Aus für das Tanzverbot? Sind die stillen Tage gezählt?

An Feiertagen wie Karfreitag und Allerheiligen gilt in Bayern ab Mitternacht ein Tanzverbot. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts gibt den Gegnern der Regelung neuen Rückenwind.
von  Abendzeitung
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An Feiertagen wie Karfreitag und Allerheiligen gilt in Bayern ab Mitternacht ein Tanzverbot. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts gibt den Gegnern der Regelung neuen Rückenwind.

MÜNCHEN Kurz vor Karfreitag kocht die Diskussion um die „Stillen Tage“ wieder hoch. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts lässt den Streit um das Tanzverbot neu aufflammen. Das Gericht kippte am Mittwoch eine Strafe des Kreisverwaltungsreferats gegen einen Münchner Szene-Wirt.

Der Münchner Veranstalter Alexander Wolfrum sollte ein Zwangsgeld über 10 000 Euro zahlen, weil er an Allerheiligen 2008 mit einer „Vereinsfeier“ in den Clubs „baby!“, „Milchbar“, „Crown’s Club“ und „Apartment 11“ gegen das Feiertagsgesetz (siehe Kasten) verstoßen habe. Die Strafe wurde ihm nun erlassen, die Verhandlung über 2500 Euro Bußgeld am Amtsgericht steht noch aus.

Das Urteil ist ein starkes Signal für die Münchner Partyszene, auch gegen andere Clubs stehen noch Zwangsgeldverfahren aus. An dem Feiertag vor zwei Jahren wurden auch „M-Park“, „Nachtgalerie“ und „Spielwiese“ kontrolliert und mit Strafen zwischen 3000 und 10 000 Euro belegt.

Nach dem Urteil im Fall Wolfrum besteht nun Hoffnung, dass diese Prozesse ohne Verhandlung wegfallen. Christoph Stein vom Verwaltungsgericht spricht von einer möglichen „Musterentscheidung“. Könnte die Folge sein, dass das Partyverbot an den „Stillen Tagen“ komplett fällt?

Für viele wäre es ein längst überfälliger Schritt. „Den Zwang des Staates zugunsten einer einzelnen Religion finde ich unverhältnismäßig“, sagt Alexander Wolfrum. „Die Regelung ist nicht mehr zeitgemäß“, meint auch Tobias Kraatz vom „M-Park“. Außerdem seien die Maßstäbe oft unterschiedlich. „Keiner der Wirte kann sich darauf verlassen, was das KVR verlangt.“ An Allerheiligen 2007 sorgte eine Ausnahmegenehmigung für die „MTV Music Awards“ in München für Aufruhr. Seither wächst die Kritik am KVR, dass Veranstalter teils willkürlich bestraft würden.

„Diese Praxis ist zu bürokratisch und nicht nachvollziehbar“, sagt Tobias Thalhammer (30). Der Landtagsabgeordnete (FDP) forderte bereits vor einem Jahr eine Novellierung des FTG. Das Tanzverbot solle nicht ab Mitternacht, sondern erst ab 3 Uhr morgens gelten. Das störe niemanden in seiner Religionsausübung. Die CSU stelle sich quer und wolle „mit Scheinargumenten die konservativen Wähler ködern“. Thalhammer wirft der CSU Doppelzüngigkeit vor, weil staatliche Spielbanken an einigen „Stillen Tagen“ geöffnet hätten.

Das KVR, das bis dahin eine liberalere Haltung pflegte, hatte 2008 auf Weisung des Freistaats seine Kontrollen verschärfen müssen. KVR-Sprecherin Daniela Schlegel glaubt auch noch nicht an eine „Musterentscheidung“ des Gerichts und warnt die Gegner der Stillen Tage vor allzu großem Optimismus: „Wir müssen erst einmal die Urteilsbegründung abwarten, um zu sehen, ob die Entscheidung auch auf die anderen Fälle anwendbar ist.“ C. Pfaffinger/J. Schneider

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