AZ-Besuch bei Karl Stankiewitz: Ein Leben als München-Erklärer

Karl Stankiewitz hat schon vor 74 Jahren für die AZ geschrieben. Und auch noch in dieser Woche zum Gedenken ans Olympia-Attentat. Nun soll Schluss sein. Zeit für einen Besuch am Schreibtisch der Reporterlegende - und den Versuch einer Bilanz.
Felix Müller
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Karl Stankiewitz im August in seiner Wohnung im Lehel, als die AZ ihn besucht.
Thomas Stankiewitz 8 Karl Stankiewitz im August in seiner Wohnung im Lehel, als die AZ ihn besucht.
Stankiewitz zeigt AZ-LokalchefFelix Müller Erinnerungen ausseinen Reporter-Jahrzehnten.
Thomas Stankiewitz 8 Stankiewitz zeigt AZ-LokalchefFelix Müller Erinnerungen ausseinen Reporter-Jahrzehnten.
Schreibtisch mit Blick zum Grün der Isar: Hier arbeitet Karl Stankiewitz bis heute.
privat 8 Schreibtisch mit Blick zum Grün der Isar: Hier arbeitet Karl Stankiewitz bis heute.
Scharfer Beobachter - der junge Karl Stankiewitz.
privat 8 Scharfer Beobachter - der junge Karl Stankiewitz.
Der Reporter Karl Stankiewitz ist immer mit modernster Technik der Zeit im Einsatz. Hier inspiziert er Neuerungen auf einer Messe 1984.
privat 8 Der Reporter Karl Stankiewitz ist immer mit modernster Technik der Zeit im Einsatz. Hier inspiziert er Neuerungen auf einer Messe 1984.
Mittendrin und voll dabei: Stankiewitz (3. v. r.) 1976 auf einer Pressekonferenz mit CSU-Generalsekretär Gerold Tandler (r.), dem CSU-Europa-Abgeordneten Otto von Habsburg und Innenstaatssekretär Erich Kiesl (l.).
privat 8 Mittendrin und voll dabei: Stankiewitz (3. v. r.) 1976 auf einer Pressekonferenz mit CSU-Generalsekretär Gerold Tandler (r.), dem CSU-Europa-Abgeordneten Otto von Habsburg und Innenstaatssekretär Erich Kiesl (l.).
Arbeitsplatz Gericht: Stankiewitz im Justizzentrum bei einemProzess in den 80ern.
privat 8 Arbeitsplatz Gericht: Stankiewitz im Justizzentrum bei einemProzess in den 80ern.
Was es früher alles gab! Karl Stankiewitz beim Langlaufen in der Widenmayerstraße daheim im Lehel im Jahr 1974.
privat 8 Was es früher alles gab! Karl Stankiewitz beim Langlaufen in der Widenmayerstraße daheim im Lehel im Jahr 1974.

München - Hier also liest und denkt und telefoniert und schreibt Karl Stankiewitz. Er hat das schon getan, als selbst die Eltern der heutigen Reporterriege noch gar nicht geboren waren. Und tut es immer noch. Ein wunderschöner, bürgerlicher Altbau im Lehel. Das alte Fenster steht offen, ein bisserl rauscht es von der Widenmayerstraße rauf. Oder ist das schon die Isar, gleich da drüben?

Da kommt der Hausherr herein. Beinahe möchte man sagen: Er federt. Karl Stankiewitz ist inzwischen 93. Ältester Reporter der Abendzeitung ist er schon sehr, sehr lange. Es ist einer dieser vielen unwirklich heißen Augusttage 2022. Stankiewitz trägt ein Poloshirt, er ist im Gespräch hellwach.

München jenseits der Klischees - das will er beschreiben

Der Mann erklärt München. Schon 1947 vor dem Abitur macht er die erste Schülerzeitung Münchens, geht als Volontär zur "SZ", ist dann Teil der allerersten Mannschaft der Abendzeitung. Später ist Stankiewitz jahrzehntelang München-Korrespondent für viele deutsche Zeitungen, schreibt Bücher über die Stadt - und bis in diese Woche hinein immer wieder für seine Abendzeitung.

Und all das - von diesem Schreibtisch aus. "Noch zu Kriegszeiten" habe er ihn gekauft, sagt Stankiewitz. Und ist natürlich gleich beim Thema, seiner Stadt und deren Entwicklung. Der Schreibtisch kommt von der Maximilianstraße - und wie die sich entwickelt hat, gefällt ihm überhaupt nicht! "Diese Luxerisierung, die hat mich oft geärgert", sagt er.

Stankiewitz zeigt AZ-LokalchefFelix Müller Erinnerungen ausseinen Reporter-Jahrzehnten.
Stankiewitz zeigt AZ-LokalchefFelix Müller Erinnerungen ausseinen Reporter-Jahrzehnten. © Thomas Stankiewitz

Auch sein Lehel ist lang kein Kleine-Leute-Viertel mehr. Immerhin: Stankiewitz hat die Zusage des Vermieters, hier bezahlbar wohnen bleiben zu dürfen, so lange er noch kann. In seiner Wohnung stapelt sich Münchner Geschichte. Bücher, Artikel. Der Mann lebt keineswegs nur in den 40er-, 50er-, 60er-Jahren und der Erinnerung daran, wie man es vielleicht bei einem 93-Jährigen vermuten würde. Er hat auch noch viele AZ-Plakate der vergangenen Jahre in der Wohnung hängen.

