Apotheken streiken auch in München: "Kaputt sparen? Nicht mit uns!"

München - Trillerpfeifen, Rasseln, weiße Kittel und gelbe Westen: Münchens Apothekerinnen und Apotheker haben sich auf den bundesweiten Protesttag ihrer Berufsgruppe gut vorbereitet. 200 Teilnehmer waren beim Kreisverwaltungsreferat am Gärtnerplatz angemeldet. Es sind eher 300 oder mehr, die sich am Mittwochvormittag versammeln.
Pünktlich um elf Uhr nimmt Peter Sandmann das Mikrofon in die Hand. Der München-Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands steigt auf eine Parkbank, erzählt, warum sie zusammengekommen sind und Krach machen. "Apotheken kaputt sparen? Nicht mit uns!", skandiert die Gruppe.
Streik in München: Apotheken leiden unter Gesundheitsreform
"Herr Lauterbach, so geht es nicht weiter", ruft Sandmann, der in der Stadt selbst drei Apotheken führt, dem Bundesgesundheitsminister (SPD) zu. Apotheker verlangen vor allem ein höheres Fixum – das ist der Anteil, den Pharmazeuten pro verschreibungspflichtigem Medikament einbehalten dürfen. 8,35 Euro beträgt er, "egal wie teuer das Medikament ist", sagt Sandmann. Zwölf Euro seien künftig unbedingt nötig.
Seit 20 Jahren sei dieser Anteil "nur einmal angepasst worden, von 8,10 auf 8,35 Euro. Bei fast 50 Prozent Inflation – das ist ein Witz!" So könne man kaum kostendeckend arbeiten. Deshalb hätten im selben Zeitraum 3500 Apotheken bundesweit geschlossen. Beifall und schrille Trillerpfeifen branden auf. In München hat laut dem Statistischen Amt in den letzten 15 Jahren jede fünfte Apotheke zugemacht, nur noch 320 versorgen nun die Stadt.
Münchner zeigen sich solidarisch mit den Streikenden
Viel Verständnis für die Streikenden ist derweil in der Stadt zu hören. Die Apotheker hätten doch mit allem recht, was sie sagen, sagt etwa Julia H. (30), die gegen Mittag im Stachus-Untergeschoss geduldig vor der Central-Apotheke wartet, die Personalerin braucht dringend ein Antibiotikum, das ihr am Morgen ein Arzt verschrieben hat.
Etwa zwölf Menschen stehen mit ihr in der stetig wachsenden Warteschlange – die Central-Apotheke ist eine von nur elf Münchner Apotheken, die an diesem Streiktag zum Notdienst eingeteilt sind und so trotz Streiks den ganzen Tag und auch noch die Nacht geöffnet sind.
Durch die Tür und durch eine kleine Durchreiche geben Mitarbeiter seit dem Morgen in großem Tempo Medikamente aus. Auch Kundin Elisabeth L. (30), hochschwanger, braucht ein Antibiotikum, Katrin W. (47) weiter hinten in der Schlange steht für ein Hautmedikament an, "ich kann damit nicht bis morgen warten", sagt sie, und "der Notdienst hier ist gut organisiert, es geht ja alles sehr schnell".
Der Streik zeigt, wie wichtig die Apotheken sind
Oben in der Fußgängerzone rätseln derweil zwei junge Männer, warum die Internationale Ludwigs-Apotheke geschlossen ist. Gleich neun Streikplakate hängen dort in den Schaufenstern. Aber Ahmed (34) und Asis (27), die ein Magenmedikament brauchen, sprechen nur englisch – und sind froh, dass Passanten ihnen weiterhelfen.
Ansonsten sind es wohl viele Arzthelferinnen, die für Praxispatienten herumtelefonieren, wo am Streiktag in München doch Medizin zu bekommen ist. Reihenweise sind Menschen so auch aus entfernteren Vierteln zur Ursula-Apotheke an die Münchner Freiheit in Schwabing gelotst worden, die ebenfalls Notdienst hat.
Ursula-Apotheke in Schwabing hält die Stellung
Die Warteschlange dort nimmt am Nachmittag schier kein Ende, auch das Telefon klingelt permanent. "Wir haben vier, fünf Mal so viel Betrieb wie an normalen Tagen", sagt Apotheker Frank Füßl (53), "die Menschen brauchen vor allem Antibiotika, Schmerz- und Allergiemittel."
Seine anderen Filialen unten im U-Bahnhof und am Josefsplatz bleiben aber zu. Denn auch Füßl unterstützt den Streik, "aus vollem Herzen sogar", sagt er. "Mein Vater hat von seiner Apotheke noch einträglich leben können. Wir brauchen heute mehrere Filialen, um überleben zu können." Immer mehr junge Apotheker gingen deshalb lieber in die Industrie. "Dabei", sagt Füßl, "haben wir doch einen Versorgungsauftrag und müssen an die Patienten denken. So, wie es jetzt läuft, kann das alles nicht bleiben."