"Architektouren": Bauen fürs Klima?

Es sind nicht unbedingt die schlechtesten Sanierungen, die übersehen werden. Im Fall des Münchner Amerikahauses müsste man sich sogar wundern, dass kein Sternenbanner mehr überm Eingang hängt - würde am Karolinenplatz nicht der nervige Einfädelverkehr so sehr ablenken. Tatsächlich wurde die Fassade auch nur dezent aufgefrischt, der charakteristische Kubus mit seiner lichten Rotunde ist durch WWA Architekten vor allem im Inneren einer beträchtlichen Überholung unterzogen worden. Nun bildet er an diesem Wochenende ein Highlight der Architektouren.
Amerikahaus galt als Zeichen für bessere Zeiten
Wobei sich die Termine fabelhaft kreuzen, denn das eben gestartete Münchner Filmfest hat das Amerikahaus zum Festivalzentrum umfunktioniert. Das passt zum Thema Aufbruch, den jetzt nach den harten Corona-Phasen alle Beteiligten auf ihre Fahnen geheftet haben.

Denn gerade dieses markante Zeugnis der Nachkriegsmoderne gilt seit seiner Eröffnung im Jahr 1957 als Zeichen für eine bessere Zukunft. Die Transparenz und Klarheit des von Karl Fischer und Franz Simm konzipierten Gebäudes standen im Gegensatz zur düsteren, oft kraftmeierischen NS-Architektur.
Durch eine Sanierung ist das Kulturhaus jetzt kinotauglich
Dieser Swing - im Konzertsaal haben einst die Großen des Jazz gespielt - vermittelt bis heute Leichtigkeit und die Aufforderung, sich nicht zu ducken, sondern vielmehr durchzuatmen, nach oben zu blicken. Die 27 Millionen Euro sind jedenfalls gut angelegt. Im frisch mit Eichenholz getäfelten Saal gibt es nun eine ausziehbare Leinwand, die das Kulturhaus Filmfest- und überhaupt kinotauglicher macht.
Und nachdem die letzten Architektouren ins Netz verbannt werden mussten, kann das Amerikahaus auch erst in diesem Sommer, exakt zwei Jahre nach der Wiedereröffnung, vor Ort mit den Verantwortlichen besichtigt werden.

"Architektouren" ermöglichen Zugang zu sonst verschlossenen Gebäuden
Es gibt also einiges nachzuholen. Über manches haben sich die Münchner schon vor Monaten gefreut, gewundert oder echauffiert wie etwa über die reich ornamentierte "FC Bayern World" an der Weinstraße, die auch in der Abendzeitung recht unterschiedlich beurteilt wurde. Am Samstag stellten sich die Vertreter von Hild und K Architekten und vom deutschen Rekordmeister den Fragen - und man musste keineswegs die Fanposition einnehmen.
Das Besondere an den Architektouren ist freilich die Tatsache, dass man auch in Gebäude kommt, die den meisten sonst verschlossen bleiben. Dazu gehört das Bayerische Landwirtschaftsministerium an der Ludwigstraße 2.
Durch das Architekturbüro Ludwig Kufmüller wurde der etwas schwerfällige, denkmalgeschützte 1930er-Jahre-Bau im Inneren mit viel Weiß aufgehellt und an markanten Stellen u. a. durch leuchtendes Grasgrün - das passt doch zur Landwirtschaft - oder Ultramarinblau aufgepeppt.
Auch das Plusenergiegebäude "StadtNatur" in Riem wird gezeigt
Genauso sperren die Häuslebauer auf und gewähren Einblick in ihre Privaträume. In Riem ist das gleich eine ganze Baugemeinschaft mit dem vielsagenden Namen StadtNatur GBR, die 35 Wohneinheiten an der Elisabeth-Baerlein-Straße in einem sogenannten Plusenergiegebäude untergebracht hat. Das toppt selbst das Nullenergiehaus, weil durch Photovoltaik und andere Vorrichtungen sogar noch Energie gewonnen wird.
Nachhaltigkeit und eine gute Energiebilanz stehen auch im Bogenhausener Nest P#02 im Vordergrund. 61 individuell geplante Wohneinheiten sind an der Ruth-Drexel-Straße im Prinz-Eugen-Park entstanden (So 15 bis 17 Uhr).
Atlas Hochhaus: Nur die Fassade wurde erneuert
Und wie schaut's bei umfrisierten Hochhäusern mit der Umweltverträglichkeit aus? Da ist das recycelte Atlas Hochhaus hinterm Ostbahnhof ein interessantes Beispiel. Denn hier wurde großen Wert auf umweltschonende Materialien, eine nachhaltige Bauweise und einen energieeffizienten Gebäudebetrieb gelegt. Statt den Turm abzureißen, hat man sein Skelett aus dem Jahr 1982 erhalten und weiter genutzt. Gänzlich neu ist neben der Baumasse die doppelschalige, hinterlüftete Glas-Alu-Fassade.
Nachdem die Bau- und Gebäudewirtschaft einer der größte Treibhausgasverursacher ist, sind solche Objekte zukunftsweisend. Allein die Zementherstellung ist für 8 Prozent des CO2 verantwortlich. Der Vergleich mag schräg klingen, aber wäre die Produktion von Zement ein Land, dann würde sie hinter China und den USA an dritter Stelle liegen.
Veranstaltungen zum Thema "Stadtleben" an 32 verschiedenen Orten
Wie das mit dem enormen Wohnraumbedarf zusammengehen soll, wissen die Götter. Doch auch darüber kann man sich auf den Architektouren Gedanken machen und die eine Architektin oder den anderen Bauherren darauf ansprechen. Oder das Gespräch während der siebten Ausgabe der Architekturwoche suchen, die am Samstag von Stadtbaurätin Elisabeth Merk um 18 Uhr am Isartor eröffnet wurde.
Quer durch München gibt es an 32 Orten Veranstaltungen zum Thema "Stadtleben". Und wie auf den Architektouren stehen bei dieser Initiative des Bunds Deutscher Architektinnen und Architekten die ganz realen Erkundungen der Stadt, deren Entwicklung und der Austausch darüber, was eine Stadtgemeinschaft weiterbringt, im Zentrum. Nach den Auftaktreden ging es zum Beispiel um die Frage "Wem gehört die Stadt?". Das ist der Knackpunkt, an dieser Entscheidung hängt letztlich die urbane Zukunft.
Architektouren 2022: Samstag und Sonntag, Objekt-Booklet mit Terminen als pdf über www.byak.de
Architekturwoche A7: Samstag bis Freitag, 1. 7., Information auf www.architekturwoche.org. Siehe auch "Historisches Grün in der Innenstadt"