AZ-Serie "Was mir wichtig ist": Bloß kein Blabla!

Wiesn-Wirt Sepp Krätz (55) handelt ja lieber, als dass er redet. Hier erzählt er aber mal ausführlich: Von einem frühen Schockerlebnis im Schlachthof, vom Glauben und seinem kleinen Sohn Arthur
Die Jubiläums-Wiesn, meine Auszeichnung als „Gastronom 2011“ – beruflich ist das Jahr ist schnell vergangen. Doch für mich privat, als Vater mit 55, fängt mein Leben jeden Tag ein bisserl mehr an. Mitzubekommen, wie unser acht Monate alter Arthur heranwächst, das ist mein großes Glück.
So wichtig mir die Gastronomie ist, über allem steht für mich die Familie. Dass es meinen Kindern, Julia und Stefanie aus erster Ehe, und unserem kleinen Bua gut geht. Dass meine Frau Tina und ich uns verstehen, miteinander über alles reden können.
***
Früher war ich mitunter zu ehrgeizig, wollte es im Betrieb immer noch besser machen, auf 110 Prozent laufen lassen. Inzwischen bin ich mit 100 Prozent zufrieden und lebe entspannter.
An mir selbst schätze ich meinen unermüdlichen Fleiß, meine Loyalität und meinen Durchhalte-Willen. Wenn ich an etwas glaube, ziehe ich es durch. Wenn aber ewig geredet wird und nix passiert – dieses Blabla kann ich nicht gebrauchen. Ich bin kein Mann der vielen Worte. Ich mach was aus – und dann muss es auch funktionieren.
Was mir auffällt, ist der Wertewandel bei den jungen Leuten. Gerade die, die eine gute Schulbildung haben und es beruflich zu etwas bringen könnten, achten oft nur darauf, wo sie am meisten verdienen. Denen geht es nicht um Ambitionen oder gar Berufung. Das finde ich schade.
***
Zur Mittleren Reife hat es bei mir nicht gereicht, da es in unserem 100-Seelen-Dorf bei Augsburg nur eine Volksschule gab und ich nach dem Unterricht auf dem Hof meiner Eltern mitanpacken musste. Im Sommer 1968, drei Monate vor meinem 14. Geburtstag, habe ich eine Metzger-Lehre in Fürstenfeldbruck begonnen. Ich musste morgens um halb vier Uhr raus und am ersten Tag gleich mit in den Schlachthof. Da sind dann ausgerechnet zwei Kühe von uns geschlachtet worden, die ich namentlich gekannt habe. Das war grausam. Ich war ja noch ein schmächtiger Bub, der gern Fußball spielte.
***
Meine Lehrjahre haben mich, so gern ich später Metzgermeister war, härter gemacht. Wenn mir abends im Bett zum Heulen war, habe ich den Rosenkranz genommen und fest in der Hand gehalten. So konnte ich besser einschlafen. Das Religiöse habe ich von daheim. Viele Jahre lang gab es keinen Sonntag, wo wir nicht morgens um acht in der Kirche waren. Egal, wie spät ich in der Nacht davor vom Tanzen gekommen bin. Das hat mich oft genervt. Heute zehre ich davon. Für mich ist das mehr als Glauben und Religion, das ist Familientradition. Und die wird mir von Jahr zu Jahr wichtiger.
Einmal im Monat möchte ich, dass wir uns alle zum Kirchgang treffen und uns hinterher Zeit füreinander nehmen. Gelebte Rituale schweißen eine Familie zusammen. Wenn meine Frau und ich mit Arthur im Kinderwagen zu unserem „Andechser" unterwegs sind, halten wir oft noch im Dom inne. Das gibt Kraft.
Am Jahrestag des „Andechsers", den ich 1994 übernommen habe, laden wir unsere Stammgäste zu einem Gottesdienst nach St. Bonifaz ein. Zum Dankeschön sagen. Für Arthur kann ich gar nicht genug danken. Dass es ihn gibt und seine Halbschwestern ihn total in ihre Herzen geschlossen haben, macht mich unendlich froh. Den Herrgott um etwas bitten, das tue ich in meinen Gebeten niemals. Ich denke, er kennt meine Wünsche und kümmert sich von allein darum, wenn er es für richtig hält.
***
Mein größter Wunsch ist es, gesund zu bleiben. Damit meinem Sohn nicht zu früh der Papa fehlt. Andererseits hat er was davon, dass ich schon älter bin.
Früher ging bei mir der Beruf vor. Da wäre es mir nie in den Sinn gekommen, nachts für meine Töchter aufzustehen. Heute mache ich das gern, wickle und füttere Arthur - er heißt nach meinem Schwiegervater und mit seinem zweiten Vornamen Josef nach meinem verstorbenen Vater und mir. Im Sommer bin ich mit ihm im Hofgarten spazieren gegangen. Er hat dann in seinem Wagerl geschlafen und ich auf der Parkbank. Bestimmt wird er mal ein ausgeschlafener und guter Wirt. Aufgezeichnet von
Renate Schramm