AZ-Besuch bei ukrainischer Familie: Mutter erzählt vom neuen Leben in München
Liudmyla Bulbas hat gut Fuß gefasst in München. Im April des vergangenen Jahres kam sie mit Tochter Sofiia (11), Sohn Mykyta (5) und Hündchen Lola (8) in München an.
Bekannte halfen ihr, eine Arbeit zu finden. Schon im Juli konnte sie in einem renommierten Architekturbüro anfangen. "Man kann nicht nur rumsitzen", sagt sie. "Man muss irgendwie weiterleben." Und sie betont: "Ich bekomme also keine Sozialhilfe."
Hilfe für Flüchtlinge aus München: "Wirklich ein Geschenk!"
Bald ziehen sie in eine andere Wohnung, die Liudmyla selbst gefunden hat. Die Ein-Zimmer-Wohnung in Thalkirchen, in der die drei bisher wohnen, fanden sie dank der Unterstützung von Freiwilligen. Auch dort wurden sie gut aufgenommen. "Unsere Nachbarn sind so toll, sie haben uns so sehr geholfen", sagt Liudmyla Bulbas. "In den ersten zwei Monaten hätte ich sonst gar nichts machen können. Ich weiß nicht, ob alle so ein Glück hatten. Für uns ist das wirklich ein Geschenk!"
Vor einem Jahr hatte sich Liudmyla Bulbas mit ihren Kindern ins Auto gesetzt und war losgefahren. Einen Monat harrten sie zunächst in der Westukraine aus. "Alle sagten, in zwei drei Wochen ist alles wieder in Ordnung" erinnert sich Bulbas. "Aber das war nicht so." Doch einfach nur abwarten und Nachrichten lesen, das sei nicht zu ertragen gewesen, erzählt Bulbas. "Also habe ich gesagt: Wir müssen los."
Ukraine-Flüchtlinge: So ergeht es den beiden Kindern in München
In München hat Liudmyla Bulbas Freundinnen aus ihrer Schulzeit, außerdem Kontakte über ihren Job. Die 40-Jährige hat in Kiew im Rathaus gearbeitet, war stellvertretende Leiterin der Verwaltung für internationale Beziehungen der Stadt, spricht sehr gut Deutsch und Englisch. Der Job wartet auf sie, "bisher habe ich dort meinen Platz, man weiß aber nicht, wie lange noch", sagt sie.
Hier in München geht Tochter Sofiia (11) nun in die vierte Klasse. Wenn sie um 16 Uhr nach Hause kommt macht sie abends im Onlineunterricht noch die fünfte Klasse ihrer Kiewer Schule. "Das ist schon schwierig, aber wir wollen das Jahr nicht verlieren. Und niemand weiß ja, wie es weitergeht", erklärt die Mutter.
Sohn Mykyta, der in zwei Wochen sechs wird, geht seit September in den Kindergarten. "Er versteht mittlerweile einiges, es ist also schon leichter als am Anfang", sagt Liudmyla Bulbas. "Aber natürlich würde er gerne nach Hause." Samstags geht es für beide noch in die ukrainische Schule. Liudmyla Bulbas lacht: "Es ist viel zu tun bei uns." Dass die Kinder, vor allem auch der Kleine, ukrainisch hören, ist ihr wichtig. Auch, dass er "einfach mit anderen Kindern zusammen ist. Und er muss lesen und schreiben lernen", sagt sie. "Wir sind sehr froh, so Anschluss zu haben."
Viele Familienmitglieder sind noch immer in Kiew
Liudmylas Eltern, ihre Schwester samt Familie und auch ihr Mann sind noch immer in Kiew. Die Sorge um sie hört man in ihrer Stimme. "Meine Eltern sind alt, sie wollen nicht weg von Haus und Hund und Katze", sagt sie. Ihre Schwester bleibt, weil ihr Mann und ihr 21 Jahre alter Sohn nicht ausreisen dürfen. Liudmyla Bulbas Mann dürfte aus gesundheitlichen Gründen sogar ausreisen, ist aber vor allem wegen der Arbeit in Kiew geblieben. Im Ausland hätte er es schwer, wegen der Sprachbarriere. "Also wohnen wir jetzt gerade eben so", sagt Liudmyla Bulbas.
"München ist eine so schöne Stadt", sagt Liudmyla Bulbas. Wenn sie am Rathaus die ukrainische Flagge wehen sieht, bedeutet ihr das viel. "Es ist wichtig für uns zu wissen, dass wir nicht vergessen sind."