"Amore, Bruder!": Aufkleber-Kampagne der Stadt München sorgt für Verwirrung

Mit der Kampagne "Merci dir" wirbt die Stadt München für Rücksicht im Straßenverkehr. Doch das versteht kaum jemand. Nicht nur die CSU fragt: Investiert die Stadt ihr Geld sinnvoll?
von  Christina Hertel
Etliche Plakate der "Merci dir"-Kampagne sind entlang einer U-Bahn-Rolltreppe angebracht.
Etliche Plakate der "Merci dir"-Kampagne sind entlang einer U-Bahn-Rolltreppe angebracht. © Landeshauptstadt München Mobilitätsreferat

München - "Amore, Schwester!" – was könnte die Stadt damit meinen? Das hat die AZ in der Münchner Fußgängerzone gefragt. Eine Frau, Anfang 30, vermutet: "Vielleicht irgendwas mit Krankenschwester?" Ein Mann fragt: "Geht's da um Schwule, Lesben und das alles?"

Alles falsch – tatsächlich wirbt die Stadt mit diesen Stickern für Rücksicht im Straßenverkehr. 47.000 Aufkleber, 125.000 Flyer und 1.000 Broschüren hat die Stadt für diese Kampagne mit dem Namen "Merci dir" drucken lassen. Es gibt auch einen Internetauftritt und Veranstaltungen.

Amore, Bruder! Die Münchner rätseln, was das bedeuten könnte.
Amore, Bruder! Die Münchner rätseln, was das bedeuten könnte. © AZ

München: Fast 900.000 Euro für die Sticker-Kampagne

Zehn Monate haben zwei Agenturen an der Kampagne gearbeitet. 2022 gab die Stadt dafür 360.000 Euro aus und heuer eine halbe Million Euro – macht also 860.000 Euro für "Merci Dir".

Die Stadt teilt der AZ mit: "Es geht bei dieser Kampagne um ein besseres, achtsames Miteinander, mehr Rücksichtnahme, Verantwortungsbewusstsein und Gelassenheit im Straßenverkehr – mit dem Ziel, dass sich alle (auch und gerade die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen wie Fußgänger*innen und Radfahrende) wohl und sicher im Straßenverkehr fühlen können." Die Kampagne sei ein "Baustein der Vision Zero", dass es künftig keine Toten und Schwerverletzten mehr auf Münchens Straßen gibt. Sie soll "nach und nach ausgeweitet, aktualisiert und um Themenschwerpunkte ergänzt werden."

Und das ist nicht die einzige Kampagne des Mobilitätsreferats. In diesem Jahr kann es 1,5 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ausgeben.

Verglichen mit anderen Referaten ist das viel: Das Gesundheitsreferat startete zum Beispiel 2018 eine Kampagne, um Pflegekräfte zu gewinnen. Das Budget lag bei 600.000 Euro – für drei Jahre. Für eine Kampagne, die Menschen, die sexuelle Gewalt erfahren hatten, über Hilfsangebote informieren soll, stehen heuer 150.000 Euro zur Verfügung.

Das gesamte Sozialreferat hat ein Marketing-Budget von 445.200 Euro. Davon muss das Stadtjugendamt seine Ferienfreizeiten bewerben und das Amt für Wohnen und Migration auf seine Unterstützungsangebote hinweisen. Sowohl das Kreisverwaltungsreferat (rund 157.000 Euro) als auch Umweltreferat (900.000 Euro) können weniger Geld für Werbung ausgeben als das Mobilitätsreferat.

CSU-Chef Manuel Pretzl: "Was hat Amore mit Verkehrsregeln zu tun?"

Dass die Stadt so viel Geld in eine Kampagne für Verkehrssicherheit steckt, kritisiert CSU-Chef Manuel Pretzl nicht. Schließlich teile auch er das Ziel, dass es möglichst keine Verkehrstoten mehr in München geben soll. Allerdings fragt sich Pretzl auch: "Was hat Amore mit Verkehrsregeln zu tun? Die Kampagne ist nicht zielführend. Das Geld hätte die Stadt besser ausgeben können."

Fast 50.000 solcher Aufkleber hat die Stadt München drucken lassen.
Fast 50.000 solcher Aufkleber hat die Stadt München drucken lassen. © AZ

Überzeugen können Sie sich von einer anderen Kampagne des Mobilitätsreferats übrigens in diesen Tagen. Sie heißt "Miteinander unterwegs mit Herz" und will für ein rücksichtsvolles Miteinander auf Geh- und Radwegen werben. So begründet es zumindest die Stadt.

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