AZ-Kritik zum ersten Rockavaria-Tag: Jedes Ticket zählt

Die Frage am ersten Tag des Rockavaria-Festivals im Olympiapark: Im Biergarten sitzen bleiben und sich dann an den See in die Sonne legen oder doch gleich ins Stadion zu den Konzerten?
von  Nicolas Freund
Mehr Open-Air-Kino als Festival-Feeling: Die Seebühne bei Rockavaria-Festival im Olympiapark.
Mehr Open-Air-Kino als Festival-Feeling: Die Seebühne bei Rockavaria-Festival im Olympiapark. © Nicolas Freund

München - Bei strahlendem Wetter und Bands von Nightwish bis Suicidal Tendencies waren das am Freitag beim zweiten Rockavaria die einzigen Probleme der Rock- und Metalfans. Zumindest für die, die da waren. Denn viele potentielle Besucher hatten sich schon vorher entschieden. Nämlich dafür, gar nicht erst hinzugehen.

2015 hatte das Festival Muse, Kiss und Metallica als Headliner gebucht, auf den Nebenbühnen spielten ebenfalls große Bands wie Limp Bizkit. Aber bis auf den letzten Tag, an dem Metallica auftraten, waren lange nicht alle Tickets verkauft worden. Spannend sind in diesem Jahr deshalb nicht nur die Bands, sondern auch, wie es mit dem Festival weitergehen wird. Im Gespräch mit den Pressemitarbeitern merkt man schnell, dass es hier in diesem Jahr um jedes verkaufte Ticket geht.

Die Deutsche Entertainment AG (Deag), die das Rockavaria ausrichtet, meldete für das Geschäftsjahr 2015 19 Millionen Euro Verlust. Der Musikmarkt ist hart umkämpft, denn obwohl Livekonzerte sehr beliebt sind, ist gerade der Festivalsektor nach Meinung vieler Experten übersättigt.

Olympiahalle bleibt leer - Seebühne wie ein Open-Air-Kino

Andererseits ist ein Festival eine sichere Investition, wenn man es schafft, sich als Marke wie Wacken oder Rock im Park zu etablieren. Das hat das Rockavaria noch vor sich. Der erste Tag war gut besucht, aber der Eindruck kann auch täuschen. Denn die Olympiahalle wird in diesem Jahr gar nicht bespielt und die Seebühne ist etwas größer, wirkte aber wie ein Open-Air-Kino, nicht wie ein Metalfestival.

Im Stadion stehen jetzt zwei Bühnen nebeneinander. Das hat den Vorteil, dass es keine nervigen Umbaupausen mehr gibt. Ist die Band links fertig, legt gleich auf der rechten Bühne die nächste los. Die Konstruktion, die auffällig weit vorne im Stadion steht, nimmt natürlich viel Platz ein. So wirken dann auch vielleicht 20.000 Besucher, als wäre es richtig voll.

Ob deshalb die Spaßkapelle J.B.O. als erste Band platziert wurden, um für Stimmung zu sorgen? Kann sein, aber als Festivaleröffnung sind die Klamaukbrüder eigentlich nicht wirklich geeignet. Powerwolf, die als zweite Band auftreten, wären passender gewesen. Die weiß geschminkten und mit viel Leder verkleideten Musiker spielen launigen Metal zum mitsingen und tun so, als wären sie aus Transsylvanien. Auf Dauer etwas eintönig, aber für eine Stunde in der warmen Nachmittagssonne genau richtig.

Suicidal Tendencies nach 1993 erneut in München

Das erste Highlight ist die Hardcore-Truppe Suicidal Tendencies aus Kalifornien. Ganz anderer Stil als bei Powerwolf, aber im Stadion kommen die Amerikaner auch sehr gut an und Sänger Mike Miur erinnert sich fast etwas wehmütig, dass seine Band schon 1993 in diesem Stadion gespielt hat.

Die Finnen von Apocalyptica können danach nicht so richtig mithalten. Vor 20 Jahren begannen die Musiker ihre Karriere mit Metallica-Songs, die sie auf vier Celli nachspielten. Es folgten gute Eigenkompositionen mit dem ehemaligen Schlagzeuger von Slayer bis die Band beschloss, ihre Instrumente zu verzerren und irgendwie mit einem Sänger mehr in Richtung Alternative Rock zu gehen. Bei der Musik, die Apocalyptica heute spielen, stellt sich also die Frage, warum sie überhaupt noch Celli benutzen und nicht einfach Gitarren. Selbst die alten Coverversionen von Metallica („Master of Puppets“) und Sepultura („Chaos A.D.“) kommen schwach rüber.

Rammstein angeblich als Headliner geplant, aber gesperrt

Ein ähnliches Problem haben In Extremo: Die Band wollte mal Rockmusik mit Instrumenten, Melodien und Texten aus Mittelalter und Renaissance verbinden. Inzwischen spielen sie aber austauschbaren Deutschrock mit ein paar Dudelsackeinlagen. Obwohl die Band eine große Fanbase hat, kommt im Stadion keine richtige Stimmung auf.

Gerüchteweise hätten eigentlich Rammstein am ersten Abend als Headliner auftreten sollen. Da die aber schon beim Southside-Festival spielen, sind sie für andere Festivals in Süddeutschland gesperrt. Headliner des ersten Abends sind deshalb Nightwish, die heute mit der Sängerin Floor Jansen das beste Line-Up ihrer Karriere haben. Das aktuelle Album spielten sie mit Kai Hahto ein, dem wahrscheinlich besten Drummer Finnlands. Seit dem Ausstieg der Originalsängerin Tarja Turunen konnten sie an die alten Erfolge aber nicht mehr richtig anknüpfen. Die Mischung aus Soundtrack und Metal mit einer guten Ladung Kitsch kommt trotzdem sehr gut an. Die Finnen bieten am Freitag die beste Show im Stadion, aber ein Problem bleibt trotzdem: Für den Job als Headliner neben Namen wie Iggy Pop und Iron Maiden sind sie eigentlich eine Nummer zu klein.

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