"Ich habe einfach immer weiter geschrieben"

Ein Berufsleben - damit meint man meist 40 Jahre oder 50. Bei Stankiewitz erfüllt der Beruf ein ganzes, pralles, sehr langes Leben. Fast 50 Jahre arbeitet er bis 2000 als Korrespondent, danach erscheinen noch etliche Bücher. In der AZ-Redaktion landen noch in diesem Olympia-Jubiläums-Jahr unzählige E-Mails mit Vorschlägen für Artikel und Serien. "Ich habe einfach immer weiter geschrieben", sagt er.

Über München. Aus München. Ob Stankiewitz nie weg wollte? "Nein", sagt er bestimmt. "Ich wusste immer, dass ich bleiben will." Und so wird er München-Erklärer für Leser in Saarbrücken oder dem Ruhrpott. Sein Erfolgsrezept in den Jahrzehnten, als München noch als dynamische, spannende Stadt gilt: Stankiewitz beschränkt sich nie wie andere Korrespondenten auf den Landtag. "Lustig, komisch, sonderlich - die Redaktionen überall in Deutschland hatten immer Lust auf Geschichten aus München", sagt Stankiewitz. Aber: Er sieht seine Aufgabe auch darin, München nicht nur als Klischee- und Gaudi-Stadt zu beschreiben, mehr als Strauß, Wiesn, Schickimicki.

Mittendrin und voll dabei: Stankiewitz (3. v. r.) 1976 auf einer Pressekonferenz mit CSU-Generalsekretär Gerold Tandler (r.), dem CSU-Europa-Abgeordneten Otto von Habsburg und Innenstaatssekretär Erich Kiesl (l.).
Mittendrin und voll dabei: Stankiewitz (3. v. r.) 1976 auf einer Pressekonferenz mit CSU-Generalsekretär Gerold Tandler (r.), dem CSU-Europa-Abgeordneten Otto von Habsburg und Innenstaatssekretär Erich Kiesl (l.). © privat

Nach fast 75 Jahren: Karl Stankiewitz macht Schluss

Die spannendste Zeit? "Ab 1966!", sagt er sofort. Nach der Zusage für die Olympischen Spiele sei München doch regelrecht aufgeblüht. Wie sich die Stadt insgesamt entwickelt hat, über die Jahrzehnte? Stankiewitz findet: im Großen und Ganzen erfreulich! "Der Münchner war eigentlich ein konservativer, eher muffiger Typ", sagt er. "Heute ist doch der Hirnbeiß der letzte Bierdimpfl, der geblieben ist." Die Stadt habe sehr vom Zuzug profitiert, sei kosmopolitischer geworden.

Stankiewitz ist viel gereist - auch als Reporter ist er bis nach Südamerika unterwegs. Seinen Ausgleich findet er beim Sport - und bis heute im Ferienhaus in Tirol. Das er - es waren auch bei Zeitungen andere Zeiten! - vom Honorar des Vera-Brühne-Prozesses in den 60ern gekauft hat.

Arbeitsplatz Gericht: Stankiewitz im Justizzentrum bei einemProzess in den 80ern.
Arbeitsplatz Gericht: Stankiewitz im Justizzentrum bei einemProzess in den 80ern. © privat

Neben ihm sitzt jetzt sein Sohn Thomas Stankiewitz. Das mit dem Immer-weiter-Schreiben sieht der naturgemäß etwas kritischer. "Er ist der totale Workaholic", sagt Thomas Stankiewitz über den Vater, und der Blick verrät eine Mischung aus Bewunderung, Ungläubigkeit und Sorge. Und nun soll trotzdem wirklich Schluss ein? Karl Stankiewitz, der inzwischen gelegentlich einen Rollator braucht, hat der AZ, "die fast 75 Jahre ein Teil meiner zweiten Heimat war", mitgeteilt, dass er aufhören mag. Das Herz, die Augen. "Ich muss mehr auf meine Gesundheit achten."

"Irgendwas muss ich tun, sonst wird mir langweilig"

Andererseits: Für Ratschläge mag er weiter zur Verfügung stehen. Sein Vermächtnis, viele seiner Manuskripte sollen an die Staatsbibliothek gehen. Er hat die Idee für ein letztes Buch über das "Grüne München", dafür sammelt er jetzt Material. "Irgendwas muss man ja tun, sonst wir mir langweilig." Stankiewitz sagt aber auch, klar und ernst: "Ich glaube nicht, dass ich die Idee noch durchführen kann."

Was es früher alles gab! Karl Stankiewitz beim Langlaufen in der Widenmayerstraße daheim im Lehel im Jahr 1974.
Was es früher alles gab! Karl Stankiewitz beim Langlaufen in der Widenmayerstraße daheim im Lehel im Jahr 1974. © privat

Erstmal wird Karl Stankiewitz zwar nicht mehr unter Zeitdruck Zeitungstexte fertigschreiben. Aber irgendwie dann eben doch weiter arbeiten. Mittags wird er weiter rübergehen zum Gasthaus Isarthor, das es zum Glück immer noch gibt. Der Ober wird ihm weiter einen Schnitt hinstellen, bevor er sich überhaupt hingesetzt hat. Vor seiner Wohnung wird weiter die Widenmayerstraße rauschen - oder die Isar, wer weiß das schon genau.

Und Karl Stankiewitz, der schwärmt, wie schön es ist, hier raus ins Grüne zu schauen, wird an diesem alten Schreibtisch zusammentragen, was er über diese Stadt und ihre Geschichte noch zusammentragen kann. Es ist auch seine eigene Geschichte. Seine Lebensaufgabe.

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  • Der wahre tscharlie am 04.09.2022 14:59 Uhr / Bewertung:

    Karl Stankiewitz, dieser Reporter ist für mich untrennbar mit der AZ verbunden.
    Schon in jungen Jahren schätzte ich seine Artikel.

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