Ausnahmezustand auf der Wiesn: Alles wird kontrolliert

Die Oktober-Festung: Wegen Terrordrohungen hat die Polizei rund ums Oktoberfest einen Sicherheitsring gezogen. Es gibt Kontrollen und auffallend viele Uniformierte. Wie Besucher, Anwohner und Schausteller damit umgehen...
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Die Waffe im Anschlag überwacht ein Polizist von seinem Streifenwagen aus die Theresienwiese.
Klaus Primke Die Waffe im Anschlag überwacht ein Polizist von seinem Streifenwagen aus die Theresienwiese.

MÜNCHEN - Die Oktober-Festung: Wegen Terrordrohungen hat die Polizei rund ums Oktoberfest einen Sicherheitsring gezogen. Es gibt Kontrollen und auffallend viele Uniformierte. Wie Besucher, Anwohner und Schausteller damit umgehen...

Die Paulaner-Kutsche steht. Die Hufe der Brauerei-Rösser klackern unruhig auf dem Asphalt. Der Haupteingang zur Wiesn ist blockiert mit Polizeiwagen und Streifenbeamten. Der Kutscher kann nur warten, bis ihn die Beamten kontrolliert haben. Ausnahmezustand.

Während die Besucher am Montagvormittag auf die Wiesn strömen, ist der Bavariaring verwaist: Keine Autos, wenig Radler, kaum Spaziergänger, dafür Absperrgitter, Uniformierte. Autofahrer, Radler, Fußgänger – alle werden durchsucht. Die Wiesn gleicht seit einer Festung. Rein kommt nur, wer seine Tasche öffnet, sich zum Teil Leibesvisitationen unterzieht und Fragen der Beamten beantwortet.

So auch am Kaiser-Ludwig-Platz: Unter Kisten im Kofferraum des Pkws aus Straubing stöbert der Polizist, hebt den Filzboden hoch, tastet. Der Kollege inspiziert derweil den Innenraum eines Getränkelasters. Es ist kurz nach neun, der Anliefer- und Berufsverkehr rund um die Theresienwiese stockt.

Viele Lieferanten der umliegenden Büros sind auf die Sperren vorbereitet. „Ehrlich gesagt, fühle ich mich sicherer“, sagt Daniela Straßer von Valerian’s Catering. Sie und ihr Mann Metin versorgen Siemensianer der Schwanthalerhöhe. „Das ist schon in Ordnung, nur wenn jeden Tag so eine Kontrolle ist, wird’s ein bissl nervig.“

Die Angst geht trotzdem um. „Am liebsten würd’ ich wieder umkehren“, sagt die 73-jährige Margit Schandl, die mit ihrem Mann Bela zur Wiesn schlendert. „Wenn ich die Gitter hier sehe, da habe ich schon gemischte Gefühle.“

Anwohner Christophe Chauvet, der seine Tochter gerade von der Schule abgeholt hat, geben die gepanzerten Polizei-Busse Sicherheit. „Wir wohnen seit Jahren hier. Jetzt haben sich die Kontrollen verschärft. So sicher waren wir hier während dem Oktoberfest noch nie“, sagt der 39-Jährige. Auf die Wiesn wolle er aber „nicht unbedingt“.

Auf der Theresienwiese selbst ist die Stimmung angespannt. Die Schausteller-Familien mussten zum Teil wegen des Sicherheitsrings ihre Wohnwagen verschieben. Bleiben müssen sie – auch wenn an große Gewinne nicht mehr zu denken ist. „Ich überlege, ob ich meine fünf Kinder zu meinen Eltern schicke, damit sie vom Gelände runter sind“, sagt Iris Stey von der „Kindertraumschleife“. Auch Tanja Kaiser vom Wellenflug ist um ihren Sohn JJ besorgt. „Klar, wie jede Mutter hier“, sagt die Schaustellerin. Sie bleibt trotzdem. Mit ihrer Familie.

Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl ist nervös, sieht den Einsatz aber natürlich ein. „Wichtig ist, dass die Besucher geschützt sind. Ich hoffe, sie nehmen die Unannehmlichkeiten gelassen hin.“ Wiesnwirte-Sprecher Toni Roiderer lobt die verschärften Sicherheitsmaßnahmen. „Die Polizei macht's genau richtig“, sagt er, „jetzt kann man auf die Wiesn gehen, jetzt braucht man keine Angst haben.“ Eine „hundertprozentige Sicherheit“ gebe es freilich nicht.

Dass es Stornierungen in Zelten gab, dementieren neben Roiderer auch die Wiesnwirte der Promi-Zelte. Im Weinzelt, im Hippodrom und in Käfers Wiesnschänke gebe es keine „nennenswerte Stornierungen“. Auch abends sind die Zelte weiter voll – dafür weichen viele Besucher auf die Schaustellerstraße aus. Dort herrscht dichtes Gedränge.

Wer heim will, muss lange nach einem Taxi suchen – die dürfen an der Theresienwiese nicht mehr parken. „Da müssen die Leute jetzt weiter raus gehen“, sagt Taxler Günther Hahnl. Für das Geschäft sei das zwar nicht gut, „aber die Sicherheit ist das Wichtigste“. Rikscha-Fahrer Christoph R. darf im Gegensatz zu den Taxlern direkt an der Theresienwiese stehen – er freut sich: „Dadurch werden wir ein besseres Geschäft machen.“

Wer mit der nach Hause fährt, muss am Abend an verstärkten Polizeikontingenten vorbei: Die Wachen in Zivil und Uniform wurden an den U-Bahnaufgängen verstärkt, sagte Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer bei seinem Rundgang über die Wiesn am späten Nachmittag. Mia Heinrich (28) und Tom Weingartner (27) stehen vor der Rolltreppe zu den Gleisen. Sie haben trotz allem keine Angst und lassen sich ihre Wiesn nicht verderben: „Wir waren nur ganz kurz da, wollten nur bummeln. Man darf einfach nicht darüber nachdenken, was alles passieren kann.“

Anne Kathrin Koophamel

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