AZ-Ticker: Der Prozess gegen die Schläger von Solln
MÜNCHEN - Es ist der Prozess des Jahres. In München stehen ab heute jene beiden Jugendlichen vor Gericht, die am 12. September 2009 den Manager Dominik Brunner am Sollner S-Bahnhof zu Tode prügelten. Lesen Sie hier alles Wichtige vom ersten Verhandlungstag.
Vom Justizzentrum an der Nymphenburger Straße berichtet AZ-Reporter John Schneider
15.50 Uhr Sebastian L. scheint erschöpft. Richter Baier unterbricht die Verhandlung bis morgen. Dann wird die Vernehmung von Sebastian L. mit seinen persönlichen Verhältnissen fortgesetzt. Außerdem auf dem Programm: die Ermittler und einer der von Markus S. und Sebastian bedrohten Schüler.
15.29 Uhr "Ist er tot?" Das fragte Sebastian L. nach seiner Festnahme um 17.30 Uhr. Brunner starb um 18.20 Uhr im Krankenhaus. Laut Anklage wies der Körper des Opfers 22 verschiedene Verletzungen auf.
15.25 Uhr Frage von Nebenklage-Anwältin von Stetten nach dem Motiv: "War es Rache?" Für Sebastian L. antworten seine Anwälte: "Er wollte Markus zu Hilfe kommen."
14.59 Uhr Auf Nachfrage des Gerichts gibt Sebastian L. an, dass sich Brunner während des ganzen Tatgeschehens mit Tritten gewehrt habe. Warum er weggelaufen sei? "Weil es zu krass geworden ist." Wohin der letzte Tritt von Markus gegangen sei, habe er aber nicht gesehen.
14.37 Uhr Im Versteck im Gebüsch haben sich die beiden nicht mehr unterhalten. "Markus hat sich übergeben. Er hat gezittert." Er selber sei aus seiner WG angerufen worden . Er solle nicht kommen, die Polizei suche ihn. In Stadelheim sei er bedroht worden. Er werde auch nicht damit fertig, dass er einen Menschen umgebracht habe.
14.18 Uhr Sebastian L.: "Die Schlägerei war zu kurz, dass jemand eingreifen konnte." Vom anderen Bahnsteig hat einer gerufen: 'Hört's auf!'" Er selber habe fünf, sechs Mal zugeschlagen.
14.10 Uhr Einer der Schüler habe ihn von Brunner weggezogen, er habe diesen dann weggeschubst. Als er sich umdrehte, lag Brunner bereits am Boden und wehrte sich mit den Füßen. Markus habe dabei geschrieen "Motherfucker" und andere Beleidigungen. Er habe dann Markus weggezogen. "Es reicht.", habe er gesagt. "Das kam mir zu krass vor." Markus habe dann den am Boden Liegenden noch einmal getreten. Dann habe er Markus endgültig wegziehen können und sie seien über die Gleise geflüchtet.
13.53 UhrDie Verhandlung wird fortgesetzt. Sebastian L. schildert die tödliche Minute, berichtet, dass sich Brunner auf dem Sollner Bahnsteig wie ein Boxer aufgebaut habe. "'Du bist ja ganz ein harter', habe ich gesagt." Brunner habe Markus zuerst zugeschlagen. "Markus hat aus der Nase geblutet und Tränen in den Augen gehabt. Markus hat dann zurückgeschlagen. Dann habe ich auch zugeschlagen. Mit der Faust."
13.20 Uhr Annette von Stetten verliest eine Presseerklärung. Darin heißt es: "Oskar Brunner möchte am Prozess aktiv teilnehmen und beabsichtigt, dem gesamten Verfahren beizuwohnen, soweit es sein Gesundheitszustand gestattet. Er erwartet vom Prozess, dass das Geschehen um den Tod seines Sohnes in einem rechtsstaatlichen Verfahren lückenlos aufgeklärt wird. Den Eheleuten Brunner geht es psychisch und physisch seit dem Tod ihres Sohnes sehr schlecht. Frau Felicitas Brunner ist inzwischen ein Pflegefall."
12.53 UhrMittagspause. Die Verhandlung wird um 13.45 Uhr fortgesetzt.
12.45 Uhr Nebenklage-Anwältin Annette von Stetten hakt nach, ob es nicht doch eine Raubabsicht noch gegeben habe. "Oder warum wollten sie den vier Angst machen?" - "Das weiß ich nicht."
12.39 Uhr Auf Nachfrage der Staatsanwältin erinnert sich Sebastian L., dass eine Frau auf dem Bahnsteig der Donnersbergerstraße versucht habe, das Trio von seinem Vorhaben abzubringen. Ohne Erfolg, wie er sagt.
12.27 Uhr Auch am Tattag habe man noch Bier getrunken. Wieviel, weiß Sebastian L. nicht mehr. Auf Nachfrage hatte er zuvor angegeben, dass er den vier Jugendlichen gedroht habe, sie "abzuziehen". Er habe den Raub aber nicht mehr beabsichtigt, sondern wollte sich das Tagesgeld in seiner betreuten Drogen-WG abholen. Die Drohung hatte Brunner ernst genommen und daraufhin die Polizei verständigt.
12.13 UhrSebastian L. berichtet auf Nachfrage von Richter Baier, dass er am Vorabend der Tat "gekifft" habe. Außerdem hätte das Trio eine Flasche Wodka gekauft und jeder mindestens vier Flaschen Bier getrunken.
