Auf eine Weißwurst mit Franziska Wanninger: Wäre die Fastenpredigt was für Sie?

Gekonnt schneidet Franziska Wanninger die Weißwurst längs auf und holt sie dann stückweise aus der Pelle. Zuzeln könne sie schon auch, sagt die gebürtige Niederbayerin, die gerade die Bühnen stürmt. "Des hab ich als Kind so gemacht, heut mag ich das aber nicht mehr." Obwohl die Wahl-Münchnerin (35) erst seit einigen Jahren die Kleinkunstszene rockt, vergleichen viele sie schon mit Luise Kinseher, die als "Mama Bavaria" am Nockherberg den Politikern einschenkt. Der Dialekt jedenfalls passt schon mal. Die Löwenmähne auch. Und die "Goschn wie ein Maschinengewehr" – schaun ma mal.
AZ: Frau Wanninger, letztes Jahr waren Sie Rednerin bei der Wiesnkrug-Vorstellung. Da granteln Sie in Ihrer Rolle als Wiesn-Bedienung – und erzählen, wie man statt lästiger Kaiserschmarrn-Bestellungen von den Gästen schnelle Hendl-Bestellungen bekommt. Haben Sie im Bedienungskammerl gelauscht?
FRANZISKA WANNINGER: Auf die Nummer hat mich ein Freund gebracht, der Jahre auf der Wiesn bedient hat: Der hat mal erzählt, wie umständlich man als Bedienung anstehen muss, um was Anderes als das Übliche aus der Küche zu holen. Und dass die Bedienungen dann den Gästen halt das Blaue vom Himmel erzählen, damit die a Hendl bestellen.
Da schau her.
Die Damen sind ja schon schlau. Im Schlachthof kenne ich auch einen Kellner, der so eine Gschicht erzählt hat.
Aha, die Männer ratschen.
Ja, lustig, oder?
Und was sagen jetzt die Bedienungen dazu?
Die haben sich weggeschmissen bei der Nummer. Bei der Krugvorstellung waren ja nicht nur die Wiesnwirte da, die Promis, die Presse. Ganz am Rand sind auch acht, neun, zehn Bedienungen gesessen. Als die nach der Rede gesagt haben "Mei, genau so is des, des hast perfekt getroffen", war das eine echte Auszeichnung für mich.
Sie spielen auch eine Klofrau-Nummer oder den Preißn-Besucher. Gehen Sie gern auf die Wiesn zum Leute beobachten?
In meiner Jugend war ich lieber auf dem Volksfest daheim in Karpfham.
Ein kleiner Ort in Niederbayern ...
... ja, aber mit dem drittgrößten Volksfest in Bayern! Da gibt’s genauso Bierzelte und Fahrgeschäfte und Autoscooter. Damals war mir auf der Wiesn alles zu teuer, zu krass irgendwie. Auch in den Zelten. Aber als Kind war ich mit meinen Eltern schon fast jedes Jahr auf der Wiesn.
Heute gehen Sie gern hin?
Oh ja. Zwei Termine habe ich jetzt schon da. Und auf die Oide Wiesn gehe ich sicher öfter.
Gibt’s ein Wiesn-Highlight?
Letztes Jahr war ich für ein Fernsehinterview auf dem Oktoberfest hergerichtet wie ein Pfingstochs. In einer Pause hab ich mich beim Schichtl reingesetzt. Alle anderen hatten wegen dem Regen dunkle Jacken an. War eigentlich klar, dass der Schichtl dann mich gesehen hat unter den ganzen Leuten. Also hat er mich geköpft.
Schlimm?
Schon komisch. Aber ich habs überlebt.
Wie dürfen wir uns eigentlich den Einödhof aus dem Landkreis Altötting vorstellen, auf dem Sie aufgewachsen sind?
Im Ort gibt’s 13 Einwohner.
Im ganzen Ort?
Wobei: Jetzt sind welche gestorben. Und welche weggezogen. Und eine Familie neu eingezogen.
