Attacke am Ostbahnhof: Stich aus dem Nichts
München Dominic B. (48) stand am 14. Februar um 19.52 Uhr an der Trambahnhaltestelle am Orleansplatz, wartete auf die Linie 19 und steckte sich gerade eine Zigarette an. Plötzlich lief ein Mann auf ihn zu, rief „Polizei, Polizei“ und versuchte den völlig verblüfften Frührentner mit einem Krummdolch zu treffen. Dominic B. wich aus. Ein Mal, zwei Mal, dann erwischte ihn das Messer doch, traf ihn oberflächlich am Bauch.
Die Tat aus dem Nichts hinterließ Spuren bei dem Opfer. „Ich habe eine Woche bei Freunden übernachtet“, berichtet Dominic B. im Prozess. Inzwischen sei der Kratzer aber längst verheilt und auch die seelischen Wunden geschlossen.
Rajiv G. (39, Name geändert) räumte die Tat gestern über seinen Anwalt Nicolas Frühsorger ein. Konkrete Erinnerungen habe er aber nicht mehr an den Vorfall am Ostbahnhof. Die 8. Strafkammer unter dem Vorsitz von Gilbert Wolf muss entscheiden, ob der Inder weiter in der Psychiatrie untergebracht werden muss, weil von ihm eine Gefahr ausgehe.
Sein Motiv bleibt jedenfalls im Dunkeln. Im Gespräch mit dem Psychiater und Gerichtsgutachter Matthias Hollweg hatte der 39-jährige Familienvater zwar erklärt, dass er geglaubt habe, das Opfer lache ihn aus. Im Prozess konnte er sich aber nicht daran erinnern.
Warum er zwei Dolche dabei gehabt habe, weiß Rajiv G. aber noch. Der Dolch gehöre neben Haaren, dem Kamm, den Baumwollshorts und dem Armreif zu den fünf Dingen, die ein gläubiger Sikh immer bei sich trage. Der Dolch diene dabei der Verteidigung.
Rajiv G. hat einen radikalen Image-Wechsel hinter sich. Zur Tatzeit sah er mit Turban und Vollbart noch ganz anders aus. Den Turban musste er im Gefängnis ablegen. Und auch der Bart ist ab.
Der 39-Jährige ist beliebt, gilt als sanftmütig. Im Krankenhaus in Haar hat man sogar für ihn gesammelt, damit er nach seiner Entlassung das Geld für einen Flug nach Indien zu seiner Familie beieinander hat.
Zur Tatzeit hat Rajiv G. nach Ansicht der Mediziner wohl unter einer schizophrenen Psychose gelitten, die sei aber dank der Artzney abgeklungen. Der 39-Jährige könnte, wenn er ambulant weiter behandelt wird und seine Artzney nimmt, in die Freiheit entlassen werden, da von ihm dann keine Gefahr ausgehe.
Das Urteil soll am Donnerstag fallen.
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