Angst vor Terror-Anschlägen und Chaos rund um die Wiesn

Wegen der Absperrungen kommt es zu Staus um den Sicherheitskorridor. Die Taxler sind sauer, besorgte Bürger rufen bei der Polizei an. Die ist mit 700 Mann im Einsatz.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Polizeibeamte untersuchen einen Kinderwagen
Ronald Zimmermann Polizeibeamte untersuchen einen Kinderwagen

MÜNCHEN - Wegen der Absperrungen kommt es zu Staus um den Sicherheitskorridor. Die Taxler sind sauer, besorgte Bürger rufen bei der Polizei an. Die ist mit 700 Mann im Einsatz.

Dass die Wiesn nicht mehr wie früher ist, spürt Ernst Günzel zuerst in den Beinen. „Es ist eine Frechheit, wir leiden besonders unter dem Sicherheitsaufwand“, schimpft der schwerbehinderte Rentner. Mit seiner Tochter will er auf der Wiesn Mittag essen, dafür kam er mit dem Taxi aus Ramersdorf. Doch weil das direkt vor der Wiesn nicht mehr halten darf, muss er die letzten Meter mit seiner Gehilfe zurücklegen.

Es ist Dienstag und Tag eins, nachdem die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen in der knapp 200-jährigen Geschichte des Oktoberfests greifen. 700 Polizisten sind im Einsatz, riegeln die Straßen ab, kontrollieren die Besucher. Am Morgen kommt es zu Staus und Verkehrschaos, weil die Autos die Sperren umfahren müssen. Und die Sicherheitsvorkehrungen werden nun noch ausgeweitet.

Gab es ein Drohvideo schon vor Wiesn-Start?

Dabei ist es nicht allein die beschwerliche Anreise, die nun viele fürchten. Die Polizei zählte am Montag 300 besorgte Anrufe. „Bin ich in dieser Stadt noch sicher?“ – das fragten viele. Auch Kritik an der Polizei kommt auf: Angeblich soll eine der Terror-Drohbotschaften schon am 18. September, also vor Wiesnstart, vorgelegen haben, die Sicherheitsoffensive gibt es jedoch erst jetzt. Die Grünen fordern daher in einer Anfrage an OB Christisn Ude Aufklärung. Die Polizei widerspricht: „Ein Drohvideo, in dem Symbolbilder vom Oktoberfest zu sehen waren, gab es vor dem Wiesn-Start definitiv nicht“, sagt ein Polizeisprecher der AZ.

Sicherheit soll das Polizeiaufgebot rund um die Theresienwiese vermitteln, bewirkt bei vielen aber eher das Gegenteil – und sorgt für Unsicherheit. „Wir haben zehn Prozent an Absagen von unseren amerikanischen Partnern“, sagt ein Geschäftsmann, der seinen Namen nicht nennen will. Zu einem Geschäftsessen hatte er geladen. Nun steht er mit nur einem Begleiter da, denn seit den Terrordrohungen der El Kaida ist vielen seiner Kunden der Appetit auf Bier und Hendl vergangen: „Vor allem Kunden aus dem Ausland haben Angst“.

Zugänge zum Hauptbahnhof gesperrt

Auch die Polizei ist hypersensibilisiert. Am Montagvormittag wurde in der Herzog-Heinrich-Straße ein herrenloser Rucksack gefunden. Die Polizei ließ Spürhunde das Gepäckstück untersuchen – Fehlalarm. Es dürfte nicht die einzige Schrecksekunde bleiben, denn die Sicherheitsvorkehrungen greifen bis weit in die Innenstadt hinein. „Ab sofort mehr und intensivere Personen- und Gepäckkontrollen“, kündigte Polizei-Sprecher Berti Habelt am Dienstag an. Betroffen seien Reisende am Flughafen und am Hauptbahnhof. Dort wird es bis zum Ende der Wiesn auch keine Schließfächer mehr geben. Man wolle verhindern, dass dort „Sachen“ deponiert würden, so Habelt. Zusätzlich sind alle Zugänge zum Bahnhof außer die an der Haupthalle, sowie an der Arnulf- und Bayerstraße gesperrt. Die Flügelbahnhöfe Holzkirchen und Starnberg bleiben bis auf weiteres dicht. An allen Eingängen kontrolliert die Bundespolizei stichprobenartig Gepäckstücke und Personalien.

Bei den Taxlern wächst die Wut

Check-Points an der Wiesn, Polizeikontrollen am Hauptbahnhof, gepanzerte Fahrzeuge in den Straßen – die Terrorgefahr ist nicht nur im Straßenbild präsent – sondern längst auch im täglichen Leben. Auch bei jenen, die keine Angst vor Bomben haben, wie etwa Taxifahrer Cabuk Senol. Bei ihm und seinen Kollegen wächst die Wut über den Sicherheitskorridor. Halteverbot gilt rund um die Wiesn und einen Sammelplatz für Taxis gibt es nicht mehr. Seine Fahrgäste muss Senol jenseits des Sicherheitsgürtels einsammeln – was selten gelingt. „In fünf Stunden keinen einzigen Kunden“, klagt er und sieht sich als großen Verlierer der Sicherheitsoffensive: „Die Wiesn ist die wichtigste Zeit für uns – aber so können wir einpacken.“

Immerhin, viele trotzen weiterhin der Terrorangst. Zwar hatten einige Eltern Bedenken, doch Andrea Bachhofer hat den Klassenausflug zur Wiesn nicht abgesagt. „Wir gehen einfach ganz früh hin, da schlafen Terroristen noch“, lächelt die Grundschullehrerin. Eine Sicherheitsstrategie, die zumindest ihre Schüler beruhigt hat.

Reinhard Keck

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.