AZ-Überblick: Pragmatisch oder luxuriös? Die Radl-Trends 2020

2020 werden E-Bike und Co. teuer, aber auch praktisch. Was kommendes Jahr auf dem Radlmarkt angesagt ist: Die AZ zeigt die neuesten Trends.
von  Thilo Schröder
Fast schon ein Auto auf zwei Rädern: Ein Luxus-E-Bike mit automatischer Schaltung.
Fast schon ein Auto auf zwei Rädern: Ein Luxus-E-Bike mit automatischer Schaltung. © Phil Pham

München - Fahrräder, elektromotorisiert oder nicht, werden das Auto über kurz oder lang ablösen, zumindest den Zweitwagen. So jedenfalls der Tenor bei Gunnar Fehlau und Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad, einem Zusammenschluss von über 50 Vereinen.

Am Montag hat das Team im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München die Fahrradtrends für 2020 vorgestellt. Und bei Modellen wie dem Luxus-S-Pedelec, das zwar wie ein Fahrrad aussieht, aber von der Ausstattung her eher einem Kleinwagen gleicht, wird deutlich, was sie meinen.

Manche der Neuheiten, wie zum Beispiel das Stadtradl "Swing 3 Vario Urban" oder das erwähnte Luxus-Pedelec "Superdelite GT Rohloff HS", sind bereits ab diesem Herbst lieferbar, andere Modelle erst im Frühjahr.

Aber schon jetzt wirft der Pressedienst einen Blick auf die Neuheiten und ordnet sie für die Öffentlichkeit ein. Die ausgewählten Modelle stünden "exemplarisch für Trends", betont Fehlau. Neuheiten seien oft "unangenehm teuer", sagt er gleich zu Beginn, aber: Der Preis gehe auch schnell runter – aber nicht allzu weit.

Die Preise der vorgestellten Räder schwanken zwischen knapp 1.000 Euro und rund 9.000 Euro. Manche der vorgestellten Modelle stünden jenen, die bei Wettkämpfen wie der Tour de France zum Einsatz kommen, in kaum etwas nach, sagt Fehlau.

Neben neuen Rädern gibt es auch innovatives Zubehör. Von per App übertragenem Reifenluftdruck bis hydraulisch verstellbarem Sattel. Die Prototypen kommen zum Teil per Luftfracht aus dem Ausland. Vier der Exponate seien im Zoll hängen geblieben, sagt Fehlau.

Luxus-S-Pedelec als "Zweitwagenersatz"

Das "Superdelite GT Rohloff HS mit GX-Option" kann als Tesla unter den Fahrrädern gelten. Hochinnovativ ausgestattet, mit Doppelakku, eine Mischung aus Moped und E-Auto, bis zu 45 Kilometer pro Stunde schnell. Und für den Preis eines Kleinwagens (8.698 Euro) zu kaufen.

Fast schon ein Auto auf zwei Rädern: Ein Luxus-E-Bike mit automatischer Schaltung.
Fast schon ein Auto auf zwei Rädern: Ein Luxus-E-Bike mit automatischer Schaltung. © Phil Pham

Gunnar Fehlau drückt es so aus: "Das S-Pedelec löst innerstädtisch, was der SUV verspricht: Mich kann niemand aufhalten." Die Reichweite betrage bei Idealbedingungen ohne große Steigungen oder schweres Gepäck um die 100 Kilometer, sagt sein Kollege Thomas Geisler. 40 Kilometer weit zur Arbeit zu pendeln, den Akku während der Arbeitszeit aufzuladen und abends heimzufahren sei durchaus im Rahmen des Möglichen.

Die breiten Reifen machen das Bike alltags- und geländetauglich, die 140-Millimeter-Federgabel und 14 Gänge sorgen für angenehmes Fahren, ohne dabei durchgeschüttelt zu werden. Neben Brems- und Fernlicht und dem ebenfalls gefederten Gepäckträger gibt es optional ein Anti-Blockier-System.

Der Übergang zum Auto ist fließend. Statt der klassischen Kette treibt der Motor einen Riemen an. Die Elektroschaltung "schaltet an der Ampel automatisch runter und beim Anfahren wieder hoch", erklärt Geisler. Der Sattel ist hydraulisch über einen Schalter am Lenker verstellbar.

