Amokfahrt: Gehörloser rastet aus
Im Prozess übersetzen Gebärden-Dolmetscher – das Urteil ist milde: 2 Jahre mit Bewährung. Ein Man hatte seine Frau geschlagen und war dann abgehauen.
MÜNCHEN - Ein ungewöhnlicher Fall, ein ebenso ungewöhnlicher Prozess: Vor der Richterbank hatten sich gestern zwei Frauen platziert, die per Gebärdensprache alles übersetzten, was Verteidiger, Staatsanwalt, Richter, Gutachter und Zeugen sagten. Denn nicht nur Täter und Opfer sind gehörlos, auch für viele der Zuschauer im überfüllten Saal des Amtsgerichtes war eine Übersetzung in Gebärdensprache notwendig.
Verhandelt wurde der gewalttätige Ausraster eines verlassenen Ehemannes. Er hatte im Streit seine Frau geschlagen und getreten, war dann abgehauen. Er kam aber noch einmal zurück, wollte sich vor dem Haus selber verbrennen. Irgendetwas hielt ihn davon ab. Er raste stattdessen davon.
Damit war die Geschichte aber noch nicht abgeschlossen. Mit der alarmierten Polizei lieferte sich der verzweifelte Mann im Münchner Osten in den frühen Morgenstunden eine wilde Verfolgungsjagd. Er fuhr mit 150 Stundenkilometern, ignorierte rote Ampeln, fuhr auf die Gegenfahrbahn und krachte am Ende in mehrere parkende Fahrzeuge. Nur dem Zufall war es zu verdanken, dass er sich bei dieser Amokfahrt nur selber verletzte.
Grund für den gefährlichen Ausraster: Seine Frau hatte einen Neuen und wollte mit den Kindern (3, 8) nach Hamburg ziehen. Ein Gespräch am 13. Januar in der Truderinger Wohnung der Frau artete schnell aus. Mit Faustschlägen traktierte Bertram S. (42) seine Frau, trat zu. Da er Schuhe mit Stahlkappen trug, gilt das als gefährliche Körperverletzung.
Im Zeugenstand berichtete Hanna S. (31, Name geändert) in Gebärdensprache von den Schlägen und Tritten und wie ihr „weiß vor Augen” wurde. Die Ärzte stellten Hämatome, Prellungen und eine Schädel-Hirn-Trauma fest. Ein Gutachter kam zu dem Schluss, dass der Gewaltexzess lebensgefährdend gewesen sei.
Noch sechs Wochen lang habe sie unter starken Kopfschmerzen gelitten. Doch während die körperlichen Wunden verheilt sind, leidet sie bis heute an seelischen Schmerzen, ist weiter in Therapie. Deswegen sei ihr auch wichtig, dass ein Kontaktverbot gegen ihren Noch-Ehemann verhängt wird. Das tat das Amtsgericht, entzog dem Mann, der seit fünf Monaten in U-Haft gesessen hat, zudem den Führerschein für weitere anderthalb Jahre.
Sein Geständnis und seine Entschuldigung wirkten ebenso strafmildernd wie seine „psychische Ausnahmesituation”. So beließ es das Gericht bei zwei Jahren Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.
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