Ausstellung im Jüdischen Museum: Bier mit Davidstern

Brauer, Hopfenhändler und Krugverzierer: Eine neue Ausstellung erzählt jüdische Braugeschichten.
von  Anja Perkuhn

München – Die gute Nachricht zuerst für alle, die es nicht wussten: Bier ist generell koscher. Grundsätzlich entsprechen die Zutaten für Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde, den jüdischen rituellen Speisegeboten.

Das legten Religionsgelehrte sogar im Talmud fest: Wenn „das Bier der Wein dieses Landes“ sei, dann spreche auch nichts dagegen, es in jüdische Rituale aufzunehmen, beispielsweise es zu segnen.

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Entsprechend heißt die neue Ausstellung im Jüdischen Museum „Bier ist der Wein dieses Landes“, und sie ist vollgepackt mit Geschichten zur Vergangenheit und Gegenwart des Gerstensafts in der jüdischen Tradition und Kultur – mit vielen überraschenden Erkenntnissen auch aus dem süddeutschen Raum.

 

Der Davidstern und der Brauerstern haben sich zeitgleich verbreitet - warum? Weiß niemand.

 

Beispielsweise der Davidstern, der in der Oberpfalz noch heute an Wirtshäusern als Zoigl („Anzeiger“) angebracht ist, um zu signalisieren, dass dort Bier ausgeschenkt wird: Der ist keiner. Es ist ein Brauerstern, der sich zeitgleich mit dem Davidstern im Mittelalter von Böhmen aus nach Westen verbreitet hat. „Warum, haben wir nicht herausgefunden“, sagt Museumsdirektor Bernhard Purin.

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Oder der Hopfenhandel: Er entwickelte sich in Bayern im späten 15. Jahrhundert zu einer eigenen Handelssparte, in der jüdische Händler bis zur Zeit des Nationalsozialismus eine führende Rolle spielten. „In diesem Zusammenhang gibt es natürlich auch immer wieder traurige und tragische Geschichten“, sagt Purin, „und die verschweigen wir auch nicht. Nichtsdestotrotz ist es eine Ausstellung, die Spaß machen soll und helfen, neue Erkenntnisse zu gewinnen.“

 

Das beliebteste Motiv für die verzierten Krüge ist keine Überraschung

 

Der Museumsdirektor und die Wissenschafts-Volontärin Lilian Harlander haben mehr als anderthalb Jahre recherchiert und Exponate gesammelt für „Bier ist der Wein dieses Landes“ und das dazugehörige Buch – dabei haben sie beispielsweise auch herausgefunden, dass jüdische Familien im Gewerbe der Bierkrugveredelung eine große Rolle spielten. „Die Namen der Unternehmensbesitzer waren bekannt“, erzählt Purin, „sie klangen aber nicht sehr jüdisch, deshalb wussten wir bisher nicht um deren Dominanz“.

Mit der 1868 in Bayern erlassenen Gewerbefreiheit entstanden neue Gewerbe. Jüdische Zuwanderer in München nutzten diese Möglichkeit und waren maßgeblich an der Entwicklung des Gewerbes beteiligt, in dem die bisher schlichten Steinkrüge für Bier verziert wurden: in einer Porzellanmalerei bemalt, später auch bedruckt, in einer angeschlossenen Zinngießerei mit einem Deckel vollendet. „Das beliebteste Motiv für Krüge“, erzählt Purin, „war natürlich: das Münchner Kindl.“

Besonders viel Raum bekommt die Familie Schülein: Ende des 19. Jahrhunderts übernehmen der aus Mittelfranken stammende Josef Schülein, seine zwei Brüder und sein Schwager die Konkurs gegangene Unionsbrauerei – und machen sie innerhalb von 25 Jahren zur zweitgrößten Brauerei Münchens. Als „König von Haidhausen“ wird Schülein bekannt wegen seiner Wohltätigkeit und seines sozialen Engagements.

Die neue Brauerei „Löwenbräu“ wird die erfolgreichste Bayerns Nach der Fusion von Unionsbräu mit Löwenbräu nach dem Ersten Weltkrieg wird die neue „Löwenbräu“-Brauerei die erfolgreichste Bayerns.

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Die Schlossbrauerei Kaltenberg übernehmen und modernisieren Schüleins ebenfalls. Josefs Sohn Fritz führt sie nach dessen Tod, bis er 1938 ins KZ Dachau deportiert und enteignet wird. Er flieht mit seiner Familie in die USA. Nach dem Krieg kehrt er zurück, leitet die Brauerei wieder, kann aber nicht an alte Erfolge anknüpfen und verkauft. Heute leitet sie Prinz Luitpold.

Die Ausstellung selbst ist klar und aufgeräumt. Die beiden Geschosse des Museums sind über die Schülein-Geschichte verbunden und mit zwei zentralen Punkten versehen: einem drei Meter hohen, duftenden Hopfensackberg und dem „Rheingold Theater“ – ein kleiner Kinosaal, in dem Erinnerungen flimmern an das US-Bier „Rheingold“ – dessen erfolgreichste Rezeptur vom aus Deutschland geflohenen Hermann Schülein stammt.

Es war das am besten beworbene Bier der 40er bis 60er – und auch hier weiß Purin eine Geschichte: „In manchen Jahren gaben mehr Amis ihre Stimme für die Miss Rheingold ab, als bei der Präsidentenwahl.“ Über Bier und Menschen lernt man wohl nie aus.

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