AZ-Kurzkritik: Tom Odell mit grandioser Show auf dem Tollwood

"Long way down" heißt das Debütalbum von Tom Odell, "way down we go" der Erfolgstitel der isländischen Senkrechtstarter von "Kaleo". Es hätte also ein thematisch (und stimmlich) wahrlich passendes Doppel-Konzert werden können am Dienstag, doch dazu kommt es nicht. Weil Sänger Jökull Júlíusson aus gesundheitlichen Gründen nicht auftreten kann, sagen Kaleo ihr Konzert auf dem Tollwood ab. Sehr schade, denn die Isländer hätten diesen Abend mit Tom Odell sicherlich noch besser gemacht.
Es ist den Tollwood-Organisatoren hoch anzurechnen, dass sie so kurzfristig mit Alice Merton einen Ersatz gefunden haben, auch wenn die britisch-deutsche Sängerin, die zwischenzeitlich auch einige Jahre in München lebte, nicht an das Niveau von Odell herankommt. Merton ist mit ihrem Song "No roots" derzeit oft im Radio zu hören - in der Musik Arena ist es dann auch dieser Titel, der am meisten für Stimmung sorgt. Dass das Publikum bei den restlichen Songs nicht wirklich mitgeht, mag daran liegen, dass es von Merton bislang nur eine EP gibt. Vielleicht aber auch daran, dass ihre Lieder alle sehr ähnlich klingen - und die Band hauptsächlich laut.
Tom Odell beflügelt das Tollwood
Wie es besser geht, zeigt dann Tom Odell. Der 26-Jährige ist nicht nur ein vorzüglicher Sänger mit einem beeindruckenden Stimmumfang, er ist vor allem auch ein ausgezeichneter Pianist. An seinem Flügel, der mittig auf der Bühne thront, lebt und lenkt er seine Musik. Umrahmt von drei ebenfalls bestens aufgelegten Bandmitgliedern. Je länger sein Auftritt dauert, desto beflügelter wird Odell. Er beweist, dass auch mit reduzierter Instrumentierung große Musik gemacht werden kann.
Zudem ist der Brite live fast besser als auf den bisher zwei veröffentlichten Alben. Egal ob Ballade ("Jealousy") oder das herrlich treibende "Here i am": Odell singt und spielt mit einer Abgeklärtheit, die erstaunlich ist. Spätestens bei "Entertainment" swingt dann eh die (leider) nicht ganz volle Musik Arena begeistert mit.
Und für "Another love", dem bisher bekanntesten Song, reichen die ersten drei angespielten Klavier-Töne, um den Kreisch-Alarm in ähnliche Höhen zu treiben wie Odells Kopfstimme. Letzterer hört man immer wieder erstaunt zu. Und auch wenn die Songs meistens von unerfüllten Sehnsüchten und unerfüllter Liebe handeln: Auf einem langen Weg nach unten befindet sich Tom Odell nicht. Nicht an diesem Abend auf Tollwood und wohl auch nicht in Zukunft.
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