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Angst vor Prostitution am Hauptbahnhof in München: Rathaus-SPD greift grüne KVR-Chefin an

Wird Prostitution in Teilen der Innenstadt in München bald wieder legal? Die grüne KVR-Chefin hält sich für nicht zuständig - der Koalitionspartner SPD hält sie aber für am Zug.
von  Felix Müller
Nicht im Sperrbezirk: der "Leierkasten" in Freimann.
Nicht im Sperrbezirk: der "Leierkasten" in Freimann. © IMAGO/aal.photo

München - Vor Amtsantritt galt KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) als klare Gegnerin des Sperrbezirks. "Die aktuelle Verordnung ist sehr alt", sagte sie damals zum Beispiel, das Ziel sei doch einst etwa gewesen, "die Jugend und den Anstand" zu schützen. Davon, was die Regeln für Sex-Arbeiterinnen bedeuten, sei gar keine Rede. Und: Bestraft würden immer nur die Prostituierten – nicht ihre Kunden!

Öffentlich vorangetrieben hat die KVR-Chefin das Thema in Verantwortung dann nicht mehr so sehr – was zu ihrer Amtsführung passt, die Dinge eher ruhig und sachlich intern zu regeln, als den Parteienstreit zu befördern. Ein Hearing im Stadtrat gab es (auf Antrag der CSU) – und Sammüller-Gradl weist immer mal wieder darauf hin, dass formal ja eh die Regierung von Oberbayern zuständig ist, nicht die Stadt. Doch nun gibt es überraschend Aufregung um das Thema – und die kommt aus der Stadtviertelpolitik.

Fällt der Sperrbezirk am Hauptbahnhof in München? Die SPD ist außer sich

"In Teilen des Stadtrats", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der SPD-Fraktionen in den Bezirksausschüssen Maxvorstand und Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, sei "eine Aufhebung des Sperrbezirks" im Gespräch – und das "auch besonders in der Innenstadt". Die Stadtviertelpolitik läuft Sturm, in den Bezirksausschüssen sprach sich bei Abstimmungen jeweils eine Mehrheit dafür aus, keine Prostitution in der Gegend rund um den Hauptbahnhof und den Zentralen Omnibusbahnhof zuzulassen.

Insbesondere die SPD vor Ort ist außer sich. "Wenn die Stadt hier Prostitution zulässt, können Frauen und Mädchen diesen zentralen Ankunfts- und Abfahrtsort nicht mehr ohne Einschränkungen nutzen", sagte Barbara Turczynski-Hartke, die gar "Verhältnisse wie am Frankfurter Hauptbahnhof" fürchtet. BA-Mitglied Felix Lang glaubt, die "negative Entwicklung zu einer No-go-Area" sei "nur noch eine Frage der Zeit".

Die Münchner Grünen haben sich "dazu in letzter Zeit überhaupt nicht beratschlagt"

Die SPD-Stadtviertelpolitiker verweisen darauf, dass die Regierung von Oberbayern der Stadt erklärt habe, dass der Sperrbezirk in der jetzigen Form nicht auf neue Wohnviertel ausgedehnt werden könne. Da ist ein bisschen was dran. Tatsächlich ist die Lage für neue Wohngebiete ungeklärt, gut möglich, dass etwa in Freiham Prostitution erstmal erlaubt ist – weil sich die Sperrbezirksverordnung aus rechtlichen Gründen nicht noch weiter ausdehnen lässt.

Was das aber mit der Hauptbahnhofgegend zu tun haben soll – und wie man in den Bezirksausschüssen darauf kommt, dass der Stadtrat dort Prostitution zulassen will, das konnte sich am Montag bei der Stadt offiziell keiner so recht erklären. "Wir haben dazu in letzter Zeit überhaupt nicht beratschlagt", sagte Grünen-Stadtrat Christian Smolka, dessen Fraktion im Rathaus am Sperrbezirk-kritischsten gilt, der AZ.

Den Sperrbezirk verändern: Die Stadt München ist gar nicht zuständig

KVR-Chefin Sammüller-Gradl selbst sagte im Gespräch mit der AZ: "Die Regierung von Oberbayern weist seit Jahren darauf hin, dass die Sperrbezirksverordnung aktualisiert werden muss und nicht ausgeweitet werden kann." Einen aktuellen neuen Stand gebe es in der Sache nicht, nur, dass sich das KVR dafür einsetzen wird, Alten- und Seniorenheime vom Prostitutionsverbot auszunehmen (AZ berichtete). Sammüller-Gradl betonte: "Niemand muss Sorge haben, dass sich kurzfristig am Bahnhof etwas ändert."

Mittelfristig aber ist sich da auch im Rathaus nicht jeder ganz so sicher. Stichwort Freiham: Das Problem sei, dass man selbstverständlich neue Wohngebiete auch frei von Prostitution halten wolle, heißt es von Stadträten hinter vorgehaltener Hand. Dann aber könne es sein, dass man aus rechtlichen Gründen gezwungen sei, anderswo Prostitution wieder zuzulassen.

Denkbar also, dass es irgendwann tatsächlich eine konkrete Debatte gibt. In den Stadtvierteln um den Bahnhof zumindest hat man seine Meinung dann schon mal klar geäußert: Hier soll bitte alles bleiben, wie es ist.

Und die Rathaus-SPD sieht die Lage anders als Sammüller-Gradl. "Unsere Fraktion ist gegen den Wegfall des Sperrbezirks in der Innenstadt", sagte SPD-Stadträtin Lena Odell der AZ. Die SPD wolle prüfen lassen, ob man ein "Modell der Freierbestrafung" im Sperrbezirk umsetzen könne. "Aktuell liegt uns aber noch kein Vorschlag aus dem zuständigen Kreisverwaltungsreferat vor, wie es weitergehen soll", kritisierte Odell.

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