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AZ Rückblick: 1981 - Münchner Welterfolg "Das Boot"

17. September 1981: "Das Boot" feiert Premiere im Mathäser. Die Entstehung des epochalen Films ist dramatisch.
von  Dominik Petzold
Für viele Schauspieler begann mit „Das Boot“ eine lange Karriere, darunter Jan Fedder (sitzend links), Jürgen Prochnow (5.v.l.), Uwe Ochsenknecht (6.v.l., verdeckt), Klaus Wennemann (7.v.l.) und Martin Semmelrogge (rechts). Herbert Grönemeyer (4.v.r.) konzentrierte sich danach auf die Musik.
Für viele Schauspieler begann mit „Das Boot“ eine lange Karriere, darunter Jan Fedder (sitzend links), Jürgen Prochnow (5.v.l.), Uwe Ochsenknecht (6.v.l., verdeckt), Klaus Wennemann (7.v.l.) und Martin Semmelrogge (rechts). Herbert Grönemeyer (4.v.r.) konzentrierte sich danach auf die Musik. © imago

Auf dem Gelände der Bavaria Film in Geiselgasteig entstanden viele berühmte Filme. Aber keiner hat je derartige Wellen geschlagen wie "Das Boot". "Das ist in der bundesrepublikanischen Filmgeschichte bis heute die bedeutendste Produktion", sagt Filmexperte Sven Femerling, der 2019 eine Ausstellung zur 100-jährigen Geschichte der Bavaria Film kuratierte und mit Georg Grill eine Arte-Doku über die Entstehungsgeschichte von "Das Boot" drehte. Die war lang und dramatisch.

Das U-Boot-Projekt: Millioneninvestitionen und Hollywood-Träume

Lothar-Günther Buchheim hatte mit seinem autobiografischen Roman über den U-Boot-Krieg im Atlantik 1973 einen Bestseller gelandet. Die Bavaria kauft früh die Rechte und lässt Innen- und Außenrepliken des Boots U 96 aus massivem Baustahl errichten. Das kostet Millionen – als es noch nicht mal ein Drehbuch gibt. Zunächst soll die aufwendige Produktion in Kooperation mit US-Firmen entstehen – mit Blick auf den Weltmarkt. Regie soll erst John Sturges ("Die glorreichen Sieben") führen, dann Don Siegel ("Dirty Harry"). Für die Rolle des Kommandanten sind Robert Redford und Paul Newman vorgesehen.

Aber in den Drehbüchern reichern die amerikanischen Autoren Buchheims Vorlage mit allerlei Kokolores an: mit Maschinengewehrsalven auf Schiffbrüchige, mit stereotypen Nazis an Bord, mit Handlung abseits der Schiffsröhre. Das ist mit Buchheim nicht zu machen – und er hat ein Vetorecht im Vertrag. Die Amerikaner ziehen sich zurück, die Boots-Attrappen rosten weiter in Geiselgasteig vor sich hin.

Neuer Kurs: Günther Rohrbach und die deutsche Produktion von "Das Boot"

1979 gewinnt die Bavaria als neuen Geschäftsführer Günther Rohrbach, der schon als Fernsehspiel-Chef des WDR Großes geleistet hat. Seine erste Aufgabe ist, "Das Boot" flottzukriegen, wie sich Rohrbach in der Arte-Doku erinnert. Und er entscheidet sich damals, das Projekt als deutsche Produktion zu stemmen. Neben dem Kinofilm soll eine Serie fürs Fernsehen entstehen.

Er verpflichtet Wolfgang Petersen als Regisseur und dazu lauter unbekannte deutsche Schauspieler unter dreißig – so jung wie die Männer, die im Zweiten Weltkrieg im Atlantik starben: Von den 40.000 U-Boot-Fahrern kehrten 30.000 nicht zurück. Nur Jürgen Prochnow ist zehn Jahre älter als das reale Vorbild des Kapitäns, den er spielt – aber im Krieg sahen junge Männer nun mal deutlich älter aus. Die anderen Darsteller kommen aus ganz Deutschland und sprechen in den Dialekten ihrer Heimat, der Hamburger Jan Fedder genauso wie der Mannheimer Uwe Ochsenknecht. So wirkt die Besatzung auf authentische Weise zusammengewürfelt wie in der Wirklichkeit des Krieges.

Realismus am Limit: Die physische Belastung der Darsteller 

Die 178 Drehtage verlangen den Darstellern extrem viel ab. Für die Szene, in der die Besatzung in übermenschlicher Anstrengung das vollgelaufene Boot trocken legt, wuchten die Darsteller tatsächlich volle Eimer – und stehen stundenlang in eiskaltem Wasser. Und für die Szenen, in denen Wasserbomben detonieren, werden sie heftigst umhergeschleudert: Das Innenmodell des Bootes ist in der Filmhalle auf eine riesige Wippe gespannt, die die heftigen Bewegungen des Bootes simuliert. Die Schauspieler fliegen also wirklich durchs Boot, nichts davon ist gespielt.

