Arme wieder angenäht: Patient dankt seinen Münchner Ärzten
MÜNCHEN - Vor sechs Jahren trennte ein Häcksler Bauer Karl Merk aus dem Allgäu beide Arme ab, vor zwei Monaten wurden ihm Gliedmaßen eines Hirntoten transplantiert - jetzt kann er schon wieder seine Finger bewegen
Die Mediziner auf dem Podium lächeln und scherzen, die Hauptperson schaut etwas irritiert ins Blitzlichtgewitter: Karl Merk, Milchbauer aus dem Allgäu, – und vor allem der bislang einzige Mensch weltweit, dem zwei komplette Arme transplantiert wurden. Gestern stellte sich der 54-Jährige erstmals der Öffentlichkeit.
„Ich war überwältigt, als ich gesehen habe, dass ich wieder beide Arme hab’. Dieses Gefühl kann man gar nicht beschreiben“, schildert Merk den Moment, als er am 26. Juli 2008 aus der Narkose erwachte. Hinter ihm lag eine Marathon-OP: Ein 40-köpfiges Team vom Klinikum rechts der Isar hatte 15 Stunden lang gearbeitet. Eine Gruppe hatte Karl Merks Körper auf die neuen Gliedmaßen vorbereitet, eine andere dem Spender die Arme abgenommen. Bei dem jungen Mann aus Bayern war kurz zuvor der Hirntod festgestellt worden.
„Ich möchte mich bei ihm und seinen Angehörigen herzlich bedanken. Ohne ihn wäre das alles hier nicht möglich gewesen“, sagt Karl Merk jetzt und hebt seine Arme ein Stückchen an. Sie stecken in einem Gestell aus Bändern, Ketten und Verbänden, weil die Muskeln noch zu schwach sind.
Um sie aufzubauen absolviert der Landwirt täglich ein umfangreiches Trainingsprogramm. Mit ersten Erfolgen: „Ich kann wieder Türen öffnen, das Licht einschalten und auf die Fernbedienung drücken“, sagt Merk zufrieden.
Außerdem spürt er ein erstes „Kribbeln“ in seinen neuen Armen. Bis die Nerven vollständig regeneriert sind, werden allerdings noch bis zu zwei Jahre vergehen.
"Wir werden jeden Tag aufs Neue überrascht"
Schon jetzt sind die Mediziner zufrieden: „Wir werden jeden Tag aufs neue überrascht“, freut sich der Leiter des Transplantationsteams, Professor Christoph Höhnke. „Der Heilungsprozess verläuft besser als wir erwartet hatten“, sagt der plastische Chirurg Edgar Biemer. „Bislang gab es keinerlei Abstoßungsreaktionen und der Patient verträgt seine Artzney sehr gut“, berichtet Oberarzt Manfred Stangl.
Von all dem hätte Karl Merk 2002 vermutlich nicht zu träumen gewagt. Damals, als er seine Arme verlor. „Der Maishäcksler war kaputt“, erinnert er sich an den regnerischen Tag, der alles veränderte. „Ich habe den Fehler gesucht, bin ausgerutscht und mit dem Arm in die Walze geraten.“
Als er mit dem anderen versuchte sich zu befreien, wurde auch dieser in die Maschine gezogen. Beide Arme wurden oberhalb der Ellenbogen abgetrennt. „In fünf Sekunden war alles vorbei“, sagt Merk. „Plötzlich konnte ich gar nichts mehr selber machen. Es war sehr hart.“
Jahrelang experimentierte Merk mit verschiedenen Prothesen – doch keine passte so richtig. Dann wurde er im Fernsehen auf die Transplantations-Experten vom Klinikum rechts der Isar aufmerksam und trat mit ihnen in Kontakt.
Heute ist er der prominenteste Patient des Krankenhauses und wird von allen umsorgt. „Die Schwestern blättern mir schon automatisch die Zeitung um, wenn sie vorbei kommen“, erzählt er mit einem Schmunzeln.
Trotzdem will Karl Merk so schnell wie möglich „heim zu meiner Familie und meinem Hund“. Doch bis vor Ort eine passende Therapieeinrichtung gefunden ist, wird es laut Klinikleitung noch zwei bis drei Wochen dauern.
Schon jetzt ist Karl Merk voller Zuversicht. „Ich freue mich darauf, irgendwann wieder selbst essen zu können, mich selbst anzuziehen und vielleicht eine Runde Motorrad zu fahren“, sagt er. Auf seine neuen Gliedmaßen lässt der Landwirt nichts kommen: „Ich stehe voll hinter meinen Armen – da fließt mein Blut durch, das sind meine und ich geb’ sie auch nicht mehr her.“
Natalie Kettinger