AZ testet: Hakenkreuz-Tattoo? "Macht 100 Euro"
MÜNCHEN - Die junge Frau hat Fragen. Ob ich schon mal im Studio war. Und ob ich schon tätowiert sei. „Nein? Komm doch mal vorbei. Dann kannst du uns sagen, was du gerne hättest. Schon eine Idee?“
„Ja. Ein Hakenkreuz.“
Sie holt kurz Luft. „Willst du mich verarschen? Willst du uns in den Knast bringen? Das ist verboten! Das machen wir nicht!“
„Ok, ’tschuldigung, wollte nur fragen. Servus.“ Autsch.
Sie klang wirklich geschockt. Der Wunsch nach verfassungsfeindlichen Zeichen ist in ihrem Studio offensichtlich nicht verbreitet – zum Glück. Nach dem Skandal um den Opernsänger Evgeny Nikitin ist die Frage dennoch ziemlich aktuell. Der Russe tritt nicht bei den Wagner-Festspielen auf, weil er sich ein großes Hakenkreuz auf die rechte Brust stechen ließ (AZ berichtete).
Wenn ein gefeierter Opernsänger solche Symbole trägt, tun das nicht auch viele andere? Und: Wer hat es ihnen auf die Haut gestochen?
In dem Sendlinger Studio machen sie so etwas nicht. Es ist der zweite Anruf, und auch dieses Gespräch dauert nicht lange.
„Ja, Grüß Gott, ich wollte mich tätowieren lassen. Machen Sie auch Hakenkreuze?“
„Oh. Äh, sorry, da muss ich mal nachfragen.“
Er legt den Hörer auf, gedämpft höre ich: „Boah! Leute, wisst Ihr, was der mich grad gefragt hat?“ Dann Gemurmel. Und am Schluss: „Nee, tut mir leid, aber wir machen keine politischen oder radikalen Sachen.“ Auch Runen seien nicht drin – und keine 88 (Anm.: Code für den achten Buchstaben des Alphabets, HH, also „Heil Hitler“).
Eine erste Spur bringt der nächste Anruf. Der Tätowierer aus dem Münchner Westen lacht erst mal bei meiner Frage, wird aber schnell ernst: „Keine verbotenen Symbole. Das kannst du knicken.“
„Und was ist mit Runen?“
„Verboten ist verboten.“
Eine 88? „Hmm – ungern.“ Er denkt nach.
„Also?“
„Nee. Vergiss es.“
Im „Tempel“ hört man solche Fragen fast nie: „Ein Hakenkreuz wollte in den letzten fünf Jahren nur einer, und der war aus dem Ausland“, sagt Inhaber Stephan Rieger. Fragen nach Kelten-Kreuzen, Runen oder 88-Tattoos gäbe es allerdings „zwei- bis dreimal im Jahr“. Studios, die so etwas stechen, „wüsste ich keine in München“. Die meisten Hakenkreuze entstünden „im Ostblock oder in den USA“, sagt Rieger. „Oder in Heimarbeit.“
Oder im Nordwesten der Stadt. Es ist erst der fünfte Anruf. Und diesmal klappt’s.
„Ja, hallo. Ich würde gerne ein verstecktes Tattoo haben. Ein Hakenkreuz.“
„Kommt drauf an, was du damit verbindest“, sagt der Mann. Er klingt vorsichtig.
„Na ja, ich finde das Zeichen schön. Ich bin kein Rechter.“
„Ok.“ Er klingt entspannter. „Ich liebe Swastika! (Anm.:Hakenkreuzartige Symbole.) Ich habe selber zwei große auftätowiert. Hab’ auch noch nie negative Bemerkungen deswegen bekommen.“ Sie seien nämlich verziert, sagt er. „Das würde ich dir auch raten, damit sie nicht rechtsradikal aussehen. Eher spitz. Oder gebogen. Da gibt es viele schöne Designs.“
Der Gesprächston ist ganz locker. Der Tätowierer spricht von indischen Verzierungen. Wir könnten auch über einen Teppich reden.
„Ok“, sage ich. „Aber ich mag vor allem das Zeichen. Wenn ich nur das Hakenkreuz will – machst du das auch?“
„Ja natürlich. Wenn man das ohne die NS-Farben macht, also kein Schwarz-Weiß-Rot, dann passt das schon. Komm einfach vorbei.“
„Und was kostet es?“
„Ab 100 Euro.“
Ginge ich auf dieses Angebot ein, würde er sich strafbar machen. Laut Paragraph 86 des Strafgesetzbuchs ist das „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ verboten. Dazu zählen unter anderem: Hakenkreuze, SS-Zeichen sowie Siegrunen. „Wer so etwas sticht, stellt Propagandamittel her“, sagt Polizeisprecher Wolfgang Behr. Wer verbotene Zeichen als Tattoos trägt, bricht dagegen kein Gesetz – solange er sie nicht offen zeigt. Im Schwimmbad etwa müsste man es abdecken.
Ein Anruf noch – diesmal in einem Studio im Süden.
„Ein Hakenkreuz?“, fragt der Besitzer. „Nee, da machen wir uns strafbar.“
„Ich erzähl ja nicht rum, woher ich es habe.“
„Weißt du, wenn ich kein Geschäft hätte, dann würd’ ich ,ja’ sagen.“