Angst um ein grünes Kleinod: Münchner Tramlinie soll wiederbelebt werden

"Wir gehen auf die Barrikaden": Vom Ostbahnhof nach Neuperlach soll wieder eine Trambahn fahren. Im Stadtbezirk hat man dazu noch viele Fragen.
von  Myriam Siegert
Kustermannpark: Kleine grüne Lunge im dicht besiedelten Stadtbezirk. Im Hintergrund erkennbar ist der Spielplatz, auch einen Sportplatz gibt es.
Kustermannpark: Kleine grüne Lunge im dicht besiedelten Stadtbezirk. Im Hintergrund erkennbar ist der Spielplatz, auch einen Sportplatz gibt es. © Bernd Wackerbauer

München - Manche erinnern sich – in München rollten einst viel mehr Trambahnen als heute. Auch in Ramersdorf, wo in den 60er und 70er Jahren eine Tram die Rosenheimer Straße hinauf bis zum alten Ramersdorfer Ortskern fuhr. Wie viele andere wurde die Route vor Jahrzehnten eingestellt – um nun im Zuge einer großen Tram-Offensive wiederbelebt zu werden.

Gute 7,5 Kilometer vom Deutschen Museum über den Gasteig und/oder den Ostbahnhof nach Ramersdorf sowie nach Neuperlach Zentrum soll die neue Trasse verlaufen. Auch eine mögliche Verlängerung über Waldperlach bis nach Putzbrunn ist laut MVG und Mobilitätsreferat denkbar.

Tram-Pläne sorgen für Unruhe

Für die Viertel sollte das eine gute Nachricht sein. Trambahnen haben meist eine größere Kapazität als Busse – und stehen nicht im Stau. Im Stadtbezirk Ramersdorf-Perlach jedoch sorgen die Pläne eher für Unruhe. Der Grund: Der Kustermannpark, kleine Oase zwischen Rosenheimer Straße, Bahnlinie und Balanstraße, könnte zumindest in Teilen von den Tramplänen gefährdet sein.

Der genaue Verlauf der Gesamtstrecke steht derzeit noch nicht fest, aber das erste Stück vom Gasteig entlang der Rosenheimer Straße bis Ramersdorf gilt als gesetzt. Von 2023 bis voraussichtlich 2025 laufen hier die Vorplanungen. Der östlichere Abschnitt von Ramersdorf bis Perlach werde in einer Machbarkeitsstudie von 2022 bis 2023 untersucht, heißt es.

Müssen Bäume weichen, um Platz für die Tram zu schaffen?

Auf dem Ramersdorfer Abschnitt der Rosenheimer Straße könnte die Tram in großen Teilen die heutige Busspur nutzen, die auf der früheren Tramtrasse verläuft. Doch genau entlang des Kustermannparks gibt es diese nicht.

Um Platz für Straße plus Tram zu schaffen, so die Befürchtung, könnte man einen Streifen des ohnehin nicht riesigen Parks abknapsen. Etliche alte Bäume, die auch den hinter dem Park liegenden Wohnanlagen Schallschutz bieten, müssten dann weichen.

Die Rosenheimer Straße stadtauswärts. Links im Bild ist die Busspur zu sehen, rechts der Zugang in den Kustermannpark.
Die Rosenheimer Straße stadtauswärts. Links im Bild ist die Busspur zu sehen, rechts der Zugang in den Kustermannpark. © Bernd Wackerbauer

2017 war dieser Randbereich des Parks schon einmal bedroht. Damals ging es um Nachverdichtungspläne der Bayerischen Hausbau. Nach massivem Widerstand, auch der Anwohner, sprach OB Dieter Reiter (SPD) ein Machtwort und beendete die Planungen.

Auch jetzt wollen die Anwohner ihr Kleinod nicht opfern. "Im Viertel ist immer mehr Verkehr, alles wird immer dichter bebaut", klagt eine Anwohnerin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, im Gespräch mit der AZ. "Wir haben hier keine grüne Lunge mehr."

Sie kündigt an: "Wir gehen auf die Barrikaden!" Würde die Stadt den Park antasten wollen, müsse es ihrer Ansicht nach ein Enteignungsverfahren geben, denn der Park gehöre den 127 Eigentümern der angrenzenden Wohnanlage St.-Cajetan-Straße 7-13. Bei der Stadt, so die Anwohnerin, liege lediglich die "Dienstbarkeit für die Durchwegung und Spielplätze". Die Eigentümer, da ist sie sich sicher, würden falls nötig alle Rechtsmittel ausschöpfen.

