Anwohner wollen Maultier mundtot machen

Wie ein Wiehern zum „wichtigsten Thema Schwabings” mutiert – und Anwohner gegen eine tönende Skulptur ankämpfen
Julia Lenders |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Um dieses Vieh geht's: Anwohner stören sich an den stündlichen Maultier-Geräuschen.
Schramek Um dieses Vieh geht's: Anwohner stören sich an den stündlichen Maultier-Geräuschen.

MÜNCHEN Bäume, die gefällt werden sollen. Läden, die draußen Postkarten-Ständer aufstellen wollen. Oder Kneipen, die Freischank-Flächen fordern. So etwas ist Alltagsgeschäft für die Münchner Bezirksausschüsse. Wiehernde Maultier-Skulpturen gehören seltener dazu. Doch morgen ist es so weit: Da wird ein blökendes Vieh den BA Schwabing-West beschäftigen.

Konkret geht es um ein quietschbuntes Reiterstandbild im Petuelpark: ein Muli trägt einen jungen Reiter und jede Menge absonderliches Gepäck. Skateboard inklusive.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Doch der ist in diesem Fall gar nicht das Thema. Vielmehr geht’s ums Geräusch. Denn tagsüber, je um Viertel vor, dreht sich die Bronze-Figur um die eigene Achse und stößt dabei einen Schrei aus. Einen Schrei, den einige Anwohner in der nahen Klopstockstraße 6 nicht mehr aushalten mögen. Sie wollen das Maultier maul-, äh: mundtot machen und fordern schon seit geraumer Zeit: „Sofortiges Abschalten des Wieherns”.

Schon vor zwei Jahren beschwerte sich Wortführer Dietmar Lindner (70) beim Baureferat: „Dieses Blöken ist sowohl auf unserem Balkon als auch in der Wohnung bei geöffnetem Fenster lautstark zu vernehmen.” Einmal am Tag wäre das vielleicht noch amüsant, so steht in seinem Brief. „Aber jede Stunde ist es nicht zu ertragen. Unsere Nerven liegen mittlerweile blank.” Eine Unterschriftenliste gegen die Maultier-Töne unterzeichneten zwölf Anwohner. Vom Baureferat kam allerdings keine Antwort.

2010 war Ruhe. Die Nachbarn in der Klopstockstraße dachten schon, sie hätten Erfolg gehabt. „Aber dann war nur die Platte kaputt”, erzählt Eva Lindner. Als das Wiehern und "I-A" heuer zurückkehrten, reaktivierten sie ihren Protest. Ihre Beschwerde erreichte den Bezirksausschuss – nur leider den falschen. Jetzt beschäftigt die „Eselei” am Mittwochabend das zuständige Stadtteilparlament.

Aleks Vulic vom Café Ludwig, vor dem das Maultier steht, kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. „Viele Gäste oder Parkbesucher fragen sogar, wann es wieder wiehert. Und die Kinder finden’s lustig.” Er ist absolut dagegen, dass dem Vieh der Saft abgedreht wird. „Das wäre schade, weil damit ein Teil von einem Kunstwerk abgestellt würde.” Als nächstes gäbe es dann nur noch Plastikbäume, so prognostiziert er, damit kein lästiges Laub fällt.

Auch BA-Chef Walter Klein sagt: „Es ist ein Stück Kunst. Die Skulptur passt einfach dahin.” Die Anwohner hätten vorher den Mittleren Ring gehabt. „Und jetzt haben sie ein Maultier.” Im Unterausschuss sei das „wichtigste Thema Schwabings” bereits diskutiert worden. Einhellige Meinung: Zu laut ist das tierische Geräusch nicht. Möglicherweise könnte man sich darauf verständigen, das Muli ein bis zwei Stunden früher in die Nachtruhe zu schicken – jetzt mault es bis Viertel vor neun am Abend.

Die AZ hat den Dezibel-Test gemacht: Wie laut ist das Muli wirklich? Gut über 70 Dezibel zeigt das Gerät in der Spitze an. Vergleichstabellen geben als Lärm in dieser Lautstärke Rasenmäher oder Schreien an. Nach ein paar Sekunden ist das Spektakel allerdings schon wieder vorbei. Das Maultier schweigt.

„Es geht nicht um die Lautstärke”, sagt Nachbar Dietmar Lindner. „Es geht nur um dieses penetrante Geräusch.”
 

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.