Anwerbevertrag vor 50 Jahren: Servas Hellas! So ticken Münchens Griechen

1961 kommen in München die ersten Gastarbeiter aus Griechenland an. Die Stadt feiert das im Rathaus. Und vier Münchner Griechen erzählen, was ihnen hier gefällt.
von  Abendzeitung
Niki Chatziparasidu
Niki Chatziparasidu © Gregor Feindt

MÜNCHEN - 1961 kommen in München die ersten Gastarbeiter aus Griechenland an. Die Stadt feiert das im Rathaus. Und vier Münchner Griechen erzählen, was ihnen hier gefällt.

Gut, dass der Festakt nicht im April oder Sommer stattfindet, sondern jetzt: Sonst wäre Münchens Oberbürgermeister Christian Ude eventuell verhindert. Grund: Mykonos. Dort urlaubt der OB seit Jahrzehnten mit seiner Frau Edith von Welser-Ude.

Am Montagabend ging es im Großen Sitzungssal des neuen Rathauses allerdings nicht um die Münchner, die nach Griechenland verschwinden, sondern um die umgekehrte Wanderungsbewegung: Griechen also, die es sich in München gemütlich gemacht haben. Und zwar nicht für zwei Wochen, sondern zum Teil seit 50 Jahren.

So lange gibt’s den „Anwerbevertrag“, der 1960 zwischen Deutschland und Griechenland geschlossen wurde. Er bildete die rechtliche Grundlage für zehntausende Gastarbeiter, die daraufhin ins Land strömten, gerufen und gebraucht wurden, um den Mangel an einheimischen Arbeitskräften auszugleichen.

Was daraus entstand, war mehr als nur eine Geschäftsbeziehung, nämlich etwas Symbiotisches, eine Verbindung, von der beide Seiten profitieren. Die AZ hat sich am Montag in der Stadt umgeschaut und vier von 22000 Griechen befragt – nach ihrem Verhältnis zu München und den Münchnern, zu denen sie ja selber längst zählen.

Linda Schoon, Timo Lokoschat

„Ein Leben ohne München? Undenkbar!“

Mit 16 Jahren kam Niki Chatziparasidu nach München. Seit über 40 Jahren lebt sie nun in der Stadt. „Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl. Ein Leben ohne München kann ich mir gar nicht mehr vorstellen“, erzählt sie der AZ. Die 58-Jährige hat ihre Wohnung im „Griechischen Haus“ (griechisches-haus.de), eine Einrichtung der evangelischen Kirche im Westend. Sie arbeitet gleich darunter im „Stadtteilcafé Philoxenos“ als Servicekraft.

Ihre zweite Heimat biete ihr die Sicherheit, die sie als Ausländerin woanders so nicht erleben würde, meint Niki Chatziparasidu. Ihre Töchter leben mittlerweile, obwohl hier geboren und aufgewachsen, wieder in Griechenland. „Ein halbes Jahr hier in München verbringen und die andere Hälfte in Griechenland, das könnte ich mir gut vorstellen.“

Aber wieder an die Ägäis zu gehen, für immer, das ist für Niki Chatziparasidu inzwischen undenkbar. Die Isar hat einfach was.

„Wie ein kleines Dorf“

Mehr als Gyros: Das „Kytaro“ im Lehel gehört zu den bekanntesten und besten griechischen Restaurants in München. Dafür, dass es gut läuft, sorgt auch Dimitrias Koskimas. Er schüttelt hier als Barkeeper.

Der 32-Jährige ist in München geboren. „Obwohl ich hier aufgewachsen bin und meine Familie hier lebt, fahre ich jedes Jahr nach Griechenland, auf die wunderschöne Insel Korfu“, berichtet er.

Aufs Zurückkommen freut er sich aber genauso: „Im Gegensatz zu anderen deutschen Städten ist es hier einerseits sehr kosmopolitisch, andererseits jedoch wirkt die Stadt ein bisschen wie ein kleines Dorf.“ Das Einzige was ihm nicht gefällt, sind die hohen Mieten. Das geht auch Ur- Münchnern nicht anders.

„Seid offen für deutsche Kultur!“

Will man seinem Kind die Farben beibringen, geht man am besten zu Anastasius Ekizoglou, in sein Lebensmittelgeschäft in Neuhausen, wo Gemüsesorten, Saucen und Öle in allen Tönen aus den Regalen strahlen. Sein Vater eröffnete vor 35 Jahren den Laden, der vor allem griechische Spezialitäten verkauft. „München ist meine Heimat“ sagt der 35-Jährige, der in zweiter Generation hier geboren und aufgewachsen ist. „Das Lebensgefühl ist einfach gut hier, denn neben dem äußeren Stadtbild, den schönen Plätzen und Parks, gibt es eine lebendige Kulturszene.“

Verbesserungsvorschläge hat er nur im Bereich Bildung. „Hier könnte mehr investiert werden, um die ärmeren Stadtviertel zu unterstützen.“ Von den starken Gemeinschaften unter Migranten hält Anastasius Ekizoglou wenig. Im eigenen Saft schmoren – nichts für ihn: „Die Leute sollten lieber offen für die deutsche Kultur sein und diese aufnehmen!“

„Die schönste Stadt“

Er kennt München besser als viele Einheimische, besser als Zugereiste sowieso: Johannes Angelis arbeitet als Taxifahrer in der Stadt, findet ohne langes Überlegen fast jede Straße, egal ob in Haidhausen, Schwabing oder Giesing. Kein Wunder, lebt er doch schon seit 40 Jahren hier.

Sein Urteil fällt dann auch ziemlich eindeutig aus: „München ist für mich die schönste Stadt Deutschlands! Sie bietet einfach alles, was mir Freude macht.“ Trotzdem hält der 65-Jährige die Verbindung zu seiner Familie in Griechenland aufrecht. „Mindestens einmal pro Jahr besuche ich meine Verwandtschaft.“

Gerne engagiert sich Angelis in Münchens griechischen Vereinen. „Schön finde ich, dass auch immer wieder Deutsche bei uns vorbeischauen“, sagt er noch. Dann muss er los. Ein Fahrgast will in die Au.

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