AZ-Interview: „Straftäter mit extremer Rückfallgefahr“

Beate Merk plädiert weiter für die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Die Justizministerin über Fußfesseln, ihre Kritik an der Position der Bundesjustizministerin und über nachträgliche Sicherungsverwahrung.
AZ: Wo setzt Ihre Kritik an der Position der Bundesjustizministerin an?
BEATE MERK: Ich kritisiere massiv, dass zwei wichtige Punkte in eine falsche Richtung laufen: Ich verstehe nicht, wie man auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung komplett verzichten will. Und zweitens fehlt eine Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der in bestimmten Fällen die Sicherungsverwahrung für unzulässig erklärt.
Haben Sie noch Hoffnung, sich in Berlin durchzusetzen?
Ich habe ein komplett neues System der Sicherungsverwahrung vorgeschlagen und viel Unterstützung dafür erfahren. Die Rechtspolitiker der Unionsfraktion im Bundestag teilen meine Auffassung. Von daher: Ich hoffe, dass sich auch hier Sicherheit und Qualität am Ende durchsetzen werden.
Wäre die Fußfessel-Lösung angesichts überfüllter Gefängnisse wirtschaftlicher?
Das lässt sich überhaupt nicht vergleichen. Die Fußfessel ist keine Alternative und erst recht kein Ersatz für Sicherungsverwahrung oder Strafhaft. Man sollte hier nicht die Kosten in den Mittelpunkt stellen. Wir können doch nicht hochgefährliche Serienvergewaltiger einfach wieder auf die Menschen loslassen, anstatt sie sicher einzusperren. Ich sage: Wenn es um den Schutz von unschuldigen Frauen und Kindern geht, zählen Sicherheit und Fürsorge.
Welche Erfahrungen gibt es in Bayern mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung?
Natürlich ist das kein Massenphänomen. Es geht hier um eine Handvoll unverbesserlicher und hochgefährlicher Straftäter mit extremer Rückfallgefahr, die nicht beherrschbar ist. Für diese Täter gibt es zu einer sicheren Unterbringung hinter Gittern keine Alternative. Und zwar so lange, bis sie nicht mehr gefährlich sind, notfalls auch lebenslang.
Machen Sie einen Unterschied bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung von jungen und erwachsenen Straftätern?
Einem 16-Jährigen, der sich noch in so vielen Bereichen entwickeln kann, darf ich nicht ins Urteil schreiben, dass er ein aussichtsloser Fall ist. Aber leider haben wir festgestellt: Es gibt einige wenige Verurteilte, die sich auch im Strafvollzug nicht bessern und die auch nach vollverbüßter Strafe noch hochgefährlich sind. Dann sind sie ja bereits erwachsen, und dann – das ist wichtig: am Ende der Haftzeit – sollten sie auch in die nachträgliche Sicherungsverwahrung genommen werden können.
Gibt es Beispiele von Straftätern, bei denen die Sicherungsverwahrung vom Gericht abgelehnt wurde und die dann in der Folge wieder Gewalttaten verübten?
Leider ja. Besonders bedrückend für mich war ein Fall, wo der Täter aus komplizierten juristischen Gründen freigelassen werden musste. Einige Monate später versuchte genau dieser Täter, eine 17-Jährige zu vergewaltigen und hat sie mit mehreren Messerstichen schwer verletzt. Er hat das schwer verletzte Mädchen schließlich mit Benzin übergossen, um sie zu verbrennen. Nur mit viel Glück hat die junge Frau überlebt.
Bayern ist bekannt für eine strengere Handhabung des Gesetzes. Dürfen sich die Menschen in Bayern deswegen sicherer fühlen?
Innere Sicherheit ist ein Markenzeichen Bayerns. Natürlich können sich die Menschen in Bayern sicher fühlen. Ich stehe für diese bayerische Sicherheitspolitik und werde selbstverständlich weiter dafür kämpfen, dass das auch so bleibt. Von ganz besonderer Bedeutung ist dabei die Frage, wie wir in Zukunft mit gefährlichen Straftätern umgehen können.