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Analog, aber am Ball: Das Münchner Fußball-Sommermärchen von 1974

Vor genau 50 Jahren: Bei der WM im eigenen Lande schaut die Welt auf München - vor allem am 7. Juli zum Finale im Olympiastadion
von  Thomas Müller
7. Juli 1974: Das Finale läuft - und die Münchner sind in einer frühen Form von Public Viewing auf dem Marienplatz live dabei.
7. Juli 1974: Das Finale läuft - und die Münchner sind in einer frühen Form von Public Viewing auf dem Marienplatz live dabei. © Heinz Gebhardt

München – Das große Spektakel vor genau 50 Jahren: WM in Deutschland mit dem Finale in München. Wenn man zurückblickt oder sich erinnert, dann war das ein Sommermärchen der ganz eigenen Art.

Allein von Sommer konnte damals gar nicht die Rede sein. Meistens schüttete es wie aus Kübeln. Oft waren Stadien nicht mal ausverkauft. Undenkbar aus heutiger Sicht.

WM 1974 in München: Public Kicking statt Public Viewing

Die Atmosphäre in München während der WM war eine ganz besondere. Die Stadt war damals noch herrlich normal, die Menschen waren gelassen - von Hype oder Spektakel keine Spur. Der Münchner Fotograf und Autor Heinz Gebhardt hat damals in der ganzen Stadt fotografiert während des Turniers, es sind Bilder für die Ewigkeit.

So etwa vor der Michaelskirche in der Fußgängerzone. Irgendwer hatte einen Fußball dort deponiert, was die Münchner sportlich animierte. Jeder, der vorbeikam, ob jung, alt, sportlich oder am Stock, kickte gegen den Ball. Herrlich spielerisch, wunderbar harmlos das Ganze. Public Kicking statt Public Viewing.

Die Münchner sind fast ein bisserl fußballnarrisch: In der Neuhauser und Kaufingerstraße ist Public Kicking angesagt. Aktentaschen, Koffer oder Radl erweisen sich dabei als nur wenig hinderlich.
Die Münchner sind fast ein bisserl fußballnarrisch: In der Neuhauser und Kaufingerstraße ist Public Kicking angesagt. Aktentaschen, Koffer oder Radl erweisen sich dabei als nur wenig hinderlich. © Heinz Gebhardt

Auf Biertragln aufgebockter Fernseher: Anfänge des Public Viewing in München

Apropos, die Sache mit dem Public Viewing. Fan-Zonen gab es damals ja noch nicht. Und das Public Viewing - bei den Olympischen Spielen 1972 im Biergarten am Chinesischen Turm das erste Mal ausprobiert (mit einem auf Biertragln aufgebockten Fernseher) - steckte immer noch arg in den Kinderschuhen.

7. Juli 1974: Das Finale läuft - und die Münchner sind in einer frühen Form von Public Viewing auf dem Marienplatz live dabei.
7. Juli 1974: Das Finale läuft - und die Münchner sind in einer frühen Form von Public Viewing auf dem Marienplatz live dabei. © Heinz Gebhardt

Damals musste halt noch ein tragbarer Fernseher herhalten, den ein Gemüsetandler etwa am Marienplatz aufgestellt hatte. Oder eine Glotze gegenüber im Schaufenster der Deutschen Bank an der Ecke zum Rindermarkt - ohne Ton nach draußen, versteht sich. Aber das war allen, die sich auf Stühle stellten, um wenigstens einen kleinen Blick auf den erhabenen Moment zu erhaschen, einfach nur wurscht.

Auch Prominenz gab sich die Ehre - wie das Fürstenpaar Rainier und Gracia Patricia, das Heinz Gebhardt beim Verlassen der Gaststätte Haxnbauer in der Sparkassenstraße fotografierte.

Ob es ihnen geschmeckt hat? Fürst Rainier von Monaco mit Caroline (vorne) und Gracia Patricia vor dem Haxnbauer.
Ob es ihnen geschmeckt hat? Fürst Rainier von Monaco mit Caroline (vorne) und Gracia Patricia vor dem Haxnbauer. © Heinz Gebhardt

Auch hier alles völlig unglamourös. Ohne Bodyguards. Damals nur begleitet von AZ-Klatsch-Kolumnist Michael Graeter.

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