Autodieb (38) wegen versuchtem Mord angeklagt

München Serhat A. ist kein Stuntman. Aber am 23. November 2014 legte der 28-Jährige eine filmreife Leistung hin. Über eine Strecke von 1,4 Kilometern – von der Kapuzinerstraße bis zur Bayerstraße – krallte er sich an die Motorhaube seines durch die Innenstadt rasenden Fiat Punto.
Drinnen saß ein Autodieb am Steuer, der vergeblich versuchte, den Eigentümer des Wagens mit Zick-Zack-Manövern abzuschütteln. Seit Montag muss sich der 38-jährige Miroslav G. nun wegen versuchten Mordes und versuchten räuberischen Diebstahls mit Todesfolge verantworten.
Wilder Ritt auf der Motorhaube
Der arbeits- und wohnungslose Slowake hatte an diesem Novembernachmittag die Gelegenheit genutzt und sich hinters Steuer des Punto gesetzt. Der Besitzer des Wagens, ein Sushi-Bote, war nur kurz im Imbiss in der Kapuzinerstraße verschwunden, um eine Bestellung abzuholen. Der Schlüssel steckte. Miroslav G. fuhr los.
So schilderte Serhat A. der AZ kurz nach seinem Stunt, was dann geschah: Als er den Diebstahl bemerkt, läuft der Sushi-Bote seinem Wagen hinterher. Der Dieb muss an einer roten Ampel halten.
Serhat A. stellt sich direkt vor die Motorhaube und streckt die Hände aus. „Komm raus, aussteigen“, schreit er. Der Dieb ignoriert das und gibt stattdessen Gas.
Ehe es sich Serhat A. versieht, landet er auf der Motorhaube. „Ich dachte, ich bin im falschen Film.“ Reflexartig klammert er sich an der vorderen Kante der Motorhaube fest. Als lebende Kühlerfigur rast er in Richtung Hauptbahnhof. Dieb und Autobesitzer starren sich durch die Windschutzscheibe an.
Der Fiat schlingert gefährlich. Nur mit Mühe kann sich Serhat A. festhalten. Die wilde Fahrt geht die Herzog-Heinrich-Straße hoch, dann über den Kaiser-Ludwig-Platz in die Paul-Heyse-Straße zur Kreuzung Bayerstraße. Auf den 1,4 Kilometern werden mehrere rote Ampeln missachtet. Dann kracht es auf der Kreuzung. Serhat A. wird zu Boden geschleudert, zieht sich aber nur leichtere Verletzungen zu.
Ist der Täter psychisch krank?
Der Diebstahl sei geplant gewesen, um im Gefängnis zu überwintern, erklärte der Autodieb. Die Nacht davor im Englischen Garten sei ihm zu kalt gewesen. Der Prozess muss unter anderem auch klären, ob Miroslav G. psychisch krank ist.
Gutachter Matthias Hollweg machte am ersten Prozesstag die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten zum Thema. Auch weil der 38-Jährige unter anderem aussagte, dass man ihm in der U-Haft nach dem Leben trachte. So soll jemand seine Marmelade vergiftet haben.
Bei zwei Vorfällen legte er sich zudem mit den Wachtmeistern an. Einmal warf er einem Essen auf die Uniform, einem anderen soll er nicht mehr ganz frische Unterwäsche ins Gesicht gedrückt haben. Der Prozess dauert an.