Auf der Suche nach Güte
Im Ampere stellt Anne Clark ihr neues Album „The Smallest Acts Of Kindness“ vor.
Hinter Anne Clarks Stimme schuftete über lange Karrierestrecken die entmenschte Maschine, schlossen und öffneten sich Schaltkreise. Das große ästhetische Potential der Elektronik im digitalen Zeitalter ist ihre Todeskälte, die auch durch einen heiß laufenden Prozessor nicht aufgetaut wird. Wenn Anne Clark Instrumente einsetzt, stehen sie mit der Verlorenheit des menschlich Unperfekten vor der gnadenlos unfehlbaren Kulisse.
1982 erschien das erste Album der Britin. In ihrem Heimatland hatte die Punk-Welle der späten 70er mit Bands im Gefolge von den Sex Pistols und The Clash die bourgeoise Pop-Kultur weggespült wie eine Welle Salzsäure. Gerade dieser verätzte Raum wurde zum Freiraum für die Entwicklung neuer Formen. Ab Ende der 70er regierte in Großbritannien der Thatcherismus mit zunächst stark steigenden Arbeitslosenzahlen und einer Premierministerin, deren Frisur nur das augenfälligste Zeichen ihrer Unnahbarkeit war.
Das gesprochene Wort hat Vorrang
„Als Schläfer in Metropolis bist du unbedeutend“, sprach die Clark 1984. In „Sleeper in Metropolis“ beschrieb sie, wie das System die Träume einsponn. „What a waste!“ Das Humanpotential schockgefrostet durch die unangreifbare Stadt-Staat-Wirtschafts-Maschine.
Anne Clark ist keine Sängerin, sie ist eine Lyrik-Performerin. Das gesprochene Wort hat Vorrang vor der Melodie, im Minimalismus der Klänge schafft sich der Sprachklang seinen eigenen Rhythmus. New Wave hatte den Zynismus des Punk schon hinter sich gelassen. Kern dieses Genres ist natürlich die Sehnsucht nach menschlicher Wärme, die kalte Klangkulisse ist hörbar gemachte Qual.
„The Smallest Acts Of Kindness“ heißt Clarks aktuelles Album, auf dem neben bereits von ihren Konzerten bekannten Tracks auch neue Nummern zu finden sind. Die Suche nach den Fitzeln menschlicher Güte ist bei Clark keine hektische. Zehn Jahre hat sie sich seit ihrem letzten Album Zeit gelassen. Und zeigt natürlich auch mit dieser Veröffentlichungshaltung, dass sie nicht bereit ist, die Stimme der Lyrikerin zwischen den hektisch rotierenden Rädern des Systems zerreiben zu lassen.
Ampere, Zellstraße 4, 20.30 Uhr, Eintritt: 25 Euro, weitere Infos: www.muffathalle.de
Christian Jooß
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