11.52 Uhr Wie sein Spezl sei er in Solln mit Brunner und den Jugendlichen ausgestiegen, um nicht als Feigling dazustehen. "Sollte nicht so aussehen, dass ich den Schwanz einziehe." Er gibt zu, dass er in der S-Bahn bereits angekündigt habe, die vier Jugendlichen "abzuziehen".
11.44 Uhr Übereinstimmend mit Markus S. berichtet Sebastian L., dass die vier Jugendlichen in der S-Bahn "getuschelt" haben und er und Markus Beleidigungen äußerten. Dominik Brunner habe sich dann eingeschaltet. Er habe angekündigt, die Polizei zu rufen. Von seinem Drogen- und Alkoholkonsum an dem Tag hat Sebastian L. noch nichts berichtet. Markus S. hatte angegeben, er habe zuvor 5 halbe Flaschen Bier und eine halbe Flsache Wodka getrunken.
11.35 Uhr Auch Sebastian L. entschuldigt sich für seine Tat. Er schildert, dass er und sein bereits verurteilter Spezl Chris bei Markus S. übernachtet haben. Am Tag der Tat sei man dann auf dem Weg zu seiner WG am Bahnhof Donnersbergerbrücke den vier Jugendlichen begegnet. Spontan habe das Trio von den Jugendlichen Geld gefordert, um damit feiern zu können. Chris habe nach einem Austausch von Beleidigungen einem der Buben eien Watschn verpasst und diesen in den Rücken gestoßen. Dann sei die S-Bahn von Chris gekommen. "Haut's rein!" hat Chris gesagt. Das heißt so viel wie "Macht's gut!"
11.20 Uhr Wie sein Spezl räumt auch Sebastian L. kleinere mitangeklagte Straftaten wie den Diebstahl von Eis und das Abtreten eines Pkw-Außenspiegels voll ein. Der 18-Jährige spricht schleppend und monoton.
11.09 Uhr "Es tut mir unendlich leid. Ich weiß, dass es nicht zu entschuldigen ist und wird mich mein Leben lang verfolgen, dass der Herr Brunner gestorben ist." Dessen Tod habe er weder gewollt, noch damit gerechnet. Markus S. (19) spricht mit leiser Stimme sein Reuebekenntnis. Zuvor hat sein Anwalt eine Erklärung verlesen. "Ich habe die Kontrolle verloren und kann mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern." Erinnern kann er sich aber, dass Brunner den ersten Schlag in sein Gesicht geführt habe. Er habe große Schmerzen gehabt und sei wütend geworden.
10.40 Uhr Die Verhandlung wird fortgesetzt. Die beiden Angeklagten bestätigen dem Vorsitzenden Richter Reinhold Baier ihre Personalien mit einem knappen "Ja". Staatsanwältin Verena Käbisch beginnt mit der Verlesung der Anklage.
9.41 Uhr Die Kammer betritt den Saal. Die Fotografen haben die Möglichkeit, eine Minute ihre Bilder zu machen, dann werden sie hinausgeschickt. Die Anwesenheit der Anwälte und Beteiligten wird festgestellt, die Kammer stellt sich vor. Roland Autenrieth, Anwalt des Angeklagten Sebastian L., will die Besetzung der Kammer überprüfen lassen. Die Verhandlung wird deshalb unterbrochen und erst um 10.30 Uhr wieder fortgesetzt.
9.30 Uhr Die beiden Angeklagten nehmen an den entgegengesetzten Enden der Anklagebank Platz. Sebastian L. mit weißem Hemd und Jeans lässt den Kopf hängen, wirkt etwas mitgenommener als sein mit einem dunkelblauen Hemd gekleideter Spezl Markus S., der sich kurz mit seinem Anwalt Maximilian Pauls bespricht.
9.25 Uhr Sebastian L.und Markus S. betreten den Gerichtssaal. Sofort setzt ein Blitzlichtgewitter ein. Ihre Mienen bleiben völlig unbewegt. Zwei Minuten nach den Angeklagten kommt auch Oskar Brunner, der Vater des Opfers in Begleitung seiner Anwältin in den Saal 101.
9.15 Uhr Die Anwälte kommen in den Gerichtssaal. Die Fotografen drängen zur Anklagebank. Auf den Zuhörerbänken ist noch überraschend viel Platz. Sara (26) fordert, dass ein Exempel statuiert wird. "Es kommt inzwischen zu häufig vor, dass Jugendliche zuschlagen." Zustimmung bei ihrem Nachbarn. Der 69-jährige Rentner hofft auf eine "harte Strafe".
8.35 Uhr Die Pforten des Justizzentrums an der Nymphenburger Straße öffneten sich um 7.15 Uhr. Da hatte der erste Fotograf schon über eine Stunde Wartezeit hinter sich. Unter den Zuschauern und Journalisten, die die Kontrollen passieren, ist ein möglicher Ausschluss der Öffentlichkeit das beherrschende Thema. Im Saal ist die Atmosphäre eine Stunde vor Verhandlungsbeginn noch entspannt. Die Anklagebank ist mit rot-weißem Band abgesperrt. Hier sollen Markus S. und Sebastian L. Platz nehmen. Dahinter ihre Anwälte.
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