Wird wieder mal der leichteste Weg gegangen?

Auch Thomas Kauer (CSU), BA-Chef von Ramersdorf-Perlach, ist verstimmt. Der Bezirksausschuss (BA) sei in diesem Jahr "zunehmend verstört gewesen, wichtige Details immer wieder nur aus der Zeitung zu erfahren", erklärt er im Gespräch mit der AZ. Die Sache mit dem Kustermannpark, der enorm wichtig für das Viertel ist, sei eines davon.

Dass die Trasse entlang der Rosenheimer Straße in der heutigen Busspur verlaufen soll, sei nachvollziehbar, so Kauer. Ob man im Abschnitt davor, also ab der Bahnunterführung, den Platz so aufteilen könnte, dass der Park nicht angefasst werden muss?

Kauer ist vorsichtig: Er kenne die Pläne nicht und könne dies nicht beurteilen. Es möge vielleicht Gründe geben, warum dies "ingenieurtechnisch schwierig" ist. Mit Blick auf die Haidhauser Seite aber, wo die Rosenheimer Straße durch die neuen Radwege "plötzlich nur noch einspurig ist", liege "die Frage nahe, warum es 300 Meter weiter, wo der Straßenraum eigentlich nicht so klein ist, nicht möglich ist, eine Trambahn und eine Autospur zu kombinieren", sagt Kauer.

Er habe den Eindruck, so der BA-Chef, "dass bei Verkehrswendemaßnahmen oft der leichteste Weg gegangen wird", kritisiert er. "Da spielen dann Flächenversiegelung und Baumschutz keine Rolle mehr, sondern da bauen wir dann einfach so eine Achse durch." Im Bezirksausschuss habe man sowieso Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Trasse. "Wir sind beileibe keine pauschalen Trambahngegner", betont Kauer. Aber man habe sich durchaus eigene Gedanken gemacht, wo im Stadtbezirk man Nahverkehrslücken und weniger gut angebundene Bereiche mit einer Trambahn erschließen könnte.

Von der Schwanseestraße über die Ständlerstraße nach Neuperlach beispielsweise. Oder von der St.-Veit-Straße nach Perlach, um das Viertel mit Berg am Laim zu verbinden. "Wenn Sie heute versuchen, von Trudering nach Perlach zu kommen, bleibt Ihnen nur der Bus, und der steht im Stau", so Kauer. Gleichzeitig gebe es Buslinien, wie etwa zur Emdenstraße oder zum Fasangarten, die unbedingt ihre Berechtigung hätten. "Ob aber eine Tram zwischen Ostbahnhof und Neuperlach, wo darunter die U-Bahn fährt, einen Mehrwert schafft, bezweifle ich", sagt Kauer.

Kommt es zur zufriedenstellenden Tram-Lösung?

Die bisherigen Pläne werfen beim BA also vor allem Fragen auf: Nach dem Ensembleschutz der historischen Ortskerne Ramersdorf und Pflanzeltplatz in Perlach, nach Parkplätzen und Baumbeständen entlang der Trasse, nach Lärmschutz, danach wo die Tram endet und wendet, und viele mehr.

Die Viertelpolitiker hatten sich deshalb schon im vergangenen Jahr ans Mobilitätsreferat gewandt, mit der Bitte um einen Trambahn-Gipfel. Weil dies nicht gewährt wurde, hatte das Gremium im Januar über 30 Fragen schriftlich eingereicht. Die Antworten seien, so Kauer, aber eher unbefriedigend gewesen, weil vor allem auf die Machbarkeitsstudie verwiesen wurde, die erst noch entsteht. Hier erwarte man nun, miteinbezogen zu werden, so Kauer.

Kommt es also in Ramersdorf-Perlach zu einer für alle zufriedenstellenden Tram-Lösung?

Was den Kustermannpark betrifft, betont das Mobilitätsreferat auf AZ-Anfrage, "der Erhalt aller Grünflächen sei ein wesentliches Planungsziel".

Das Mobilitätsreferat erklärt weiter, im Abschnitt von Ramersdorf nach Neuperlach würden die genauen Routen zu Beginn der Machbarkeitsstudie erst noch definiert und verschiedene Varianten entwickelt. Zumindest hier besteht also offenbar noch Spielraum zur Zusammenarbeit.

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