Dann sind es jetzt...?
Zehn. Zehn Menschen in fünf Häusern.
Gerhard Polt? "Ich habb immer gemocht, wie ers macht."
Wie bekommt man bei so überschaubarem Publikum so ein Mundwerk wie Sie?
Das ist angeboren. Mein Opa war Schauspieler. Der hat so viele Sprüche und Witze draufgehabt. Der hat immer ganze Tische unterhalten. Leider ist er gestorben als ich sechs war.
Der Opa war Ihr Vorbild?
Ich fand den schon super.

Fachmännischer Weißwurst-Schnitt: Die Wahl-Münchnerin mit den beiden AZ-Redakteurinnen Irene Kleber (l.) und Anja Perkuhn. Foto: Bernd Wackerbauer
Oder doch Gerhard Polt, über den Sie Ihre Zulassungsarbeit an der Uni geschrieben haben?
Den Polt kenne ich natürlich seit meiner Kindheit aus dem Fernsehen. Aber ich hab immer schon Leit beobachtet und Gschichtn geschrieben, als Kind schon. I glaub net, dass der Polt da schon einen Einfluss hatte. Aber ich hab immer gemocht, wie ers macht.
Sie haben als Kind schon geschrieben?
Ich war gefürchtet bei meinen Deutschlehrern, weil ich immer drei Seiten mehr abgegeben hab als die anderen.
Was stand drin?
Ich habe die Leute in den Geschichten halt sehr genau beschrieben. Wie einer geht, wie eine redet, wie die sich freuen. Und nachgemacht habe ich Menschen auch schon im Grundschulalter: Freunde, Freunde meiner Eltern, Lehrer. Mei, Franziska, haben’s immer gesagt, du bist einfach so lustig.
In Ihrem ersten Programm geht es um die "Hinterfotzigkeit des Landlebens". Wie viel davon gibt’s in München?
Kaum was, Gottseidank. Hier gibt es zwar auch Hausgemeinschaften, aber man lebt ja viel anonymer. Nicht wie in einem Dorf, wo jeder weiß, wann der Nachbar gestern heimgekommen ist. Oder dass einer humpelt. Und dass der Nachbar da ein anderes Auto in der Einfahrt stehen hat, ja hat jetzt der eine Geliebte?
Der Münchner ...
... genießt sein Leben mehr. Auf dem Land hast du immer den Eindruck, du musst arbeiten. Wenn einer Samstagfrüh zum Radlfahren geht, heißt’s sofort: "Hat der koa Arbeit?" Oder wenn am Sonntag deine Rollos um neun noch unten hast: "Hat der Alkoholprobleme?" Ich erlebe den Münchner als gemütlichen Typ, der entspannt Feierabend macht, indem er sich zum Beispiel abends an die Isar setzt, und notfalls einen Dackel dabei hat. Einer, der am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag sein Leben genießt – obwohl ja eigentlich so viel dagegenspricht, weil München die teuerste Stadt ist in Deutschland und man sich gar nicht so viel leisten kann. Ich finde das schön, weil: Das Leben ist eh so kurz.
Sie sammeln Ideen, indem Sie Menschen beobachten. Haben Sie einen Lieblingsort dafür?
Cafés sind super – und wenn mir da was einläuft, schreibe ich das auch mit.
Wo zuletzt?
Im Glockenbachviertel hört man interessante Sachen. Ein Gespräch zwischen zwei Hundefriseuren zum Beispiel. Die reden dann halt in ihrem Hundefriseuren-Sprech. (Sie zieht die Stirn in Falten, die Oberlippe kraus und redet nasal weiter:) "Nee, ich hab das Appointment erst um zwei, da muss ich dann gucken" oder so. Sowas finde ich cool und schreibe mit.
Wo haben Sie den letzten Münchner Grantler gehört?
