Backstage München: Konzerte ohne Kommerz

Das Backstage feiert ein Vierteljahrhundert – aber sein Besitzer Hans-Georg Stocker weiß immer noch nicht, wie es weitergeht. Er erinnert sich an 25 Jahre Konzerte, Kultur und mehr.
von  Lisa Marie Albrecht
Er ist der „Papa“ des Backstage und von Anfang an dabei: Besitzer Hans-Georg Stocker vor dem Plakat zum 25-jährigen Jubiläum.
Er ist der „Papa“ des Backstage und von Anfang an dabei: Besitzer Hans-Georg Stocker vor dem Plakat zum 25-jährigen Jubiläum. © Lisa Marie Albrecht

München - Ein bisschen anders hätte er sich den 25. Geburtstag seines Herzensprojekts schon vorgestellt, gibt Hans-Georg Stocker zu. Der 48-jährige Betreiber des Backstage, das am 11. Januar 1991 eröffnete, war sich nach dem 20. Geburtstag eigentlich sicher, dass es spätestens zum 25. ein endgültiges Backstage geben würde. „Davon sind wir total weg“, sagt er heute. Zwar hat er die Hälfte des Grundstücks an der Friedenheimer Brücke gekauft, auf dem das Backstage seit 2007 betrieben wird, doch der Mietvertrag läuft nur bis Ende dieses Jahres. „Gesichert ist das also der letzte Geburtstag, den wir hier feiern“, so Stocker.

Doch er steht bereits in Verhandlung mit der Stadt – und zeigt sich optimistisch: „Alle Pateien bei der Stadt sagen: ,Wir wollen ein Backstage’“. Die Reitknechtstraße 6 am Hirschgarten ist schon die fünfte Station des Kulturzentrums, in dem Konzerte von Hip-Hop über Reggae bis Punk und Partys, das jährliche „Free & Easy Festival“, aber auch Public-Viewing, Diskussionsveranstaltungen und Märkte stattfinden.

Angefangen hat das Indie-Zentrum in einer Sporthalle des TSV Forstenried in der Graubündener Straße. Damals veranstalteten Hans-Georg Stocker und ein paar Studenten hauptsächlich Punk- und ein paar Metalkonzerte. Danach musste immer aufgeräumt werden: „Damals durfte man ja auch noch rauchen, alles lag voller Scherben und Kippen. Ich weiß gar nicht, wie das dieser Turnhallenboden überhaupt ausgehalten hat.“

Das Konzept lautet von Anfang an: Kultur für jedermann, so unkommerziell wie möglich. Hier sollten Bands spielen, die es schon „geschafft“ haben, aber auch Newcomer, die für 30 Leute auftreten. Viele Künstler, die heute vor Tausenden spielen, haben im Backstage angefangen.

Stocker erinnert sich, wie ihm einen Monat vor dem siebten Geburtstag des Backstage – damals in der Helmholtzstraße 18 – die Hauptband absagte. Ihm wird eine Schülerband aus Germering empfohlen und weil auf die Schnelle niemand anders zu kriegen ist, sagt er zu. „Stiller“ nennt sich die Vorstadtband, die den Laden hauptsächlich mit ihren Germeringer Freunden füllt. Später müssen sie sich wegen einer damals bekannteren Band gleichen Namens umbenennen: in „Sportfreunde Stiller“.

Besonders im Gedächtnis geblieben ist Stocker auch ein umstrittenes Konzert Anfang der 90er Jahre: „Ich habe nachts um drei eine Jugendkultursendung gesehen, bei der eine Band auftrat, die sich ,Die Fantastischen Vier’ nannte. Ich fand die so spannend, dass ich in den Plattenladen in der Kaufingerstraße gegangen bin, auf ihrer Platte die Firma gesucht habe und sie für ein Konzert buchte.“ Zu dieser Zeit hat der deutschprachige Hip-Hop noch keine Szene, für viele ist ein Hip-Hop-Konzert in einem Laden, der für Rock und Metal steht, unvorstellbar.

Umso überraschter ist der Backstage-Besitzer, als die selbstgebastelten Karten, jeweils 50 pro Vorverkaufsstelle, ausverkauft sind. „Sie haben zweieinhalb Stunden gespielt und mit den Münchner Hip-Hoppern gerappt. Eine Wahnsinns-Stimmung!“ Und einer von vielen Momenten, in denen das Backstage ungewollt am Entstehen eines neuen Trends beteiligt ist.

Immer wieder neue Brüche zu haben, ist dem Besitzer wichtig, auch wenn er dafür manchmal in die Kritik gerät, etwa wegen homophober Reggae-Bands oder vermeintlicher „Nazibands“. Er lässt sich nicht vorschreiben, welche Konzerte er veranstaltet. Da hilft es ihm dann sogar, dass das Backstage seit der ersten Stunde ohne Subventionen auskommt. Die traditionelle Geburtstagsparty findet dieses Jahr erst am Donnerstag, 14. Januar, statt – weil Montag kein schöner Tag zum Feiern ist. Dafür gibt es bis einschließlich Samstag Programm in Halle, Club und Werk.

Für die Zukunft wünscht sich Hans-Georg Stocker ganz konkret, dass die aus einer Lagerhalle entstandene Backstage-Arena so bald wie möglich eröffnet wird. Und langfristig natürlich, dass das Backstage dort bleiben darf, wo es jetzt ist – und er sich nicht mehr ständig damit auseinandersetzen muss, wie es weitergeht. „Früher hatte ich nur ein Kind, das hieß Backstage. Mein Ziel ist es natürlich, dass dieses Kind irgendwann einmal erwachsen wird.“

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