S-Pedelecs sind Kleinkrafträder, wie Mopeds. Wer sie fahren will, müsse darum ein - beleuchtetes - Kennzeichen beantragen, brauche einen Führerschein und müsse einen Helm tragen, so Geisler, theoretisch nach derzeitigem Recht einen Motorradhelm – wobei eine eigene Pedelec-Helm-Norm in Arbeit sei. "Für den Preis kaufen sich manche ein Auto, für viele ist das ein Zweitwagenersatz." Ein Ersatz, aber ohne Frage ein Luxusfahrzeug.

Stadt-E-Bike: "Wolf im Schafspelz"

Auf den ersten Blick wirkt das "Swing 3 Vario Urban" nicht wie ein E-Bike, eher wie ein klassisches Stadtrad. Pastellfarbener Rahmen, hellbraune Reifen im 60er-Jahre-Stil. Eine Antwort auf die gesteckten Klimaziele auf der Kurzstrecke. Das Radl ist praktisch ausgestattet und schaut gut aus. So lässt es sich gut durch die Großstadt fahren.

Ein Stadt-E-Bike.
Ein Stadt-E-Bike. © Michael Müller

Allzu sportlich sieht das Rad hingegen erstmal nicht aus, eher wie ein Einkaufsrad. Tatsächlich haben Riese & Müller einen Akku am Gepäckträger verbaut, das E-Bike ist als solches nicht sofort erkennbar; außerdem ist so mehr Platz für den Fuß beim Durchstieg. Das alles hat jedoch seinen Preis: 3.699 Euro kostet das Modell. "Ein Wolf im Schafspelz", sagt Fehlau, "wie ein leicht scharf gemachter Golf, da geht schon was."

Das "Rennrad für schlechte Pisten"

Ob durch den Perlacher Forst oder an der Isar entlang: Die Schotterbereifung des Trekkingrads "Traverse" von MTB Cycletech ist für beides geeignet. Mit 3.349 Euro gehört es zu den teureren Fahrrädern Geboten werden dafür ein Carbonrahmen, Anbaupunkte für bis zu drei Flaschenhalter und Schutzbleche; Reifenfreiheit bis 54 Millimeter, ein 27,5-Zoll-Rahmen.

Kein Mountainbike, kein Rennrad, sondern beides.
Kein Mountainbike, kein Rennrad, sondern beides. © Phil Pham

Der Schweizer Prototyp ist ein "Breitreifenrad, ein Rennrad für schlechte Pisten", sagt Gunnar Fehlau, um damit sportlich durchs Grüne zu fahren. Man könne damit aber genauso "zur Arbeit pendeln, wenn es weiter weg ist", sagt Geisler. Viele kauften sich erst ein Mountainbike, später ein Rennrad, das Trekkingrad "Traverse" vereint beides in einem.

Nichts für klamme Studenten, sondern eher für im Arbeitsleben angekommene, Menschen "ab Mitte 30, Mitte 40", mutmaßt Thomas Geisler. Ein "Allwegerenner" für alle, die pendeln zwischen Fahrbahn und Feldweg.

"Umzugsunternehmen" Liegerad

Das Liegerad vom Spezialisten HP Velotechnik selbst ist im Grunde nicht neu, wohl aber dessen Ausrüstung. Über den Griffen können nun ein Handy oder Navigationsgerät mittels "Universal Mount" befestigt werden (34,90 Euro), seitlich vom Sitz lassen sich weitere Gepäcktaschen mit dem "Side Bag Mount" anbringen (119 Euro), so muss der vorausschauend Packende nicht mehr aufstehen, um den Proviant aus der Tasche hervorzukramen.

Noch mehr Komfort auf dem Liegerad.
Noch mehr Komfort auf dem Liegerad. © Phil Pham

Über den hinter dem Sitz befestigten Taschen kann ein Gepäckträger, der "Top Load", installiert werden (109 Euro). Eine Coffee-To-Go-Halterung erhöht den Genusskomfort weiter. Viel Stauraum und Spielereien also, welche die Unabhängigkeit von anderen, größeren Verkehrsmitteln in den Mittelpunkt rücken.

