Anbandeln auf dem Laufband

„Bauch, Beine, Po? Das hast du doch gar nicht nötig!" Wie heiß geht’s beim Sport wirklich her? AZ-Reporter Timo Lokoschat (29) hat den Flirt-Faktor in Fitnessstudios getestet
Timo Lokoschat |
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In Kursen lernt man sich besser kennen als zwischen Geräten und Hanteln – Mel Gibson macht's vor in „Was Frauen wollen".
Buena Vista In Kursen lernt man sich besser kennen als zwischen Geräten und Hanteln – Mel Gibson macht's vor in „Was Frauen wollen".

„Bauch, Beine, Po? Das hast du doch gar nicht nötig!" Wie heiß geht’s beim Sport wirklich her? Ein AZ-Reporter (29) hat den Flirt-Faktor in Fitnessstudios getestet

Der Typ nebenan – optisch eine Mischung aus Bud Spencer und Dirk Bach – schnauft, röchelt, zischt, grunzt und schreit, als würde ihm gleich ein Alien aus dem Brustkorb schlüpfen. Dazu dröhnt „Pump up the Jam!“ aus den Boxen. Ich muss lachen. Sie auch. An der Schulterpresse funkt’s.

Aber lieber der Reihe nach: Ich soll Fitnessstudios testen, nicht die Geräte, Trainer oder Sauberkeit, sondern den Flirtfaktor! Vier Münchner Muckibuden, von proletarisch bis angeberisch, stehen auf der Liste. Den Anfang mache ich im billigsten Studio der Stadt, dem McFit. Ich wähle die Filiale in Laim und rechne mit dem Schlimmsten: goldkettchentragendem Trizepsproletariat, „Ich mach dich Messer“-Sprüchen und jungen Männern, die sich für den Djihad stählen.

Die positive Überraschung: Zwar spricht hier zum Testzeitpunkt wirklich kaum jemand Deutsch, doch die Atmosphäre ist unaggressiv und kommunikativ. Eine schlichte Fabrikhalle, viele Geräte, viele Frisuren, junges Publikum.

Die alte Golflehrer-Masche

Es herrscht Männerüberschuss, 70 Prozent buhlen um 30 Prozent, setzen sich an den Geräten in Szene und werfen den „Keulen“ (Tipp: Wörterbuch der Jugendsprache mitnehmen) aufreizende Blicke zu. Ich erlebe live, wie ein 18-jähriger Beau den ersten Schritt macht, sich aus seiner Westsidestoryähnlichen Clique löst und zur gefärbten Blondine marschiert – breitbeinig, als hätte er nach 17 Jahren Seefahrt den ersten Landgang, und mit einer Körperhaltung, die John Wayne wie ein kleines Mädchen wirken ließe. Er zeigt ihr, wie diese Bizepsmaschine wirklich funktioniert. Eine Stunde später verlassen die beiden gemeinsam das Studio.

Respect! Sagt man hier so. Wer den Trainern nicht das Feld überlassen will (siehe Tipps und Interview in der Printausgabe der AZ), sollte die Geräte kennen und erklären können. Die alte Golflehrer-Masche eben.

Abgesehen von flüchtigen Blickkontakten springt für mich selber nicht viel heraus im McFit. Ein Problem ist wohl, dass ich objektiv betrachtet, nun ja, scheiße aussehe im Vergleich zu vielen Konkurrenten. Das Studio hat mit das attraktivste Publikum der Stadt. Etwas prollig, aber freundlich und in Form. Nachteil: Es gibt keine Kurse und keine Bar. Das McFit bekommt von mir trotzdem 4 von 5 Hanteln auf der Flirt-Skala.

Erotische Verfolgungsjagd im ersten Stock

Vom McDonald’s geht’s nun ins Taj Mahal unter den Fitnessstudios – dem Leo’s in Schwabing. Zumindest sieht es sich selber so, was man manchen Mitgliedern auch anmerkt, vor allem den männlichen. Blickkontakt suchen sie lieber zu sich selbst, stolzieren wie geile Gockel vor den Spiegeln auf und ab, tun ständig so, als hätten sie irgendwas im Auge, nur um sich noch näher zu bewundern. Manche finden sich so unwiderstehlich, dass sie sich sogar selber zuzwinkern.

Und genau das ist meine Chance! Ich setze mich strategisch günstig in der Nähe des Eingangs an die Brustpresse, dem Flirt-Hot-Spot im Studio. Jeder muss hier vorbei, jeder guckt. Als eine Brünette ihr Haarband verliert, springe ich auf und gebe es ihr zurück. Es ist lila. „Lila“, sage ich. Damit gewinne ich zwar keinen Lyrikpreis, aber immerhin ihr Lächeln. Ein Gespräch über Farben, Pollen und Honig ergibt sich. Unverbindlich und nett.

