Aus der Traum vom EM-Pokal

Fast 50 000 Zuschauer beim Public Viewing im Olympiastadion – und ein Heiratsantrag. Wie die deutschen Fans in München die Finalniederlage gegen Spanien erlebten.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Traurige Anhänger: Christiane Thomas sucht Trost bei Student Jan Heckmann.
Daniel von Loeper Traurige Anhänger: Christiane Thomas sucht Trost bei Student Jan Heckmann.

MÜNCHEN - Fast 50 000 Zuschauer beim Public Viewing im Olympiastadion – und ein Heiratsantrag. Wie die deutschen Fans in München die Finalniederlage gegen Spanien erlebten.

Der Cup scheint zum Greifen nah: Ganz silbern glänzt er über den Köpfen, eingetaucht in ein schwarz-rot-goldenes Farbenmeer. Einer von fast 50 000 Fans hat den EM–Pokal ins Olympiastadion mitgebracht – eine Aluminium-Kopie des begehrten Henkelmanns, den am Sonntagabend die Spanier und leider nicht die deutsche Elf in den Wiener Nachthimmel recken durften.

Seit halb sechs wartet die Menge auf der Tribüne, 90 Spielminuten haben die Münchner mit der Nationalelf gefiebert, wenig gefeiert und viel gelitten. Viele tragen das Nationaltrikot, einige Lederhosen, ein Mädchen hat sich aus der Deutschland-Fahne ein Kleid genäht.

Mehr als drei Stunden haben sich die Fans bei fast 30 Grad warm gesungen. Von der Bühne dröhnen die Hits von Radio Arabella – Moni Littel und Martin Kraus sind für das Aufwärmprogramm zuständig. Und sorgen dafür, dass es zumindest vor dem Spiel einen strahlenden Gewinner gibt: Der 31-Jährige Wolfgang Benning macht seiner Freundin Tina einen Heiratsantrag auf der Bühne. „Ich weiß, dass du es nicht unbedingt magst, wenn ich das öffentlich mache – aber das ist eine einmalige Chance: Willst du mich heiraten?“, fragt er. Bevor er zurück zu seiner Verlobten in den Block eilt, um sich sein Ja-Wort abzuholen, nutzt er noch die Gelegenheit, um seine fußballerische Sicht der Dinge mitzuteilen: „Wir ziehen los mit Köhler und Angela und machen aus den Spaniern Fisch-Paella!“

In die Pfanne gehauen werden dann leider die Deutschen – und der Optimismus der Fans schwindet zusehends: Jan Heckmann (24), der mit seiner Freundin Christiane Thomas (26) „wegen der wahnsinnigen Stimmung“ ins Oly gekommen war, hatte auf 3:2 für Deutschland getippt – dann tröstet der Forstwissenschaften- Student die Studentin der Ernährungswissenschaften aus Freising.

Nach dem 0:1 der Spanier verstummen die Anfeuerungsgesänge, betretene Mienen im Publikum. Auf einen Sieg hatten auch Julia Krainz (19), Johanna Sauer (19) und Daniela Stransky (18) getippt – sich dann aber mit der Niederlage arrangiert: „Die Deutschen haben gut gespielt. Jetzt Freude wir uns halt mit den Spaniern.“

Auch auf der Leopoldstraße schwindet nach der Halbzeit der Optimismus. Felix Standt (17) war sich vor Anpfiff so sicher: „Wir werden zu 100 Prozent Europameister.“ Jetzt blickt der Schüler, der seine Haare zu einem perfekten Irokesen- Schnitt in Schwarz- Rot-Gold gestylt hat, betrübt auf den Biertisch vor sich. Es waren die letzten Plätze, die die Gruppe im Roxy ergattert hat. Von wegen Olé, olé – statt dessen oje, oje.

400 Polizisten sind bereits während des Spiels im Einsatz auf der Leopoldstraße. Ab der zweiten Halbzeit sperren sie die Straße, Fans in Schwarz- Rot-Gold erobern schlendernd den Asphalt. Auch Spanier sind jetzt schon auf der Leo – und Freude sich über das Siegtor. Memo Garcias Morcillio jubelt: „Der Treffer von Torres war einfach . . .“. Für den Rest fehlen ihm die Worte – ein einziger Siegesschrei entlädt sich langgezogen in den Schwabinger Nachthimmel.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.