Beim Schuhmacher in meinem Viertel. Ich hab meine Stiefel zum Richten hingebracht. Und auf einmal fängt der ohne Anlass das Schimpfen an. Geht total auf in seiner Wut über einen, der in der S-Bahn neben ihm saß und was gegessen hat.
Spielen Sie das mal für uns?
(Sie poltert los:) "Da schau amoi, da sitzt er da und friiisst vor si hiiii...!" Wie der total ausgerastet ist, das fand ich super. Das habe ich dann verwendet in der Wiesnkrugrede.
Haben Sie noch eine Szene mit einer Frau auf Lager?
(Denkt minutenlang nach.) Schwierig. Ich finde Männer wirklich spannender zu spielen, und lustiger.
Derblecken am Nockherberg, wäre das was für Sie?
Weil die nicht so drauf achten, ob sie was Albernes machen?
Stimmt. Ich glaube, Frauen sind viel kontrollierter, dadurch geben sie für mich weniger her.
Welchen Münchner Politiker würden Sie gern parodieren?
Ach mei, ich kann zwar Menschen parodieren, aber keine echten Personen eins-zu-eins. Da gibt es Kollegen, die das viel besser können.
Derblecken am Nockherberg wäre nichts für Sie?
Ich glaube nicht.
Die Fastenpredigt?
Das macht die Luise Kinseher schon ganz großartig. Bevor ich mir so eine Rede ausdenke, schreib ich lieber eine neue Figur oder eine schöne Gschicht.
Viele Ihrer Fans nennen Sie trotzdem schon die "neue Kinseherin". Gefällt Ihnen das?
Das ist mir schon gesagt worden, als ich 2011 mein erstes Programm gespielt habe. Und da hatte ich die Luise noch nie auf der Bühne gesehen. Freut mich natürlich, mit so einem Namen verbunden zu werden. Wir sehen uns ähnlich, klar, wir stehen beide auf der Bühne und spielen Figuren, wir kommen aus Bayern. Aber wenn man genau hinschaut, ist das auch schon alles.
Dass Sie den Sprung auf die Bühne gewagt haben: Wem verdanken Sie das?
Die Idee hat mir wohl Monika Gruber gegeben. Ich habe sie vor gefühlt hundert Jahren in Straubing live gesehen. Das war, als wenn mich der Blitz getroffen hätte, ich war so beeindruckt, wie diese Frau sich da einfach hinstellt und zwei Stunden lang redet. Da war mir klar: Das will ich auch.
Es dauerte aber noch etwas.
Ja, bis Ende 2010. Die Initialzündung haben mein guter Freund und Drehbuchautor Christian Lex und eine Schauspiellehrerin gegeben, bei der ich in Los Angeles auf der Schauspielschule gelernt habe. Sie haben mich ermutigt, mal selbst was zu schreiben. Dann hab ich mir gedacht: Ich geh jetzt genau ein Mal mit eigenen Texten auf die Bühne im "Vereinsheim", und wenns funktioniert, ist das mein Beruf. Wenn nicht, mache ich das nie wieder. Naja, es hat funktioniert.
Können Sie inzwischen von der Bühne leben?
Ja, kann ich. Manchmal habe ich vier Auftritte in der Woche, im Sommer manchmal nur drei im Monat, aber es geht sich schon aus, das reicht.
Wo wollen Sie noch hin?
Ach, wo will man hin? Ich würd gern wieder ein bisschen mehr als Schauspielerin arbeiten. Demnächst habe ich eine kleine Rolle in einem Kurzfilm, einer Filmproduktion von ganz jungen Leuten, in dem ich eine Stadtkämmerin spiele. Aber ich bin jetzt schon recht zufrieden!
Am Freitag, 22. September, ist Franziska Wanninger mit ihrem Programm "AHOIbe" im Wirtshaus im Schlachthof zu sehen (20 Uhr/AK: 20 Euro). Dort beginnt auch am 17. Februar 2018 ihre Tour mit dem neuen Programm "Furchtlos glücklich".