Anti-Terror-Übung in München: Die Reaktionen der Passanten

So erlebt der Münchner die Anti-Terror-Übung im Bahnhofsviertel. Nicht viel zu sehen, aber um so mehr zu hören.
Ralph Hub |
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Ein Punk mit gelben Haaren will sich das Programm ganz aus der Nähe anschauen. An der Absperrung ist Schluss für ihn.
rah Ein Punk mit gelben Haaren will sich das Programm ganz aus der Nähe anschauen. An der Absperrung ist Schluss für ihn.

München - "Was'n hier los?" - In der Nacht auf Mittwoch ist das die meist gestellte Frage. Passanten recken neugierig die Hälse.

Um 20 Uhr beginnen Polizisten den nördlichen Teil des Hauptbahnhofs abzuriegeln. Am Ausgang Arnulfstraße wird das Rollgitter heruntergelassen. Polizisten stellen Sichtschutzelemente auf.

"Da sind wir ein paar Tage weg, schon ist der Teufel los", sagt ein Ehepaar, dass gerade aus Hamburg zurückkommt. "Terror-Übung?", fragt Franz O., "nix mitbekommen." Vielen Reisende haben ein mulmiges Gefühl. Lautsprecherdurchsagen weisen auf eine Übung hin, das beruhigt.

Etliche Geschäfte sind geschlossen. Bei Subway durfte die Belegschaft eine Stunde früher um 23 Uhr gehen.

Überall drängeln sich Schaulustige an Absperrgittern. "Geiles Programm heute Abend", freut sich ein Punk mit knallgelbem Haarkamm. "So viele Polizisten und keiner will was von uns", freut sich Atze. Er und seine Freunde haben es sich vor "Western Union" gemütlich gemacht. Sie lassen eine Flaschen kreisen. Der Pegel steigt, die Stimmung auch.

In den Wirtschaften an der Arnulfstraße ist es ruhig. Die meisten Tische sind leer. Auch in der Kapitol-Bar herrscht nicht unbedingt Massenandrang. Drei ältere Herren sitzen an der Bar. Eine Animierdame hockt vor der Tür, raucht und schaut der Polizei zu.

 

 

Ein Mann verpennt die Anti-Terror-Übung: "Da wird geschossen" - "Schlaf weiter!"

Ab Mitternacht wird's spannend. Immer mehr Schaulustige treffen ein. Manche haben ein Bier in der Hand, andere ein Glas Wein. Entspannt lehnen sie an den Hauswänden.

"Lass uns verschwinden", mault ein Frau ihren Freund an. Doch der mag nicht. "Was denn, ist doch spannend hier", hält er dagegen. Mit sanftem Druck schiebt sie ihren Herzbuben in Richtung Elisenhof.

Kaum ist das Paar verschwunden, geht das Programm drüben im Hauptbahnhof richtig los. Immer mehr Einsatzfahrzeuge stoppen. Viel Blaulicht, Sirenen. Die S-Bahnen fahren durch, denn im Untergrund wird geschossen - aber nur mit Platzpatronen.

Am S-Bahn-Aufgang neben dem Gasthof "Rechthaler Hof" hat man akustisch einen Logenplatz. Aus dem Untergrund klingt's, als würde ein neuer Teil von "Stirb langsam" gedreht. Und auch zu sehen gibt's genügend.

Schwer bewaffnete Spezialkräfte rennen herum . Innenminister Joachim Herrmann trifft ein, umringt von einem Pulk hoher Polizeibeamter. Sie sind die einzigen Zuschauer, die hautnah bei der Übung dabei sein dürfen. Alle anderen bleiben Zaungäste in dieser Nacht.

Es wird immer heftiger geschossen. Der Krach ist bis in die Maxvorstadt und nach Neuhausen zu hören. Kurz nach Mitternacht weckt eine 24-Jährige ihren Freund: "Da wird geschossen", flüstert sie ängstlich. "Das ist nur eine Übung, schlaf weiter", brummt er.

Live dabei Dank "Dokumobil" der Polizei München

Via Twitter diskutiert die Community im Netz, ob so eine Übung notwendig ist. Vor Ort regt sich der eine oder andere auf, weil er von einer Absperrung zur nächsten läuft. Viele zeigen Verständnis. "Die Polizei muss üben", sagt ein Mädchen zu ihren Freundinnen.

Je später es wird, um so mehr gibt's zu sehen. Das liegt auch an dem Doku-Mobil der Polizei, das vor dem "Rechthaler Hof" parkt. Auf den Monitoren im Inneren kann man verfolgen, was im Untergrund passiert. Kurz vor 1 Uhr nachts ist "Sendeschluss" - Stromausfall. Die Monitore sind dunkel, zum Leidwesen der Schaulustigen.

Immer mehr Verletzte werden aus dem Bahnhof gebracht. Polizisten tragen sie zur Paul-Heyse-Straße. An der Hopfenpost stehen Sankas. Im Minutentakt werden Verletzte versorgt und abtransportiert.

Gegen 2 Uhr wird's langsam ruhiger im Bahnhofsviertel. Die Übung geht zu Ende. Die ersten Schaulustigen machen sich auf den Heimweg. Gegen 3 Uhr gibt's für Journalisten im Starnberger Flügelbahnhof noch eine kurze Einlage aus dem "polizeilichen Einsatztraining". Standart, nicht zu vergleichen mit dem Programm der Übung

Zeitgleich werden die Absperrungen abgebaut. Immer mehr Einsatzkräfte rücken ab.

Um 4 Uhr ist alles wieder friedlich. In der Haupthalle füllen die Bäcker und Imbissstandl ihre Auslagen auf. Der Alltag hält im Hauptbahnhof wieder Einzug.

Zwei Stunden Ausnahmezustand: So war die Terror-Übung am Hauptbahnhof

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