Amtsgericht: Sechs tote Entenküken und viele Zweifel
München - Der Fall erinnert stark ans „Königlich Bayerische Amtsgericht“: Eine Nachbarin erzählt den Behörden, dass ihr ein Nachbar erzählt habe, ein anderer Nachbar habe Entenküken erschlagen. Die Staatsanwaltschaft wird aktiv wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Der tierquälerischen Tat bezichtigt wird Ludwig O. (Name geändert), ein 66-jähriger Rentner. Doch der streitet alles ab.
Es kommt zum Prozess, doch die Verhandlung läuft ganz anders als von den Anklägern vorhergesehen. Der betagte Kronzeuge kann sich nämlich nicht an den Mann erinnern, der ihm die Geschichte von den erschlagenen Enten erzählt hatte, der Mann auf der Anklagebank sei’s jedenfalls nicht. Glaubt er. Ludwig O. wird – gemäß dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten – frei gesprochen.
Aber von vorne: Peter T. (76) fällt Ende Mai 2013 beim Spaziergang am Ziersee in Haar ein schöner Hund auf. Er hatte einmal selbst einen ähnlichen, spricht daher das ihm unbekannte Herrchen an.
So weit, so alltäglich. Doch das Gespräch kommt dann auf die Enten am See. Davon gebe es zuviele, sagt das Hundeherrchen. Deswegen habe er ein paar gerade erschlagen, erzählt der Mann. „Er hat einen unsympathischen Eindruck gemacht“, erinnert sich der 76-Jährige. Ein Angeber-Typ sei das gewesen.
Peter T. erinnert sich, dass der unsympathische Kerl nicht nur von den toten Enten erzählt habe, sondern sich auch damit brüstete, im Truderinger Wald Fuchswelpen getötet zu haben.
Peter T. erzählt, was er gehört hat, einer Nachbarin. Die identifiziert Ludwig O. als Entenkiller und meldet ihre Erkenntnisse dem Landratsamt. Die wiederum die Polizei verständigt.
Tatsächlich wurden am See Ende Mai sechs tote Entenküken gefunden. Doch zunächst vermuten die Ordnungshüter einen natürlichen Tod durch Krankheit. Erst der Bericht der Nachbarin bringt die Ermittler auf die Spur eines möglichen Verstoßes gegen den Tierschutz.
Vor Gericht sagt Ludwig O. zu den Vorwürfen ganz lapidar: „Stimmt nicht.“ Er habe Anfang der 1960er Jahre mal zwei Hühner gerupft. Das erste und einzige Mal, dass er Hand ans Federvieh gelegt habe.
Doch dem Richter bleiben starke Zweifel. Es seien doch arg viele Zufälle. Denn Kronzeuge Peter T. konnte sich zwar nicht an den Mann, dafür umso besser an den Hund erinnern. Seine Beschreibung deckt sich hundertprozentig mit dem Hund, den Ludwig O. tatsächlich am Ziersee regelmäßig Gassi führt.
Seltsam auch, dass Ludwig O. am Tag vor dem Prozess seinen Vollbart abrasiert. „Vor Gericht muss man gepflegt erscheinen“, erklärt er den plötzlichen Imagewechsel. Zur Tatzeit aber trug er noch Vollbart.
Zweifel sind aber keine Beweise, also musste es Freispruch geben. Das hätte schon der Königlich Bayerische Amtsrichter August Stierhammer den modernen Ermittlern erklären können: Nichts ist als Beweis so unzuverlässig wie ein Zeuge.
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