Anja (16) steuert einen Intercity

MÜNCHEN - Berufswunsch: Lokführerin. Ein Freund hatte das junge Mädchen zu der Tour von Stuttgart nach München und zurück eingeladen.Die Deutsche Bahn geht jetzt dem Vorfall von 2005 nach.
Keine Frage, die junge Dame macht ihren Job sehr routiniert. Anfahren, abbremsen, Einfahrt in den Bahnhof: Das alles absolviert Anja im Führerstand eines Intercity wie ein echter Profi. Zu sehen ist sie auf der Internet-Plattform Youtube. Der Knackpunkt: Laut des Video-Einstellers war Anja zu diesem Zeitpunkt gerade süße 16 Jahre alt. Und die Tour von Stuttgart nach München und zurück so etwas wie eine „inoffizielle Ausbildungsfahrt“.
Vor wenigen Tagen hat Manuel B. den 6.33 Minuten langen Streifen bei Youtube hochgeladen – unter dem Titel „Deutsche Bahn AG mit Anja (16 Jahre!) im Lokführerstand Zug fahren“. Gedreht hat er ihn allerdings schon vor knapp fünf Jahren, am 27. Februar 2005.
Die damals 16-jährige junge Dame wollte schon immer Lokführerin werden, erklärt Manuel B., seines Wissens nach hatte sie gerade eben ihre DB-Ausbildung begonnen. Er war damals „Praktikant und Lehrling bei der Bahn AG um den Lehrgang Schaffner“ und sehr angetan, dass Anja „das alles schon beherrschte und selbstständig Zug und Schnellzüge fahren, beziehungsweise steuern“ konnte.
Die Tour Stuttgart – München – Stuttgart absolvierte Anja laut Manuel B. aber in ihrer Freizeit, ein befreundeter Lokführer hatte sie und den Schaffner-Praktikanten dazu eingeladen. Und er ließ ihr im Führerstand bereitwillig den Vortritt.
Angesichts des jugendlichen Alters der „Lokführerin“ drängen sich natürlich Fragen auf. War der Intercity-Ausflug mit den Vorschriften der Deutschen Bahn (DB) vereinbar? Durfte der Lokführer Anja das „Steuer“ und die Verantwortung für Hunderte Fahrgäste übernehmen lassen?
Bei der DB hielt man sich gestern mit einer Stellungnahme zu dem konkreten Vorfall zurück, weil er nach fünf Jahren nicht kurzfristig aufzuklären ist. Aber: „Generell können auch 16-jährige Azubis einen Zug fahren“, so eine Bahn-Sprecherin zur AZ – allerdings in Begleitung eines Ausbilders.
Auch betriebsfremde Personen dürfen unter bestimmten Bedingungen in den Führerstand. Selbstfahren ist aber streng verboten. „Dann ist auch mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen“, so die DB-Sprecherin.
Und der Lokführer hätte in diesem Fall ein gewaltiges Problem.
Rudolf Huber