Ausgestrampelt: Das Ende der rollenden Biergärten

Ausgerechnet in der Bier- und Radl-Hauptstadt München ist das Bierbike jetzt offiziell verboten. „Nicht verkehrssicher“, urteilen die Behörden.
von  J. Jauernig
Gaudi oder Gaga? Junggesellen, Firmengruppen und Touris rauschen mit dem Bierbike durch München. Das KVR bremst sie aus.
Gaudi oder Gaga? Junggesellen, Firmengruppen und Touris rauschen mit dem Bierbike durch München. Das KVR bremst sie aus. © privat

Ausgerechnet in der Bier- und Radl-Hauptstadt München ist das Bierbike jetzt offiziell verboten. „Nicht verkehrssicher“, urteilen die Behörden.

München Die rollende Biergärten stehen still. Während von Augsburg bis Flensburg, von Aachen bis Berlin Bierbikes durch die Straßen rauschen, sind die Party-Gefährte in München jetzt offiziell verboten. „Aus Sicherheitsgründen“, sagt das Kreisverwaltungsreferat. „In der Radl- und Bierhauptstadt ist das ein Unding“, wettert Betreiber Dominic Staat.

Es ist schon ein kurioses Gefährt: 16 Mensch sitzen um eine Theke, an der Bier ausgeschenkt wird. Während sie trinken, treten sie in die Pedale und befördern so das zwei Tonnen schwere Vehikel mit fünf bis zehn Stundenkilometer durch die Straßen – vorne sitzt der Pilot, der Lenkung und Bremsung dirigiert. „Auf den Bierbike-Touren geht es um Geselligkeit und um das Sehen und Gesehen werden“, erklärt Staat, der mit seiner Firma Pedalhelden seit zwei Jahren Touren veranstaltet.

Auf über 500 Touren radelten schon Firmengruppen der Allianz, der bayerischen Versicherungskammer oder auch Polizeiinspektionen und Feuerwehrabteilungen durch den lauen Sommerabend. Doch damit ist jetzt Schuss: Nach einer wahren Gutachter-Schlacht (siehe Kasten), für die Betreiber nach eigenen Angaben 25000 Euro investierten, hat das Kreisverwaltungsreferat das Bierbike als nicht verkehrssicher eingestuft. Die Bedenken: In einer Gefahrensituation könne das Gefährt nicht schnell genug ausweichen, da der Lenker auf Willen und Muskelkraft seiner zunehmend alkoholisierten Fahrgäste angewiesen sei.

„Das diskriminiert unsere Fahrgäste“ zürnt Staat. „Das KVR spricht ihnen den gesunden Menschenverstand ab in Gefahrensituationen zuzupacken. Dagegen sind Pferdekutschen erlaubt – trotz störrischem Tierwillen.“ Die Fronten sind verhärtet: „Hochgekocht ist das Ganze als ein Mitarbeiter des KVR im Februar unser Bierbike mit der Love-Parade in Duisburg verglichen hat“, erzählt Staat. „Das ist absolut ungeheuerlich angesichts der Opferzahlen dort.“ Der Unternehmer sieht durch den Bescheid sein Verantwortungsgefühl in Zweifel gezogen. Das macht ihn besonders wütend. Er hält das Bierbike für absolut sicher.

Staat vermutet, dass unter dem Deckmantel der Sicherheit ein Rädchen in den Behörden das Unternehmen Bierbike blockiere: „Die haben irgendwann beschlossen, dass in München keine Bierbikes fahren sollen.“ Dass bislang keine Bierbike-Unfälle passiert sind, ist für die Behörde nicht ausschlaggebend: „Muss es erst zu einem Unfall kommen, bis man tätig wird?“, fragt eine KVR-Sprecherin.

Für die Pedalhelden bedeuten bedeutet diese Vorsichtsmaßnahme auch einen wirtschaftlichen Schaden. Dem Unternehmen gehen laut Staat zur Hochsaison durch das Verbot 10000 Euro Umsatz pro Woche flöten. „Und da sind die Kunden, denen wir jetzt absagen müssen – und die zu Recht verärgert sind“, sagt Staat.

Aufgeben wollen die Bierbike-Betreiber aber nicht. Sie planen eine Klage gegen das Verbot.

 

 


 

Die Chronologie des Streits:
Juni 2009 : Das Bierbike startet in München.

März 2010 : Polizeipräsidium München und KVR begutachten das Bierbike. Sie sind sich laut Betreiber uneinig, wie das Fahrzeug zu bewerten ist.

Danach : Das KVR fordert eine Ausnahmegenehmigung für das Bierbike, wie sie auch bei Rikschas üblich ist.

September/Oktober 2010 : Das Bierbike wird beim TÜV-Rheinland wochenlang auf Betriebssicherheit geprüft. Auf Vorschlag der Sachverständigen wird stellenweise nachgebessert.

Mai 2011 : Das KVR fordert, man solle das Bierbike von einem Fahrradsachverständigen beurteilen lassen.

Juni 2011 : Ein vereidigter Fahrradsachverständiger der IHK München erstellt ein positives Gutachten über das Bierbike hinsichtlich der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung nach den Richtlinien eines Fahrrads.

5. Juli 2011 : Das KVR fordert ein Gutachten nach den Richtlinien eines Fahrzeugs und verhängt ein vorübergehendes Verbot der Touren.

19. Juli 2011 : Der TÜV-Süd prüft das Bierbike. Das Gutachten ist negativ, der TÜV bemängelt die verkehrliche Sicherheit.

24. August 2011 : Das KVR verbietet das Bierbike in München.

 

 

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