Anschläge, Aufmärsche, Mordaufrufe von Neonazis - Rechte Szene in München
Innenminister Joachim Herrmann bezeichnet die Nazi-Szene als besorgniserregend. Die Grünen fordern bessere Aufklärung. So wüteten Neonazis in München.
München - Neonazis, die durch München marschieren, Propagandaveranstaltungen, Mordaufrufe an Hausmauern, Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, Hetze gegen Ausländer, Helfer, Politiker: Die Aktivitäten von Rechtsextremen in München und Umgebung sind hoch. Zwar ist die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten 2017 erstmals seit vier Jahren zurückgegangen, doch mit 1.829 Taten in Bayern ist sie nach wie vor sehr hoch.
Innenminister Joachim Herrmann, der heute den Verfassungsschutzbericht vorstellt, kündigte an, über eine "besorgniserregende Entwicklung" zu sprechen, das Spektrum der Rechtsextremen sei wesentlich heterogener geworden. In den vergangenen Jahren zählten Verfassungsschützer rund 2.440 Personen zum rechtsextremen Spektrum. 1.000 gelten als gewaltorientiert.
Grünen-Politikerin Schulze: "Die Polizei berichtet zu selten über rechtsextreme Taten"
Schon vor zwei Tagen hat die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen Katharina Schulze ein Lagebild zum Rechtsextremismus in Bayern 2017 vorgestellt (AZ berichtete). Ihre Zahlen stammen aus dem Innen-, Justizministerium und Staatsschutz. Die Grünen hatten die Daten abgefragt.
Schulze kritisiert die niedrige Aufklärungsquote und fordert: "Wir müssen den Fahndungs- und Ermittlungsdruck erhöhen!" Beispiel: rechtsextremistische Bedrohung. 31 Fälle wurden angezeigt, zehn von ihnen wurden übers Internet ausgesprochen. Die Polizei ermittelte in 29 Fällen, davon 13 Mal in München, doch in zwölf Fällen konnte kein Täter ermittelt werden.
Katharina Schulze beklagt außerdem, dass die Polizei die Öffentlichkeit nicht ausreichend über rechtsextreme Taten informiert. "Bei den 32 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte – davon 13 in Oberbayern – gab es zwölf Pressemitteilungen." Wie eine Anfrage der Grünen ergab, konnte in 18 Fällen kein Täter ermittelt werden. Über Angriffe gegen Asylbewerber (insgesamt 22) berichtete die Polizei nur in der Hälfte der Fälle. Noch schlechter war die Informationspolitik in Bezug auf Angriffe gegen Flüchtlingshelfer: Hier berichtete die Polizei lediglich über einen Fall – von insgesamt 18.
Eine Auswahl von Straftaten und Aktivitäten in München
- Im Februar wird ein Paar aus dem Münchner Osten von ihrem Neonazi-Nachbarn bedroht. An seiner Wohnungstür steht: "Nach dieser Türe fängt das Deutsche Reich an". Er hämmert an die Tür des Paares, beschädigt den Rollator des einen und droht: "Euch Kakerlaken werde ich alle umbringen und ausräuchern!" l Am 18. Februar hängen Anhänger der extrem rechten Gruppe "Der Schild" ein Transparent vom Dach des "PEP". "Islamisierung tötet!", steht darauf sowie die Aufforderung "Verteidige München".
- An Hitlers Geburtstag am 20. April bringen Neonazis nachts an der Glyptothek am Königsplatz Fahnen der Neonazipartei "Der Dritte Weg" an.
- Am 25. April, dem Todestag von Reinhold Elstner, führen Neonazis um den Neonazi Roland Wuttke eine "Mahnwache" durch. Der ehemalige Wehrmachtsoldat und Holocaustleugner hatte sich ‘95 vor der Feldherrnhalle verbrannt.
- Im April erhält der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter ein Schreiben. Darin werden auch Nürnbergs OB Ulrich Maly und Berlins Ex-OB Klaus Wowereit als "Volksschädling" bezeichnet. Wenig später wird die Namenstafel von Ritters Bürgerbüro angesprüht.
- Zum Tag der Befreiung hängen Mitglieder von "Der Dritte Weg" eine lebensgroße, blutverschmierte Puppe an einen Baum am Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Um den Hals trägt sie ein Schild: "8. Mai 1945 – kein Tag der Befreiung".
- Mitte Juni verwüsten Unbekannte eine Halle in der Ingolstädter Straße und schmieren Hakenkreuze an die Wände. Schaden: mehrere 10000 Euro. l Im November ziehen sieben "Soldiers of Odin" durch Pasing und die Innenstadt.
- In der Nacht zum 9. Dezember werden Scheiben des Forums für Islam in der Hotterstraße eingeschlagen.
Lesen Sie auch: München: SPD und CSU zoffen sich um Mietpreisbremse