Regisseur Wolfgang Petersen bei Aufnahmen in La Rochelle. Hier wurde später die Schlussszene mit einem notdürftig geflickten Boot gedreht.
Regisseur Wolfgang Petersen bei Aufnahmen in La Rochelle. Hier wurde später die Schlussszene mit einem notdürftig geflickten Boot gedreht. © imago

Der Großteil des Films wird in der engen Schiffsröhre gedreht, die man noch heute auf dem Bavaria-Gelände besichtigen kann: Die Schauspieler müssen frei von Klaustrophobie sein, darauf wurden sie schon im Vorvertrag hingewiesen. Und sie müssen während der langen Dreharbeiten Sonne meiden, sodass ihre Gesichter fahl und bleich werden. Das Ergebnis all dieser Mühsal ist ein Realitätseffekt, den nur wenige Filme jemals erreichten.

Kurz vor Schluss: Probleme mit dem "Boots-Set"

Die Szenen, in denen das Boot von außen zu sehen ist, entstehen unter anderem in einem Becken auf dem Bavaria-Gelände und auf offener See.

Aber die Attrappe hat dem Meer nicht standgehalten

sagt Experte Sven Femerling

Als während eines Drehs mit Schauspielern Risse sichtbar werden, lässt Regisseur Petersen sie eilig zurück in den Hafen lotsen. Am nächsten Morgen findet man ein zerbrochenes Boot. Und die Schlussszene ist noch nicht gedreht. Über Wochen wird die Attrappe notdürftig rekonstruiert, die gestoppte Produktion verschlingt derweil große Summen.

Zum Glück sind schon spektakuläre Szenen fertig, etwa die, für die Kameramann Jost Vacano durch das ganze enge Boot gelaufen ist. Ein Filmverkäufer zeigt sie beim Filmmarkt in Cannes und internationale Firmen stecken Geld in das Projekt, die teure Finanzierung ist gesichert. "Die Amerikaner waren platt, als sie das Material gesehen haben", so Femerling.

Ein schwieriger Abschluss und eine enttäuschende Premiere

Dann dreht Petersen mit notdürftig geflicktem Boot die Schlussszene im französischen La Rochelle, in der die U 96 in die Hafenschleuse einläuft. "Die Schauspieler standen starr auf dem Boot, damit es nicht kentert", erklärt Femerling. Im Juni 1981 ist der Film endlich abgedreht, schon am 17. September feiert die zweistündige Kinofassung Premiere im Mathäser Filmpalast.

Petersen mit Ehefrau Maria Borgel-Petersen bei der Premiere.
Petersen mit Ehefrau Maria Borgel-Petersen bei der Premiere. © imago

Die Resonanz ist erstmal negativ. Lothar-Günther Buchheim tobt ohnehin, dass sein Werk verhunzt sei, aber auch Darsteller wie Martin Semmelrogge sind enttäuscht, wie er sich in der Doku erinnert. Und sein Kollege Bernd Tauber fragt sich angesichts der action-lastigen Kurzfassung: Ist das überhaupt ein Anti-Kriegsfilm?

Vom kritisierten Start zum Welterfolg: "Das Boot's" Reise im Kino

Die deutsche Presse verreißt den Film heftig. Und der Stoff bietet auch große Angriffsfläche: Schließlich leiden die Zuschauer mit den Soldaten Nazi-Deutschlands, die jeden tödlichen Abschuss feindlicher Schiffe bejubeln. Aber auch dank dieses Pressewirbels ist der Film präsent, am ersten Wochenende gehen 660.000 Zuschauer ins Kino. Ein Riesenerfolg für den jungen Verleiher Bernd Eichinger, der für die Verleihrechte mit der irre hohen Vorab-Zahlung von 1,75 Millionen Mark ins Risiko gegangen ist.

Im Ausland sind Kritiker und Publikum sofort begeistert von "Das Boot". Sie erkennen darin den schonungslosen Antikriegs-Film, den die Macher im Sinn hatten. Der Film wird zum Welterfolg und 1983 für sechs Oscars nominiert, unter anderem für Petersens Regie und Drehbuch. Der Film ebnet ihm, Jürgen Prochnow und Kameramann Jost Vacano den Weg nach Hollywood. Klaus Doldingers Musik wird legendär, und für unzählige Darsteller ist der Film der Beginn einer jahrzehntelangen Karriere.

Ein zeitloser Klassiker: Die bleibende Wirkung von "Das Boot"

1985 kommt die Langfassung als Serie ins Fernsehen, wird zum Straßenfeger und macht "Das Boot" auch hierzulande endgültig zum Riesenerfolg. Und die Serie macht das Elend der Schiffsbesatzung auch viel stärker spürbar als der Film: den wochenlangen Trübsinn auf See, die nackte Todesangst in der engen Röhre am Meeresgrund.

So eine Produktion hat es in Deutschland vorher und nachher nicht gegeben. Das war ein riesiges Wagnis: eine deutsche Produktion auf internationalem Niveau, bei der nicht klar war, ob sie überhaupt durchführbar ist. Danach wurde ein Risiko dieses Maßstabs nie wieder eingegangen.

Sven Femerling, der Filmexperte

Das Risiko zahlte sich aus: Der Film, der an der Stadtgrenze zu München entstand, ist noch heute extrem beklemmend, zieht den Zuschauer mitten rein in den Kriegshorror. Und wenn ein Film 40 Jahre so überdauert, gilt wohl, was der 2019 verstorbene Darsteller Jan Fedder in der Doku über "Das Boot" sagte: "Dieser Film ist für die Ewigkeit."


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