Autofreie Altstadt: Münchner Wirtschaft warnt vor Aktionismus

Am Mittwoch ist im Stadtrat die "Autofreie Altstadt" Thema. Die Münchner Wirtschaft hat nun ein Positionspapier vorgelegt – mit klaren Forderungen.
von  Paul Nöllke, AZ/ls

München - Die Innenstadt ohne Autos: Für manche ist es "ein Gewinn", für andere "existenzbedrohend". Am Mittwoch tagt zu dem Thema im Stadtrat eine Experten-Kommission. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hat zu dem Gespräch eingeladen. Unter anderem soll über einen Radlring, weitere Fußgängerzonen und Parkraummanagement gesprochen werden. Verschiedene Handwerks-, Handels- und Gastronomieverbände warnen schon jetzt im Vorfeld vor übereifrigem Aktionismus.

Sieben Punkte für ein Verkehrskonzept in der Altstadt

Darin fordern sie grundsätzlich, den Individualverkehr nicht aus den Augen zu verlieren. "Verträgliche Mobilität in der Stadt und eine gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums muss für alle gewährleistet sein. Ebenso müssen die Verkehrsverbindungen für den Wirtschaftsverkehr sichergestellt und gewährleistet sein", heißt es. Sieben Punkte umfasst das Papier:

  • Jeder der kommen will, soll auch kommen können: "Die Altstadt muss für alle mit jedem Verkehrsmittel gut zugänglich und schnell erreichbar sein".
  • Kooperative Stadtentwicklung praktizieren: "Alle Maßnahmen müssen mit betroffenen Anwohnern, Gewerbetreibenden und den beteiligten Kammern und Verbänden frühzeitig vor Stadtratsbeschlüssen und Anordnungen abgestimmt werden."
  • Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum lösen: "Keine Pauschallösungen für die gesamte Altstadt, sondern individuell angepasste Lösungen für den jeweiligen Standort!"
  • Sofortprogramm für den ÖPNV erstellen: "Leistungsfähige und funktionierende öffentliche Verkehrsmittel sind das Rückgrat der Erreichbarkeit der Altstadt."
  • Bedarfsorientierte Parkkapazitäten sichern: "Bei der Neuverteilung öffentlicher Flächen sind Parkraumbedarfe von Altstadtbewohnern, Unternehmen und deren Lieferverkehre zu berücksichtigen."
  • Alle Verkehre gemäß ihrer Bedeutung berücksichtigen: "Sonstige Verkehre wie zum Beispiel Reisebusse, Car-Sharing und Fahrräder müssen ihren adäquaten Platz in einem Gesamtkonzept für Mobilität in der Altstadt finden"
  • Verkehrsprobleme gemeinsam lösen: "Wir wollen gemeinsam mit Politik und allen relevanten Entscheidungsträgern und Gruppen an zukunftsfähigen Lösungen für die Erreichbarkeit und Attraktivität der Münchner Altstadt arbeiten."

Wirtschaftsvertreter warnen vor Aktionismus

"Wir machen uns wirklich Sorgen" sagt Wolfgang Fischer vom Verband der Innenstadthändler Citypartner der AZ. "In der Expertenkommission sind Landschaftsarchitekten und Bürgermeister von kleinen Städten. Von uns Händlern oder von Stadtplanungsexperten zum Beispiel von BMW wurde keiner eingeladen." Fischer befürchtet, dass so viele Interessen nicht berücksichtigt werden.

Bei der Veranstaltung tritt allerdings Clemens Baumgärtner (CSU) als Referent für Arbeit und Wirtschaft auf, auch ein Vertreter von UPS soll die Interessen der Zulieferer vertreten.

Trotzdem sieht auch Christian Schottenhamel, Wiesnwirt, Hotelier und Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands die autofreie Innenstadt kritisch und warnt: "Dem Gastgewerbe darf bei allen verkehrspolitischen Bemühungen nicht die Existenzgrundlage entzogen werden." Die Erreichbarkeit durch Lieferverkehr und Gäste müsse auch weiterhin gewährleistet bleiben.

Neues Verkehrskonzept ist wichtig – für die Attraktivität der Stadt

Schottenhamel glaubt aber auch, dass ein neues Verkehrskonzept für München wichtig sei. "München kann durch ein neues Verkehrskonzept stark an Attraktivität gewinnen", erklärt er. "Es stellt sich aber die Frage, inwiefern es sinnvoll ist, 1,2 Milliarden Euro in den Ausbau von Radwegen zu investieren, anstatt das Geld in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu stecken, wovon jeder profitieren würde."

Das Expertengespräch im Rathaus soll verschiedene Perspektiven beleuchten und den Stadtrat über Konzepte autofreier Innenstädte informieren. Neben Clemens Baumgärtner und dem Vertreter von UPS sind auch ein Landschaftsarchitekt, eine Professorin für Verkehrsplanung und der Freisinger Oberbürgermeister anwesend. "Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt", sagt Fischer. "Ich hoffe, dass wir es schaffen, zusammen eine gute Lösung zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert."

Bei dem Thema zeigt sich: Der Verkehr ist und bleibt auch im Wahljahr 2020 ein wichtiges Thema in München.

Lesen Sie hier den AZ-Kommentar zum Thema

Lesen Sie hier: München fühlt sich sicher – und will grillen dürfen

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