Oder wie Gunnar Fehlau mit einem Augenzwinkern sagt: "Da bin ich mein eigenes Umzugsunternehmen." Kartons dürften die zusätzlichen Taschen zwar vermutlich nicht ersetzen, selbst bei der Größe so mancher Münchner Mietwohnung, und mehr Gewicht bedeutet natürlich auch: mehr Kraftaufwand beim Fahren. Das Auto-Feeling auf dem Liegerad dürfte dafür aber noch mal verstärkt werden.

Das "München-Radl"

Auf dem Heimweg mit dem Radl noch schnell spontan ein paar Einkäufe erledigen: Mit dem "Treadwell" von Cannondale, einem klassischen "München-Radl", wie Thomas Geisler es nennt, ist das kein Problem. Am Lenker baumelnde Tragetaschen, die Gefahr laufen, sich in den Speichen zu verheddern, sind Geschichte.

Mit Platz fürs Tragerl!
Mit Platz fürs Tragerl! © Phil Pham

Der fest montierte Korb vor dem Lenker, der an ein BMX erinnert, fasst "Kleinigkeiten für den Isartrip" genauso wie eine kleine Getränkekiste. Mit 899 Euro ist das Bike für den Normalverdiener noch halbwegs erschwinglich. Für den großen Bierkasten kann ein Anhänger für 399 Euro dazu gekauft werden. Die breiten Reifen sind von Cruiser-Rädern abgeschaut. Oben drauf sind ein Smartphone-Halter und ein Sensor für eine eigene App inklusive.

Der Roller für Große

Der Hype um E-Scooter werde irgendwann wieder abflachen, prognostiziert Gunnar Fehlau. Dann schlage die Stunde des "Jokers". Mit dem Modell habe der Kinderradspezialist Puky sein "erstes Erwachsenenprodukt" zum Preis von 229,99 Euro vom Stapel gelassen. Der lasse sich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren.

Ein Eltern-Roller.
Ein Eltern-Roller. © Phil Pham

Wenn Gehwege für die E-Scooter ausgebaut würden, dann stehe auch den Rollern mehr Platz zur Verfügung. Einzige Auflage des wenigen Flitzers: Das Körpergewicht des Fahrers sollte 100 Kilogramm nicht überschreiten.

Rad-Zubehör: Mehr Stauraum, mehr Licht

Wer nicht gleich ein neues Radl kaufen möchte, für den bietet der Markt diverse Möglichkeiten, das alte Radl aufzupeppen. Soll's ein größerer Gepäckträger sein? Das Erweiterungsmodul "Racky Baseplate" von M-Wave (16,90 Euro) misst 40 mal 40 Zentimeter und lässt sich auf jeden Träger schrauben.

Oder ein hellerer Frontscheinwerfer? Busch & Müllers "Myc" leuchtet mit 50 Lux und ist mit 44,90 Euro relativ günstig. Leuchten, nach innen und außen, kann auch die E-Bike-Lenkertasche "E-Glow" (99 Euro); sie ist dem beleuchteten Handschuhfach im Auto nachempfunden.

Platzprobleme, ob unterwegs oder in der Lagerung, können umgangen werden. Thomas Geisler empfiehlt die "Konsum"-Einkaufstasche für 49 Euro, die seitlich am Hinterrad befestigt werden kann. Praktisch sind auch die Packtascheneinsätze "Packing Cubes" und "Commuter Insert" (je 39,99 Euro) von Ortlieb.

Laut Gunnar Fehlau ideal, um "Ordnung zu halten, mit einem Griff alles rauszuholen". Auch platzsparend: der Falthelm "Loop" (70 Euro) des spanischen Herstellers Closca. Tourenradlern rät Geisler zu einem GPS-Gerät wie dem "Super Pro GPS". Denn Handys würden im Gelände oft in ihren Haltungen ruckeln. Für Verspielte gibt es die derzeit "kleinste Klingel am Markt", die Kl18, für 11,95 Euro.

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