Ausrama dama im Lockdown: Dauerbetrieb an Münchner Wertstoffhöfen

Raus mit dem ganzen Gerümpel – das scheint derzeit das Motto zu sein. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb Münchner Wertstoffhöfe unter Volllast laufen.
Hüseyin Ince
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Regelmäßig kommen bepackte Fußgänger, mit vollen Müllbeuteln in der Hand oder auch mal mit einem alten Kühlschrank auf dem Sackkarren.
Regelmäßig kommen bepackte Fußgänger, mit vollen Müllbeuteln in der Hand oder auch mal mit einem alten Kühlschrank auf dem Sackkarren. © Daniel von Loeper

München - Meterlange Warteschlangen, hunderte Entsorgungen täglich, Leute, die sich früh morgens anstellen, bevor die Tore zur Seite geschoben werden: Die Münchner misten aus. An den Wertstoffhöfen herrscht Dauerbetrieb, wie hier in Sendling. Das bestätigt auch ein Sprecher des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM).

Neu auf den Wertstoffhöfen: Blockabfertigungen

Demnach sei es nach Weihnachten aber ganz normal, dass ein großer Andrang an den zwölf Münchner Wertstoffhöfen zu beobachten sei. Auch das Ende der Neujahrsfeiertage spiele eine große Rolle, wenn vermehrt weggeschmissen werde. "Dies hat weniger mit dem aktuellen Lockdown zu tun", sagt der AWM-Sprecher.  Geändert habe sich beim AWM allerdings die Abwicklung. Da spielt die Pandemie also doch eine Rolle. "Anders als in den Jahren zuvor, finden aktuell Blockabfertigungen statt", schreibt der AWM. Außerdem habe man die Anzahl der Parkplätze auf den Höfen reduziert. Schon durch diese Maßnahme müsse momentan mit längeren Wartezeiten gerechnet werden.

Wertstoffhof, vergangenen Freitagnachmittag in der Thalkirchner Straße. Gegen 15 Uhr stehen die Münchner immer noch Schlange auf der Straße, bis zu 200 Meter.
Wertstoffhof, vergangenen Freitagnachmittag in der Thalkirchner Straße. Gegen 15 Uhr stehen die Münchner immer noch Schlange auf der Straße, bis zu 200 Meter. © Daniel von Loeper

Empfehlung: die Abfälle vorsortieren

"Unser oberstes Ziel ist es, die Gesundheit unserer Mitarbeiter und Kunden zu schützen", schreibt der AWM. Deswegen sei es erforderlich, die Kontakte zu reduzieren. Der AWM geht davon aus, dass mit dem Ferienende der Andrang auf den Wertstoffhöfen nachlässt. Man bitte die Münchner, "Abfälle und Wertstoffe möglichst vorsortiert im Auto zu lagern", um den Aufenthalt am Wertstoffhof zu verkürzen.

Das wollen die Münchner entsorgen

Hört man sich unter den Münchnern um, die sich 30 Minuten und länger anstellen, sehen viele übrigens sehr wohl den Lockdown und nicht nur die Zeit nach Weihnachten als Gelegenheit für die Fahrt zur größtmöglichen Münchner Mülltonne. Die AZ hat sie gefragt, was sie entsorgen wollen.

"Ich brauche Platz für meine Zwillinge"

Ingrid Winkle.
Ingrid Winkle. © Daniel von Loeper

Datentechnikerin Ingrid Winkle ist alleinerziehende Mutter von 14-jährigen Zwillingen und kommt aus Obersendling. Sie versucht, das beste aus Lockdown plus Homeschooling zu machen."Das wird ja vorerst so bleiben", sagt sie, "daheim ist es eng. Daher wollte ich ein paar Sachen loswerden und Schul-Arbeitsplätze für meine Tochter und meinen Sohn einrichten." Sie besuchen Realschule sowie Gymnasium. "Hauptsächlich habe ich Elektroschrott dabei", sagt sie. Aber auch eine alte Couch lugt unter einer Decke auf der umgeklappten Rücksitzbank hervor.

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"Die Autos stehen oft an, da gehe ich lieber zu Fuß"

Lagerarbeiter Menzat Merun (35).
Lagerarbeiter Menzat Merun (35). © Daniel von Loeper

Der Thalkirchner Menzat Merun bringt den Weihnachtsbaum weg. Er wohnt mit seiner Familie nah am Wertstoffhof. Baum auf die Schulter und los geht's, vorbei an der Auto-Warteschlange. "Die stehen hier oft an", sagt Merun. Der Lockdown sei für ihn die Gelegenheit, um zu entrümpeln. Grundsätzlich ist er besorgt: "Meine Frau ist Hotelmitarbeiterin und hat derzeit keinen Job. Ich bin in Kurzarbeit. Daher müssen wir irgendwie über die Runden kommen." Immerhin eine gute Nachricht: "Ich werde bald Vater", sagt Merun.

