Angst vor Massenentlassungen bei Müller-Brot
Neufahrn - Vor einer Bäckereifiliale neben der riesigen Fabrik von Müller-Brot in Neufahrn wird für Faschingskrapfen geworben: „Auf zum närrischen Treiben“, steht auf dem Plakat. Doch zum Lachen ist den Mitarbeitern der Großbäckerei, die am Vortag Insolvenz angemeldet hat, wahrlich nicht zumute. Die meisten Beschäftigten schleichen am Freitagmorgen wortlos durch das Drehkreuz am Haupteingang, viele wirken resigniert und winken ab.
Ein Maschinenführer ist bereit zu reden: „Ich habe Angst“, sagt der 35-Jährige. Er und seine Kollegen hätten schon lange geahnt, dass es der Firma schlecht gehe. In den vergangenen Jahren habe Müller-Brot immer wieder verspätet die Löhne überwiesen. „Ich habe mein Geld häufig erst zwei Wochen später bekommen“, sagt der Mann, der seit 14 Jahren in der Semmel- und Baguette-Anlage arbeitet.
Verdreckte Maschinen, Mehlwürmer, Mäusekot und Schaben: In den vergangenen Monaten eskalierten die Hygieneprobleme bei Müller-Brot. Nach einer Zwangsstilllegung des Betriebs von zweieinhalb Wochen kamen am Freitagmittag 18 Kontrolleure, um Teilbereiche des 55.000 Quadratmeter großen Firmenareals zu inspizieren. Sie sollten entscheiden, ob Müller-Brot mit seinen 1.300 Mitarbeitern wieder produzieren darf.
Der Maschinenführer erzählt: „Bis gestern haben wir geputzt. Es ist alles sauber.“ Bei einer erfolgreichen Abnahme würden aber nur vier Produktionslinien wieder in Betrieb gehen. „Das ist nichts, höchstens zehn Prozent des Gesamtbetriebes.“ Die Verunreinigungen, so habe er beobachtet, seien über Jahre entstanden. Der Familienvater vermutet, dass die Unternehmensleitung am Reinigungspersonal gespart habe.
Die Gewerkschaften erheben nach der Pleite schwere Vorwürfe gegen die Gesellschafter der Großbäckerei, Klaus Ostendorf und Michael Philipps: „Aus purer Profitgier hat Müller-Brot die Hygiene im Betrieb vernachlässigt“, sagt der DGB-Landesvorsitzende Matthias Jena. „Es ist unerträglich, dass für dieses unfassbare Management-Versagen jetzt allein die Beschäftigten büßen sollen.“
Ostendorf und Philipps seien Multimillionäre, die mit ihrem Geld Banken und Investoren gewinnen könnten, um den Betrieb zu stützen. Doch für sie zähle nur die Größe der eigenen Geldkoffer, sagt Jena. Auch Mustafa Öz von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist wütend und wirft den Eignern vor, sie entzögen sich ihrer Verantwortung: „Sie hätten die Mittel, das Unternehmen zu retten.“ Stattdessen ließen sie es fallen.
Neufahrns Bürgermeister Rainer Schneider rechnet mit Massenentlassungen bei Müller-Brot: „Einige hundert Mitarbeiter werden wohl freigestellt.“ Für den Ort mit 20.000 Einwohnern sei das
ein Riesenproblem, zumal es zumeist um angelernte Beschäftigte gehe. „Kurzfristig können wir den Entlassenen nichts anbieten“, sagt der Rathauschef. „Die Gewerbesteuer ist aber nicht unsere Sorge“, sagt Schneider noch – und deutet indirekt an, dass Müller-Brot bereits seit Jahren kaum Gewerbesteuer abgeführt hat.
Sechs Daten zur Großbäckerei Müller-Brot
– 115 Millionen Euro Umsatz pro Jahr
– rund 1.300 Beschäftigte
– etwa 260 Filialen für den Direktverkauf,
– rund 3.600 Verkaufsstellen von Handelskunden
– tägliche Produktion von bis zu einer Million Semmeln, einer
Million Brezen und 70.000 Broten
– der jährliche Mehlverbrauch liegt bei rund 40.000 Tonnen
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