Auf Ochsentour
The Bosshoss im Zenith: Hoss Power über Nightliner,die Industrie und Country-Rebellen.
Sänger und Gitarrist Hoss Power hat gerade im Hotel eingecheckt und frisch geduscht. Jetzt hat die Band langsam Hunger. Die Berliner Band BossHoss sind Arbeitstiere auf der langen Straße des Country-Rock’n’Roll. Heute Abend spielen sie im Zenith.
AZ: Wie überlebt man im Tourbus?
Das ist schon gemütlich. Unten sitzt man sich an Tischen gegenüber, kann Filme gucken, Musik hören. Es gibt einen Kühlschrank. Und oben sind Stockbetten.
Wo kommt Ihr gerade her?
Wir kommen gerade aus Bottrop. Da macht ein Nightliner Sinn. Man schläft nachts und wacht in München auf.
Ist das nicht irritierend?
Der Vorteil ist, man hängt nicht tagsüber auf der Autobahn im Stau. Der Nachteil ist, man sieht nicht so viel von der Stadt.
Wie lebt man als Cowboy in Berlin?
Ganz normal – als Großstadtcowboy. Wir sind ja nicht die Hufeisenwerfer oder Stallburschen. Wir haben keine Pferde im Stall, eher ein Motorrad.
Gibt es deutsche Städte, die mehr Country-Potential haben als andere?
Je größer die Stadt, desto mehr Country-Haudegen gibt es. Aber zu 90 Prozent spielen wir vor gemischtem Publikum. Vom Popper bis zum Rocker.
Aber das Country-Feeling steht im Mittelpunkt?
Da ist Country-Feeling ganz dick mit drin. Aber der Oberbegriff ist Rock’n’Roll. Da sind auch Punk-Rock und 60ies-Elemente mit drin. Es ist kein puristischer Country, wie man ihn von Truck Stop kennt.
Wenn das Gespräch auf Truck Stop kommt, sagt ihr: Lass mal stecken?
Es gibt super kleinere und unbekanntere Country-Bands. Truck Stop, Tom Astor und Gunter Gabriel sind die Urgesteine und gehen schon eher in die Schlagerecke. Mit Country, finden wir, hat das auch nicht soviel zu tun.
Internationale Vorbilder?
Als wir angefangen haben, hatten wir den Schrank nicht voller Country-Scheiben. Wir haben Country so gemacht, wie wir ihn hören wollten. Ich war 15 Jahre in einer Rockabilly-Rock’n’Roll-Band unterwegs. Aber Boss kommt eher aus dem Hard-Rock-, Metal-Bereich.
Es gibt in Amerika ja zwei Traditionslinien: den konservativen Redneck-Country und die Rebellenfraktion.
Genau. In Deutschland war das total vergessen. Als Cashs Frau starb, gab es dieses Hurt-Video. Das war auf einmal MTV tauglich. Dann kam sein Tod, der Film, „Brokeback Mountain“, Bosshoss und Texas Lightning – da war eine kleine Welle erkennbar.
Hat Country Rebellionspotential?
Er wird im Mutterland auch ein bisschen verhunzt. Wenn du einen Amerikaner fragst, was geile Countrymusik ist, sagt der Shania Twain oder Garth Brooks. Aber ein Typ wie Hank Williams III., der Neffe von Hank, macht rebellischen Rock’n’Roll-Country.
Country-Hard-Rock-Crossover ist doch recht selten?
Er passt halt nicht ins Format von Radiosendern. Wir haben bis zum Erbrechen gehört: Jungs, ist ja ganz witzig und „Hey Ya!“ kann man ja auch mal spielen“, aber im Grund passen wir nicht zwischen Madonna und DJ Ötzi.
Fühlt ihr Euch da stiefmütterlich behandelt?
Wir haben uns schon mehr darüber geärgert. Wir verdoppeln uns etwa in jedem Jahr und haben mehr Leute in unseren Konzerten, als andere Künstler, die im Radio rauf und runter laufen. Wir machen halt die Ochsentour und spielen bis zu 160 mal im Jahr.
Entstand so auch die Entscheidung, ein Live-Album zu machen?
Klar. Die Plattenverkäufe gehen nicht nur bei anderen zurück, sondern auch bei uns. Aber was zumindest bei uns nicht rückläufig ist, ist das Live-Geschäft.
Kann man CDs da mittlerweile vergessen?
Vergessen nicht, aber da verdienen noch ein Haufen Leute mit daran. Die Plattenfirma kriegt in den meisten Fällen 75 bis 80 Prozent. Am Ende des Tages bleiben noch etwa zwei Euro. Aber es ist natürlich eine Frage, wie die Fan-Kultur ist. Wenn man Fan ist, kauft man auch die Scheibe.
Da wäre es doch sinnvoll, sich von der Industrie unabhängig zu machen.
Genau. Was man noch braucht ist ein Vertrieb, Promotion. Pressen kann man das Ding letztlich selber.
Gab es da mal Überlegungen, sich von der Industrie unabhängig zu machen?
Gab es schon. Wir gehen den Weg, aber jetzt noch nicht. Bei Universal sind wir relativ zufrieden. Die lassen uns in Ruhe, und wir können machen, was wir wollen. Wir sind bis 2010 gebunden und dann werden wir sehen.
Christian Jooß
Zenith, Lilienthalallee 29, 20 Uhr, Eintritt: 31,50 Euro
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