Ernster wird’s im ersten Stock. Eine Mittvierzigerin in rosa Leggins, die aussieht, als hätte sie fünf Wochen in einem Backofen auf Gran Canaria verbracht, verfolgt mich gnadenlos. Ich rette mich in den Freihantelbereich, der in vielen Studios eine flirt- und humorfreie Zone ist. Hier trainieren fast nur Männer.

Immerhin: An der Bar treffe ich später die lila Lady wieder. Dem teilweise etwas aufgeblasenen Leo’s geben wir 3 von 5 Kaschmir-Handtüchern auf der Flirt-Skala.

Smalltag über Homer Simpson mit der schönen Sandra

Jetzt will ich mein Glück in der Innenstadt versuchen – das Fitness First residiert in der Kaufinger Straße. Ein kleines Studio. Das heißt, man läuft sich häufiger über den Weg und hat immer eine Ausrede, noch einmal aneinander vorbeizusteppen. Und tatsächlich werde ich hier angeflirtet wie noch nie im Leben, abgecheckt und angegurrt. Balsam für die geschundene Seele. Der winzige Haken an der Sache: von Männern! „Ach, das ist normal am Sonntagabend“, beruhigt mich meine Kollegin, Leute-Kolumnistin Kimberly Hoppe. „Was meinst du, warum ich da so gern hingehe?“ Nun, wahrscheinlich, weil sie hier in Ruhe trainieren kann und statt nach Sex nach „Sex and the City“ gefragt wird.

Aufdringlich ist aber niemand. Ich wechsle einfach zum Ausdauerbereich, in dem hauptsächlich Frauen schwitzen. Trotzdem keine ideale Flirtlocation, da auf den Laufbändern geradeaus geschaut und mit den Fernsehern konkurriert werden muss. Doch wozu gibt’s schließlich die Spiegel? Sie machen Augenkontakte möglich, ohne sich den Hals zu verrenken.

Als dann noch Homer Simpson im TV einen giftigen Kugelfisch verspeist, habe ich einen guten Gesprächsaufhänger, um die schöne Sandra anzuquatschen. Wir fachsimpeln über Mister Burns, seinen Assistenten Waylon Smithers (trainiert bestimmt auch hier), Maggies erste Worte und Duff Bier. Ein versöhnliches Ende: Dem Fitness First verleihen wir deshalb 4 von 5 Simpsons auf der Flirt-Skala.

Ich lege extra viele Gewichte drauf – und sie schaut weg

Die letzte Station ist das Elixia West an der Donnersberger Brücke. Als ich mich am Empfang erkundige, in welchen Kursen die meisten Mädels seien, schaut mich Mitarbeiterin Mandy so entgeistert an, als hätte ich sie gerade gebeten, sich obenherum frei zu machen. Es sei „eine Recherche“, beruhige ich. „Schon klar“, spottet die herbeigerufene Rebecca. Trotzdem gibt’s eine höfliche Auskunft, Yoga solle ich machen.

Mach ich. Und das lohnt sich. Ich fühle mich wie Mel Gibson in „Was Frauen wollen“, alleine unter einem Dutzend von ihnen. 50 Minuten lang habe ich Zeit, mich zum Affen und interessant zu machen. Klappt. Toll sei das, wenn ein Mann sich nicht nur bei den Hanteln aufhalte, heißt es anerkennend. Im Ernst: Dieses Yoga ist auch nicht weniger anstrengend.

Meine Mrs. Universe entdecke ich allerdings woanders, an den Geräten im gepflegten und gut ausgestatteten zweiten Stock. Sie sieht aus wie Milla Jovovich in „Resident Evil“ (nur ohne Blut). Jetzt gilt's: Ich lege extra viele Gewichte drauf – und sie schaut nicht mal hin. Überlege mir Flirtsprüche – von „Na, auch hier?“ bis „Po-Maschine? Das hast du doch gar nicht nötig!“ – und es mir kurzfristig anders. Zu peinlich.

Ein Glücksfall, dass mein MP3-Player heute kaputt ist und sie keinen trägt. Denn so hören wir die Dirk-Bach-Bud-Spencer-Mischung stöhnen und schreien. Müssen lachen. Und kommen doch noch ins Gespräch. Für dieses Studio gibt’s die volle Punktzahl – sagen wir: 5 von 5 Rosen.

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