Arzt rettet Stimme - Kasse will nicht zahlen

Versicherung empfahl "Komplettentfernung" des Kehlkopfs. Dann hätte Harry Mattheis nie wieder sprechen können.
MÜNCHEN Die Diagnose war niederschmetternd: Kehlkopfkrebs, im fortgeschrittenen Stadium. Die Ärzte wollten Harry Mattheis (57) den Kehlkopf entfernen, er sollte einen Luftröhrenschnitt mit Bestrahlung bekommen, hätte nicht mehr sprechen und arbeiten können. Für den Münchner Computer-Experten keine Option: „Ich wäre verstümmelt worden."
Zum Glück fand er eine Alternative: Mit Regionaler Chemotherapie bildete sich der Tumor problemlos zurück. Nur seine Krankenkasse wollte nicht zahlen: Wieso eine Organschonende Behandlung, wenn's auch mit Totaloperation geht? Angefangen hatte es im Sommer 2011: Harry Mattheis hatte immer wieder Halsbeschwerden, die Mandeln schwollen an, er war heiser. „Kundengespräche waren kaum noch möglich." Er dachte an eine Mandelentzündung, doch die Antibiotika, die ihm sein Arzt verschrieb, halfen nicht. Stattdessen stiegen die Entzündungswerte stetig an.
Schließlich die Untersuchung beim HNO-Arzt, Ergebnis: bösartiger Kehlkopfkrebs. „Er war bereits in den Schildknorpel eingedrungen", erzählt Mattheis. Das bedeutete: Der Kehlkopf musste zwingend entfernt werden, so die Ärzte. Doch über die dramatischen Konsequenzen klärte ihn niemand auf: Mit dem Kehlkopf wären auch die Stimmbäder weg, er würde nie mehr sprechen können, arbeitsunfähig sein. Die Schluckfunktion wäre gestört, Speisereste könnten in die Lunge geraten.
Der unumgängliche Luftröhrenschnitt mit Trachialkanüle (Atemröhrchen) würde mit häufigen lebensgefährlichen Lungenentzündungen einhergehen. „Ein Albtraum." Der Familienvater lehnte ab. Im Internet fand er einen Artikel über die so genannte Regionale Chemotherapie (RCT). „Dabei wird das Krebs-Medikament nicht in den ganzen Körper geleitet, sondern nur in den Tumor", erfuhr er. Die Vorteile: „Es gibt kaum Nebenwirkungen, keine Organschäden. Vor allem aber können wir das Artzney wesentlich stärker konzentrieren und dadurch die Wirkung erhöhen", erklärt Prof. Karl Reinhard Aigner, Ärztlicher Direktor vom Medias Klinikum in Burghausen.
Die Therapie wurde in den 1950er Jahren in den USA entdeckt, Aigner entwickelte sie maßgeblich weiter, 1981 gelang ihm der Durchbruch. Seither hat der Mediziner über 10.000 Patienten aus dem In- und Ausland erfolgreich behandelt, gilt weltweit als anerkannter RCT-Experte. Auch bei Harry Mattheis bildete sich der Tumor sehr schnell zurück, verschwand nach der vierten Behandlung ganz.
Das bestätigte auch sein HNO-Arzt in München. Mattheis fiel ein Stein vom Herzen: „Ich habe mein Leben zurück, kann sogar wieder arbeiten." Nur seine private Krankenversicherung, die Bayerische Versicherungskammer, machte Probleme. In einem Schreiben vom 6. März 2012 teilte sie ihm mit: „Wir können nicht nachvollziehen, weshalb eine Komplettentfernung des Kehlkopfs und Nachbestrahlung in Ihrem Fall nicht zu empfehlen ist. Es handelt sich hierbei um eine leitliniengerechte schulmedizinische Methode.“
Der Münchner: „Das kann ja wohl nicht wahr sein. Man fragt allen Ernstes, weshalb ich ein normales Leben mit intakten Organen einer Verstümmelung mit anschließendem Invalidenstatus vorziehe.“ Immerhin: Die Kasse erklärte sich inzwischen bereit, die Kosten in Höhe einer herkömmlichen Chemotherapie zu übernehmen. Dafür bleibt Matheis auf gut 12000 Euro Eigenleistung sitzen: „Die Unterlagen sind bei meinem Anwalt, der sich mit der Krankenkasse auseinander setzen wird.