks werden heute über das Dach in ihr Stahlgerüst gesetzt“, erklärt der Zimmerer. „Ist das Zelt erst zu, geht nix mehr.“ Auch deshalb bleibt der Großteil der Zelte bis zur letzten Woche an den Seiten offen. „Da muss immer was rein- und rausfahren“, sagt Meitinger. Fässer, Lampen, Deko und natürlich Bänke und Tische.
Riesige Ladungen Holz karrt ein Gabelstapler gerade ins Weinzelt: Die Balustrade für den Balkon wird angeliefert. „Das wird heute alles noch verbaut“, sagt Ferenc Selmeczt. Er hat die Aufsicht über die Zimmerer, die noch auf einem Gerüst über den Balkon turnen. „Ein Wiesnzelt ist immer schwer zu errichten, man muss genau sein, weil man später oft nicht mehr an die Leitungen kommt“, sagt auch der Elektriker Markus Nickolait, der sich um die Technik kümmert. Das zweite Jahr bastelt er für die Familie Kuffler an der Beleuchtung. „Wir haben mehr Lampen als alle anderen Zelte“, sagt er sichtlich stolz, während er sich zehn Meter Kabel über die Schulter wuchtet – ein Bruchteil, im gesamten Zelt werden über zehn Kilometer Kabel unsichtbar verlegt. Viel Arbeit, aber tauschen möchte Nickolait nicht. „Das hier ist was Besonderes. Es ist die Wiesn.“
Anne Kathrin Koophamel