Angst um zwei Milliarden

Der kleine Mann und die Angst um zwei Milliarden.  Bestechung oder doch Erpressung? Der Münchner Prozess gegen Bernie Ecclestone beginnt in lockerer Atmosphäre
Matthias Maus |
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Der kleine Mann und die Angst um zwei Milliarden.  Bestechung oder doch Erpressung? Der Münchner Prozess gegen Bernie Ecclestone beginnt in lockerer Atmosphäre

München  Mancher wünschte sich, so zu sein, mit 83. Federnden Schritts kommt er rein in den Saal 101, der Anzug sitzt, schwarze Krawatte, ein Lächeln hier, einen Seitenblick da. Und nach drei Bypässen hat der Mann mit dem vollen grauen Haar nur einen Grund zur Klage: „Ein Sehfehler seit Geburt“.

Und doch ist dieser Bernard Charles Ecclestone nicht zu beneiden. Er hat große, begründete Sorgen. Der Mann, der die Formel 1 geschaffen hat und beherrscht, er könnte hier in München sein Lebenswerk verlieren – wenn der Prozess vor dem Landgericht so ausgeht, wie er befürchten muss: „Bestechung in einem besonders schweren Fall“ wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor und „Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall“. Darauf stehen – theoretisch – bis zu zehn Jahre.

Doch auch wenn kaum ein Prozessbeobachter glaubt, dass der kleine schnelle Mann nach vermutlich 26 Verhandlungstagen wirklich ins Gefängnis muss, ernst ist es.

Dafür allerdings geht es für ein Verfahren dieser Güte erstaunlich locker zu - zumindest am Anfang. Es wird geschmunzelt an diesem Morgen – die Atmosphäre ist so ganz anders als an den bleiernen Tagen, wenn hier Beate Zschäpe sitzt und die Morde der Neo-Nazi-Bande vom NSU verhandelt werden.

„Hier steht, Sie sind geschieden", sagt der Vorsitzende Richter Noll zum Angeklagten. „Ich denke, Sie sind verheiratet?" Ecclestone erreicht mit Mühe das Mikrofon: „Both", sagt er: „Beides ist richtig". Allgemeine Heiterkeit. Noll: „Das ist noch eine der einfacheren Fragen in diesem Verfahren."

Die Staatsanwälte werfen Ecclestone vor, er habe den ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky mit rund 45 Millionen Dollar bestochen, damit dieser Ecclestone 2006 wieder die Alleinherrschaft über die Formel 1 verschaffe. Aus der Konkursmasse des Kirch-Imperiums war die Landesbank seit 2002 Eigentümerin eines 50-Prozent-Anteils an der Rennserie.

Auto-Freak Gribkowsky kümmerte sich die Anteile. Tatsächlich kam der Verkauf der Anteile zustande, und die 45 Millionen sind tatsächlich auf Gribkowskys Konto geflossen. Was für die Staatsanwaltschaft Bestechung war, stellt Ecclestone als Erpressung dar.

Gribkowsky habe gedroht, Ecclestone bei der Steuer zu verpfeifen. Hintergrund ist die seltsame Bambino-Familienstiftung, die auf dem Papier ecclestones Ex-Frau Slavica und den beiden Töchtern gehört. Gribkowsky habe „Andeutungen gemacht“, dass in Wahrheit Ecclestone selbst die Fäden zog.

„Das hätte mich zwei Milliarden Pfund kosten können“, lässt Ecclestone seinen Anwalt auf Deutsch erklären und: „Ich sah mein Lebenswerk gefährdet.“

Ecclestone stellt den einstigen Kumpel Gribkowsky als Gernegroß dar. Sicher war er ein Quälgeist. Bis 2005 machte er ihm das Leben schwer. Er drohte mit Transparenz und einem Kontrollgremium – Dingen, die dem Briten ein Graus sind.

Im April 2005 bot sich eine Lösung. Ecclestone präsentierte einen Investor, der die BayernLB-Anteile übernehmen könnte. Dieser würde dafür sorgen, dass der Brite wieder Alleinherrscher in der Auto-Serie werde. Das Geschäft kam wunschgemäß zustande, für 815 Millionen Dollar.

Im Gegenzug wollte sich der Impresario um den hilfreichen Landesbänker kümmern. Das heißt: finanziell. „Tell a number“, „Nenn eine Zahl!“ soll Bernie Gribkowsky am Rande eine Rennens aufgefordert haben. Man einigte sich auf 45 Millionen Dollar.

Der Angeklagte ist als Menschfreund nicht bekannt, vielmehr als gerissener Geschäftsmann, der sich - ebenfalls mit Gribkowskys Hilfe, mehr als 41 Millionen Dollar als „Beraterhonorar“ von der Bank zurückholte. „Kickback“-Geschäft nennt man das. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden für die Landesbank, also für den Steuerzahler, auf 66 Millionen Dollar. Die Banker hatten im Rahmen eines sogenannten Team Payments weitere 25 Millionen Dollar überwiesen, an die Ecclestones Bambino-Stiftung.

Bis zum Ende des Verfahrens muss Ecclestone an jedem Verhandlungstag erscheinen. Ein Tort für den großspurigen Impresario. Am 9. Mai kommt es zum Showdown. Dann soll Gribkowsky in den Zeugenstand. Der bekam für den Deal 2012 achteinhalb Jahre. Mittlerweile hat er Freigang. Dass es zu einem Deal kommt, der Ecclestone den Knast erspart, ist nicht ausgeschlossen. Matthias Maus, th.

 

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