Anwohner klagen: Aufstand gegen Spielsalon
München - Es piept und tutet, Spielautomaten blinken, in einer Ecke lädt ein Elvis-Flipper zum Spiel gegen den King of Rock’n’Roll ein. Für manche mag diese Spielhalle ein Ort sein, der mit ein bisschen Glück Geld oder zumindest Unterhaltung verspricht. Für Marlene S., ihren Mann und ihren Sohn ist er ein Quell ständigen Unglücks. Sie haben bei der Stadt gegen den Spielsalon in ihrer direkten Nachbarschaft geklagt.
Von der Boschetsrieder Straße aus wäre der Salon nicht auffällig, gäbe es nicht eine große Stellwand mit Werbung. Die Spielhalle befindet sich in einem Innenhof im Parterre, darüber sind Wohnungen. Für die Familie S. ist es jedoch die direkte Nachbarschaft. Sie haben vor 30 Jahren ein Gebäude am Kopfende des Innenhofs gekauft, eine Wirtschaft. Vor acht Jahren haben sie es ausgebaut, das Wirtshaus mit Biergarten kam weg, stattdessen gibt es dort nun sieben Wohnungen für Familien. Mit der Glückspielhalle im selben Hof verträgt sich das nicht. „Die Gäste dort trinken Alkohol und rauchen draußen“, berichtet Marlene S., teilweise kommen sie sogar auf die Terrasse ihrer Mieter.
Eine gütliche Einigung scheitert
Man habe versucht, sich gütlich mit dem Spielhallenbesitzer zu einigen, aber das sei gescheitert. Deshalb geht die Sache nun vor Gericht. Der Sohn von Marlene S., nun Eigentümer des Mietshauses, will die Stadt dazu verpflichten, gegen die Spielhalle vorzugehen.
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Das Vergnügungsangebot an der Boschetsrieder Straße besteht dort schon seit 1991. Anfangs war es ein Billardsalon, über die Jahre hinweg wurde das Angebot jedoch stetig erweitert. Heute gibt es ein Bistro und drei Hallen mit Glückspielautomaten. Das ist auch der Knackpunkt, der bei der Verhandlung gestern vor dem Verwaltungsgericht deutlich zutage tritt. „So eine rechtswidrige Baugenehmigung habe ich selten gesehen“, sagt die Vorsitzende Richterin Marion Pauli-Gerz. In der ursprünglichen Baugenehmigung von 1991 war zwar noch von Spielhalle die Rede, in der Korrektur dieser Pläne von 1992 ist jedoch nur noch von einem Billardsalon die Rede.
Die Stadt stimmte jeder Erweiterung der Spielothek zu
Im Laufe der Jahre kam es immer wieder zu Erweiterungen, die letzte 2007, bei der die Räumlichkeiten erneut vergrößert werden sollten. Die Stadt stimmte zu, man betrachtete die Maßnahmen nur als „geringfügig“.
Dass in die Halle nicht nur Billardtische, sondern auch Geldspielautomaten wanderten, war der Stadt bekannt. Man sah darin jedoch kein Problem. Die Vorsitzende Richterin stellt jedoch klar: „Damit deckt sich das noch lange nicht mit der Baugenehmigung.“ Sie deutet an, dass ihre Kammer der Klage der Anwohner deshalb durchaus stattgeben würde.
Die Stadt müsste dann dem Besitzer des Spielsalons untersagen, die Räumlichkeiten weiter zu nutzen.
Eigentlich eine gute Nachricht für die Kläger. Nur wollen die bei der Verhandlung den Richterspruch gar nicht mehr. Spielhallenbesitzer und Vermieter haben im Vorfeld der Verhandlung gesprochen – sogar eine Einigung gefunden. Der Druck von Justitia scheint wohl nachgeholfen zu haben.
Familie S. soll um ihr Grundstück jetzt einen Zaun errichten dürfen, bislang hatte der Inhaber des Salons sich dagegen sogar zivilrechtlich gewehrt. Nun soll diese Klage zurückgenommen werden.
Die Vorsitzende Richterin Pauli-Gerz runzelt jedoch die Stirn, als ihr diese Idee präsentiert wird. Laut Bebauungsplan wäre ein Zaun auf dem Grundstück gar nicht erlaubt, merkt sie an – da kann der Besitzer der Spielhalle noch so freudig zustimmen.
Christian, der Sohn von Marlene S., irritiert das nicht. Er möchte trotzdem mit dem Spielothek-Betreiber verhandeln. Dafür haben er und seine Familie jetzt gut eine Woche Zeit. Liegt bis dahin keine Einigung auf dem Tisch, gibt es einen Richterspruch – und vermutlich bald eine Spielhalle weniger in Obersendling.
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Das ist die Rechtslage
Die Genehmigung von Spielhallen erfolgt von mehreren Behörden. Zum einen muss die Lokalbaukommission zustimmen. Die kann jedoch nur nein sagen, wenn der Charakter eines Viertels droht, durch die Errichtung einer Halle mit Glückspielautomaten schlechter zu werden. Diese Regelungen sind recht schwammig.
Konkreter sind die Regelungen bei der Genehmigung durch das KVR. Es prüft nach der Gewerbeordnung die persönliche Zuverlässigkeit des Betreibers. Nach dem Glückspielrecht darf zudem dort, wo schon eine Spielhalle steht, keine weitere im Umkreis von 250 Metern errichtet werden. Für schon bestehende Spielhallen, die von der Regelung betroffen sind, gibt es Übergangsfristen. Spielhallen in München haben Sperrzeiten zwischen 3 und 9 Uhr, es darf dort kein Alkohol ausgeschenkt werden.
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