Aus für Startbahn: Jetzt gehen sie auf OB Ude los

55,4 Prozent! Mit einer deutlichen Mehrheit siegen die Gegner des Flughafenausbaus – und die Verlierer trösten sich damit, den OB zu kritisieren
von  Willi Bock

55,4 Prozent! Mit einer deutlichen Mehrheit siegen die Gegner des Flughafenausbaus – und die Verlierer trösten sich damit, den OB zu kritisieren

München - Sie hielten sich fest im Arm und flüsterten immer wieder: „Wir jubeln erst, wenn alles durch ist.“

Katharine Schulze und Christian Magerl von den Grünen und die Aufgemuckt-Sprecherin Helga Stieglmeier fürchteten bei der Wahlparty im KVR, der Trend für die Startbahn-Gegner könnte noch kippen (siehe auch S. 9 in der AZ-Printausgabe). Erst als zwei Drittel der Stimmen ausgezählt waren, da trat ihr Kontrahent OB Christian Ude vor die Mikrofone – und gestand die „glasklare“ Niederlage ein.

Es ist für den Oberbürgermeister die dritte Niederlage in einem Bürgerentscheid: Er war gegen die Tunnel unterm Mittleren Ring (1996), er war für die Hochhäuser (2004) – und jetzt unterlag er im Kampf um eine dritte Startbahn.

Währenddessen stand Flughafenchef Michael Kerkloh wie ein Häufchen Elend unter den Wahlfiebernden im KVR (mehr dazu auf Seite 10 in der gedruckten AZ).

Mit so einem deutlichen Ergebnis hatte im Vorfeld niemand gerechnet: 55,4 Prozent stimmten gegen die dritte Bahn. Nur 46,8 votierten mit der ersten Stimme dafür. Auch die Wahlbeteiligung war mit 32,8 Prozent unerwartet hoch. Nur in Bogenhausen und Altstadt/Lehel hatten die Befürworter eine knappe Mehrheit. Ude: „Das ist ein klarer Wählerwille, der zu respektieren ist.“

Und dann fielen sie sofort über Ude her. Als erster richtete Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle die verbalen Geschütze auf den Münchner OB: „Es ist bemerkenswert, dass er zum dritten Mal in München keine Mehrheit hat.“

„Die SPD war doch in diesem Wahlkampf ein Totalausfall im Bündnis der Befürworter“, schimpfte der FDP-Ratsfraktionschef Michael Mattar: „Der OB war nur selten und der OB-Kandidat Dieter Reiter war nie zu sehen.“ Deren Engagement für die dritte Bahn sei „unterirdisch“ gewesen. Der Landtags-Wahlkämpfer Ude habe sich um das Problem herumgewunden.

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) reihte sich ein in die Phalanx gegen Ude. Zur AZ sagte er: „Die mangelnde Mobilisierung kam auch durch die Zerrissenheit der SPD in München. Da waren manche nur mit halbem Herzen dabei.“ Wenn Ude das Startbahn-Projekt schon jetzt für gescheitert erkläre, „ist das keine verantwortungsbewusste Haltung für ganz Bayern“.

Andere hielten dagegen. „Wo war denn der Herr Ministerpräsident Seehofer die ganze Zeit?“ sprang der SPD-Chef im Rathaus, Alexander Reissl, dem „Ober“ Ude bei.

Ude konterte seine Angreifer, die einmal mit ihm in einem Bündnis waren. Durch seine Spitzenkandidatur für den Landtag sind sie eben auch seine Gegner. „Das ist der peinlichste und jämmerlichste Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen“, giftete er. Schließlich sei es auch ein Projekt der Staatsregierung. Und es sei ein Zeichen von eigener Schwäche, „wenn die CSU sagt, Erfolge sind nur noch möglich, wenn OB Ude Tag und Nacht Wahlkampf macht“.

Auf die Ankündigung von Ministerpräsident Horst Seehofer, den Flughafen zum Thema der Landtagswahl im September 2013 zu machen, entgegnete Ude: „Ich wünsche ihm damit viel Freude in Erding, Freising oder Dachau – oder bei dem Versuch, damit in Franken Zustimmung zu finden.“

Von daher kann Ude froh sein, dass das Thema vorerst vom Tisch ist: Denn seine potenziellen Landtags-Bündnispartner Grüne und Freie Wähler sind wie die Oberbayern-SPD allesamt Gegner der Dritten.

Aber neben Seehofer will es auch der Wirtschaftsminister Zeil weiter spielen: „Ich werde das zum Thema des Wahlkampfs machen.“ Er halte „am Bau der dritten Bahn ohne Wenn und Aber“ fest. Und die CSU wird es sich nicht entgehen lassen, Ude als Verlierer hinzustellen.

Wie geht es nun weiter? Ude wird jetzt im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft gegen den Bau der dritten Startbahn stimmen. Dort müssen alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Also ist der Bau der Bahn gestoppt. Obwohl die Bindungsfrist für einen Bürgerentscheid nur ein Jahr beträgt, sagt Ude: „Eigentlich kann sich vor einer völligen Änderung der Sachlage niemand über dieses Votum hinwegsetzen.“ Er halte auch nichts von „Tricksereien“ – zum Beispiel, dass die Stadt ihren Anteil am Flughafen an Bund oder Land verkauft, die nicht an den Bürgerentscheid gebunden sind (dem Land gehören 51 Prozent, dem Bund 26 Prozent und der Stadt 23 Prozent).

„Das ist ein wunderbares Signal der Solidarität der Münchner für ihre Nachbarn“, sagte Startbahn-Gegner Michael Piazolo lachend.

Ude blickte sehr ernst.

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