Augenzeuge des Anschlags in München: "Ich habe den Motor aufheulen gehört"

München – Der Schock setzte bei Michael Jäger erst später ein. Als das Auto in die Menschenmenge raste, war er wie im Tunnel, beschreibt der 30-Jährige. Er habe sich nur darauf konzentriert, wie er den Verletzten helfen könne. Michael Jäger war als Mitarbeiter der Stadtwerke München (SWM) beim Demozug der Gewerkschaft Verdi, die am Vormittag auf dem Weg zur großen Warnstreik-Kundgebung am Königsplatz war. Er sei nur ungefähr 30 Meter von der Stelle entfernt gestanden, an der das Auto auf die Demo-Teilnehmer traf. "Ich habe den Motor aufheulen gehört", berichtet er der AZ, "und dann einen Knall."
Anschlag in München: "Es war volles Chaos"
Zunächst habe er gedacht, das Geräusch sei durch den Aufprall verursacht worden. Später stellte sich heraus, dass es der Schuss war, mit dem die Polizei das Fahrzeug stoppen wollte. Sofort seien viele Menschen in alle Richtungen weggelaufen, sagt Jäger. Er selbst sei zu den Verletzten gerannt, um ihnen zu helfen. Erleichtert habe er aber festgestellt, dass alle bereits von Helfern versorgt wurden. Trotzdem bot sich Michael Jäger eine dramatische Szene: "Es war volles Chaos."
Auch mehrere Meter hinter dem Auto seien noch Verletzte auf dem Boden gelegen. "Ein Bild, das mich nicht loslassen wird, ist ein Verletzter, der mit gebrochenem und abgewinkeltem Bein hinter einem Stromkasten Deckung gesucht hat", berichtet Jäger.
Den 30-Jährigen ärgert eigenen Worten zufolge, dass die Tat bereits nach kürzester Zeit für politische Stimmungsmache genutzt werde. Kaum eine Stunde später hätten bereits "Nazis" im Internet rassistische Hetze verbreitet. Dass Politiker wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) "auf den Zug aufspringen", war für Jäger absehbar, wie er sagt. "Es geht so schnell nicht mehr um die Opfer, das ist nur noch Rassismus."