"Flohmärkte fallen aus, da muss man entsorgen"

Die Geschwister Dustin und Christin Pun.
Die Geschwister Dustin und Christin Pun. © Daniel von Loeper

Realschüler Dustin (13) und Gymnasiastin Christin Pun (17) kommen aus dem Viertel. Auch sie bevorzugen es, ihren Weihnachtsbaum zu Fuß zum Wertstoffhof zu bringen. Gemeinsam mit ihrer Mutter Jenny Pun machen sie einen kurzen Spaziergang bei kalter klarer Luft. Mutter Jenny wohnt bereits seit 2002 in Sendling. "Der Andrang am Wertstoffhof überrascht mich nicht", sagt Jenny Pun. Sie glaubt, dass es vielen Leuten so gehen könnte wie ihr. Denn: Sie ist eigentlich eine leidenschaftliche und überzeugte Flohmarkt-Händlerin. "Aber die fallen ja aus", sagt sie. Da bliebe natürlich die Möglichkeit, über Online-Börsen brauchbare Gegenstände loszuwerden. "Ehrlich gesagt, bleibt da einfach ein Rest Skepsis", sagt die zweifache Mutter. "Wenn sich jemand für etwas interessiert, kommt er ja sinnvollerweise zu dir nach Hause". Aber man wisse nie so genau, ob jemand ansteckend sei oder nicht. "Ich habe schon 15 Säcke Kleidung entsorgt, die eigentlich noch brauchbar waren", sagt Pun etwas traurig.

"Im Glockenbach werden Sachen zerstört"

Daniel Tudman (35) und Larissa Margulies (34): Die Freunde und Arbeitskollegen unterstützen sich gegenseitig.
Daniel Tudman (35) und Larissa Margulies (34): Die Freunde und Arbeitskollegen unterstützen sich gegenseitig. © Daniel von Loeper

Larissa Margulies und Daniel Tudman kennen sich gut und sind auch Arbeitskollegen bei BMW. Und Tudman unterstützt Margulies heute beim Ausmisten. "Ich habe mich auf Google erkundigt", erzählt Margulies, "da hieß es: geringes Aufkommen." Dass sie jetzt doch etwas warten muss, ärgert sie nicht. 15 bis 20 Minuten sind es am Ende geworden, die sie anstand, bevor sie auf den Wertstoffhof fahren konnte. Margulies hat heute vor allem ein weißes Regal und einen großen Blumentopf dabei. "Eigentlich noch völlig in Ordnung", sagt sie. Früher habe sie solche Sachen vor ihrer Wohnung im Glockenbach abgestellt. "Meistens konnte das jemand brauchen und nahm es mit", sagt sie. Doch seit dem Lockdown sei über Nacht ein Möbelstück kurz- und kleingeschlagen worden. "Das wollte ich nicht wieder riskieren", sagt Margulies.

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3 Kommentare
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  • Monika1313 am 12.01.2021 22:13 Uhr / Bewertung:

    Ich habe auch kein Auto, aber ein Radl und Freunde.
    Ich schaffe die unüberwindbare Hürde bis zum Wertstoffhof. Zudem gibt es noch das Wertstoffmobil, das in der Regel 1 x pro Woche kommt. Für größere Sachen gäbe es Entrümpeldienste.

  • Monika1313 am 12.01.2021 09:57 Uhr / Bewertung:

    Bei uns stellen die Leute Möbel und sonstigen Schrott einfach auf den Gehsteig. Weihnachtsbäume liegen auf jeder Grünfläche rum. Diese ‚Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität‘ nervt mich unglaublich. Oder aber manche Egoisten stopfen die Mülltonnen am Tag der Leerung voll, so dass die anderen zusehen können, wie sie bis zur nächsten Leerung ihren Müll loswerden. Manche bringen ihn dann zu öffentlichen Mülleimern.

  • MaxlH am 12.01.2021 11:25 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Monika1313

    Es hat halt nicht jeder ein Auto, und man mag auch nicht erst 10km fahren um alte Sachen los zu werden. Da bietet die Stadt einfach zu wenige Möglichkeiten. Insbesondere fehlen Möglichkeiten in der näheren Umgebung ein paar Sachen abzugeben.
    Wie im Artikel beschrieben: Nachbarn kommen zu Fuß - was aber, wenn Fußläufig kein Wertstoffhof erreichbar ist ?

    Das Abfallsystem in München ist schlichtweg auf dem Stand der 90er stehen geblieben. Dass ein paar Leute dann nicht mitmachen (können/wollen) ist doch klar.

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