AZ-Serie: „Ich wusste früh, dass ich Chefin werden will“

Marion Kiechle ist seit zehn Jahren Chefin der Frauenklinik rechts der Isar. Hier erklärt sie, wie Patientinnen ihre Krankheit als Chance begreifen. Und warum Augenhöhe unter Partnern wichtig ist.
von  Abendzeitung
Eine Frau, die helfen will: Marion Kiechle
Eine Frau, die helfen will: Marion Kiechle © AZ

Marion Kiechle ist seit zehn Jahren Chefin der Frauenklinik rechts der Isar. Hier erklärt sie, wie Patientinnen ihre Krankheit als Chance begreifen. Und warum Augenhöhe unter Partnern wichtig ist.

Von Marion Kiechle

Dass ich liebe und geliebt werde, meine Arbeit gut mache und dafür gelobt werde – und meinen Patientinnen helfen kann: Das alles ist wichtig für mich. Darüber aber steht die Gesundheit. Wenn es mir gut geht, kann ich erfüllen, was mir am Herzen liegt.

Ich bin seit zehn Jahren Direktorin der Frauenklinik rechts der Isar und erlebe täglich, wie Patientinnen ihre Krankheit als Chance nutzen. Wie sie selbstkritisch und demütig hinschauen, was bei ihnen richtig oder falsch gelaufen ist. „Jetzt weiß ich’s, Geld macht nicht glücklich“, sagte mir kürzlich eine Frau.

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Bei ihr und all meinen Patientinnen erlebe ich, wie eine Diagnose schlagartig das Leben ändern kann. Deshalb versuche ich schon jetzt Dinge, bei denen es bei mir hakt, auszutauschen.

Die Schicksale meiner Patientinnen berühren mich. Besonders, wenn sie niemanden haben, der für sie da ist. Zum Glück gibt es Hospize und ehrenamtlich tätige Menschen, die sich um Sterbende kümmern. Das zu vermitteln, gehört zu meinen Aufgaben.

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Dass Schwerkranke am Wert des Lebens verzweifeln, sich selbst wertlos fühlen, kann ich und wohl jeder nachempfinden. Ich achte meine Patientinnen und versuche, ihnen Mut zu machen, indem ich ehrlich bin. Früher wurden Todkranke angelogen. Angeblich, um ihnen nicht ihre „letzte Lebensqualität“ zu nehmen.

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Wenn ich heute gefragt werde: „Welche Chancen habe ich?“, sage ich die Wahrheit. Ich kann keine Religion oder Philosophie bieten, wie man seinen Lebensfrieden findet. Aber ich kann sagen: „Auch, wenn Sie nicht geheilt werden können, ich bin für Sie da, ich helfe Ihnen, und verspreche Ihnen, Sie werden keine Schmerzen haben.“ Vor den Schmerzen haben viele die größte Angst. Die können wir ihnen nehmen.

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Menschen zu achten, das habe ich daheim in Offenburg von meinen Eltern gelernt. Da habe ich auch meine Bodenständigkeit her. „Mädle un ihr Büble, bleibt auf dem Teppich“, hat mein Vater mir und meinen beiden jüngeren Brüdern immer wieder gesagt. Und: „Es ist wichtig, dass ihr beruflich das macht, was euch Freude macht. Nicht, wie viel ihr verdient.“ Auch das Einordnen in ein Team habe ich von zu Hause. Bei uns wohnten neben den Großeltern auch die Uroma, da ging's nicht ohne Rücksicht. Werte, die ich jungen Mitarbeitern vermitteln möchte. Viele wollen einfach nur eine Stelle. Besser ist’s, sie haben Ziele und den Mut, ihre Wünsche zu formulieren und zu leben. Sonst plätschert das Leben an ihnen vorbei. Ich wusste schon sehr früh, dass ich Chefin werden will.

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Die Herausforderung, sich ein Ziel zu stecken und anzukommen, genieße ich auch in den Bergen, in der Natur. Unter der Woche jogge ich in der Stadt, mit Musik von Michael Bublé über Mozart bis Led Zeppelin im Ohr. An freien Tagen sind wir in unserer Hütte in den Bergen, da entstresse ich mich, tanke Kraft. Mein Mann Marcel Reif ist für mich – nach drei Ehen davor – der erste richtig emanzipierte Mann in meinem Leben.

Er ist stolz auf das, was ich mache, neidet mir den Erfolg nicht. Augenhöhe und Respekt, das ist uns wichtig. Wir finden uns beide erotisch und anziehend, lachen viel zusammen und kleben aneinander, wenn wir zusammen sind.

Weihnachten haben wir dieses Jahr erst so richtig am 25. Dezember gefeiert. Da kamen die kleinen Söhne meines Mannes, sie sind acht und zehn. Zweit-Mami oder Beutemama, wie ich es nenne, zu sein, ist eine wunderbare Bereicherung für mich. Ich Freude mich jedes Mal wieder auf unser Familienleben.

Aufgezeichnet von Renate Schramm

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